Ein Ferkelaufzüchter stallte eine Lieferpartie unkupierter Tiere auf. Dank einiger Vorsichtsmaßnahmen blieb das Schwanzbeißen im Rahmen.
Dr. Diana Busley, Tierarztpraxis WiehenVets, Diepenau
Heinz Frisch (Name geändert) hatte sich mit dem Thema Langschwanz befasst. In Absprache mit dem Ferkelerzeuger sollte bei einem Teil der Tiere das Kupieren unterbleiben. Aus organisatorischen Gründen konnte der Sauenbetrieb jedoch nur eine komplette Lieferpartie mit Langschwanzferkeln bereitstellen.
Die insgesamt gelieferten 260 unkupierten Ferkel wurden in einem Abteil in vier gleich großen, vollperforierten Buchten untergebracht. Das Futter teilten Breiautomaten mit motorisierter Dosierung zu.
Berater mit ins Boot
Um keinen Schiffbruch zu erleiden, holte Frisch seinen Hoftierarzt sowie seinen Fütterungsberater Heinrich Eickhoff der Firma Fehse mit ins Boot. Allen Beteiligten war klar, dass der Kupierverzicht bei einer ganzen Einstallgruppe schnell hochgradig tierschutzrelevant werden kann. So wiesen die eingestallten Dänenferkel zwar eine stabile Tiergesundheit auf. Aufgrund des enormen Wachstumsvermögens bestand allerdings eine erhöhte Gefahr, dass Kannibalismus auftritt.
Eine der ersten Vorsichtsmaßnahmen war die Anpassung der Aufzuchtration. Um einen hohen Sättigungseffekt zu erzielen, wurde der Rohfasergehalt in der Ration auf 4 bis 4,5% erhöht. Dies ist rund 1% mehr als der Betrieb zuvor gefüttert hat. Die zusätzliche Rohfaser stammt vor allem aus dem höheren Anteil an Gerste.
Zudem wurde der Eiweißgehalt um 0,5 bis 1% gesenkt, um den Stoffwechsel zu entlasten. Im Gegenzug ergänzte der Futterlieferant die ersten fünf limitierenden Aminosäuren bis zum Tryptophan über das Ferkelfutter. Der Zusatz von Säuren zur pH-Absenkung sowie mittelkettige Fettsäuren stabilisieren den Darm.
Zudem hatte das Team Empfehlungen für die wöchentliche Futteraufnahme erstellt. Hier sind die Tiergewichte, das Fütterungssystem und die Genetik mit eingeflossen. Vor allem eine nach unten abweichende Futteraufnahme sollte als Frühwarnsignal dienen.
Reichlich Spielmaterial
Weiterhin schaffte der Betrieb zusätzlich attraktives Beschäftigungsmaterial an. Dieses umfasste Kaustäbe für Ferkel (Bite-Rite), Jutesäcke, Ferkeltorf, Zuckerrübenschnitzel, Presslinge aus Miscanthus und Baumäste. Zudem wurde mit dem Hoftierarzt vereinbart, dass dieser bei Problemen umgehend den Betrieb aufsucht.
Des Weiteren erfolgte vorab ein Stallklima-Check per Temperatur-Logger. Auch wurde beschlossen, dass der Betriebsleiter deutlich mehr Tierkontrollen vornimmt. Die Frequenz sollte von zwei auf vier Kontrollen pro Tag verdoppelt werden.
Zu erwähnen ist weiter, dass die Ferkel wenige Tage nach der Aufstallung an Durchfall erkrankten. Die klinische Untersuchung vor Ort lieferte den Verdacht auf eine beginnende Infektion mit Glaesserella parasuis (Glässer) sowie mit pathogenen E.coli. Um bei dem Durchgang mit 100% unkupierten Ferkeln kein Risiko einzugehen, erfolgte eine antibiotische Gruppenbehandlung über sieben Tage. Dies führte zur vollständigen Genesung.
Probleme durch Influenza
Bis zum Ende der dritten Aufzuchtwoche entwickelte sich der Durchgang unauffällig. Danach trat jedoch ein Atemwegsinfekt auf. Die Diagnostik mit Nasentupfern fiel in der PCR positiv für das Influenzavirus aus.
Während der Influenza zeigte die ganze Gruppe ein geringgradig ge-dämpftes Verhalten mit erhöhten Körpertemperaturen von bis zu 41,5°C. Einzeltiere hatten schleimig-eitrigen Nasenausfluss und feuchten Husten.
Um auch hier kein Risiko einzugehen, wurde die Influenza im Rahmen eines abendlichen Notdiensteinsatzes des Tierarztes umgehend behandelt. Die Tiere erhielten über das Futter einen Schleimlöser und einen Fiebersenker. Damit alle Ferkel sofort Zugang zum medikierten Futter hatten, wurden die Breiautomaten zuvor entleert. Zusätzlich erhielten die besonders betroffenen Tiere ein Antibiotikum und einen Fiebersenker per Injektion.
Parallel zur Influenza trat bei zwei Ferkeln Schwanzbeißen auf. Damit sich das Geschehen nicht ausbreitet, waren weitere Maßnahmen nötig. So stellte der Aufzüchter sofort reichlich Ablenkungsmaterial bereit. Bis zum Ausstalltag wurde in allen Buchten z.B. im Wechsel Ferkeltorf und Zuckerrübenschnitzel in Schalen vorgelegt.
Auch bei der Tierkontrolle machte Schweinehalter Frisch keine Kompromisse. Nach dem Beginn des Schwanzbeißens hatte er die Anzahl der Stalldurchgänge auf bis zu sechs pro Tag erhöht.
Nur zwei verletzte Tiere
Dank der intensiven Betreuung blieb das Schwanzbeißen im Rahmen. Nur zwei Ferkel zeigten Schwanzverletzungen. Sie wurden früh erkannt und sofort in eine Krankenbucht verbracht. Dort wurden sie über mehrere Tage mit einem Antibiotikum und einem Schmerzmittel behandelt.
Die mehrfach notwendigen Behandlungen der gesamten Tiergruppe führten zu erhöhten Tierarzt- und Medikamentenkosten von knapp 2 € je Ferkel. Zudem war ein vermehrter Einsatz von Antibiotika nötig. Allerdings sind die Mehraufwendungen nicht allein dem Kupierverzicht zuzuordnen.
Das zusätzliche organische Beschäftigungsmaterial schlug mit 215 € für den Durchgang zu Buche. Die Kaustäbe haben 120 € gekostet. Sie können aber bei weiteren Durchgängen genutzt werden. Das Ferkelfutter selbst war trotz der Zusätze etwa so teuer wie zuvor. Denn der Sojaanteil wurde etwas zurückgenommen. Dies wirkte sich positiv auf den Preis aus. Und die zugesetzten freien Aminosäuren waren im Preis gesunken.
Trotz der mehrfachen Erkrankung schloss der Durchgang mit guten Leistungen ab. So erzielten die Ferkel bei Tageszunahmen von 504 g eine Futterverwertung von 1:1,61. Auch die Verluste waren mit 0,8% gering. Die zwei an Schwanzbeißen erkrankten Ferkel waren zum Ende der Ferkelaufzucht voll marktfähig.