Die ersten Lebensstunden eines Ferkels entscheiden über dessen Vitalität und Lebensfähigkeit. Die Geburt ist erst abgeschlossen, wenn alle Nachgeburten abgegangen sind.
Dr. Onno Burfeind, Groß Wittensee
Was alltäglich für Sauenhalter erscheint, ist doch immer wieder ein besonderes Ereignis für die Sau: das Gebären eines Wurfes! Je nach Produktionsrhythmus stehen bei Ferkelerzeugern in bis zu wöchentlichem Turnus Abferkelungen an. Daher werden die Tätigkeiten rund um die Geburt zur Routine. Trotzdem sollte man sich von Zeit zu Zeit die Abläufe und geltenden Grundregeln bei der Geburtshilfe vor Augen halten. Hier die wichtigsten Punkte.
Sauen gut beobachten
- Nestbauverhalten: Sauen zeigen in den letzten 24 Stunden vor der Abferkelung eine deutliche Anschwellung und Rötung der Zitzen und die Milch schießt ein. Es lässt sich somit Milch aus den Zitzen ermelken. Während dieser Phase zeigen die Sauen ein deutliches Nestbauverhalten. Jutesäcke werden von einigen Sauen als Nestbaumaterial sehr gerne angenommen. Je näher der Zeitpunkt rückt, desto mehr liegt die Sau in Seitenlage. Ideal ist es, wenn die Sau während der kompletten Geburt keine Positionswechsel vornimmt. Die Dauer der Geburt kann variieren und hängt von der Anzahl der Ferkel ab.
- Geburtseinleitung: Der Vorteil in der Geburtseinleitung besteht vor allem darin, dass die Geburten so terminiert werden können, dass eine konsequente Überwachung zu den Arbeitszeiten sichergestellt werden kann. Eine Geburtseinleitung kann allerdings auch nachteilig sein, weil die Überlebenschance von kleineren Ferkeln mit jedem zusätzlichen Tragetag steigt und eine zu frühe Einleitung zur Geburt von schwachen Ferkeln führen kann. Daher sollte die Geburtseinleitung frühestens erfolgen, wenn bereits 50% der zur Abferkelung anstehenden Sauen abgeferkelt haben.
Wenn die Geburt stockt
- Eingriffe: Es hat sich bewährt, bei Durchgängen durch die Abferkelabteile die Uhrzeit und die Anzahl der bis dahin geborenen Ferkel auf der Sauenkarte zu notieren. Somit kann auch bei der Betreuung durch mehrere Mitarbeiter oder von vielen Sauen sichergestellt werden, dass ein Stocken des Geburtsablaufes erkannt wird.
In diesem Fall muss die Ursache für das Stocken der Geburt ermittelt und der Sau geholfen werden. Zunächst kann die Gesäugeleiste massiert werden. Dies führt zu einer Ausschüttung des Hormons Oxytocin, was die Wehen stimuliert.
Gleichzeitig kann die Sau mit der Faust in der Flankengegend leicht massiert werden. Dies kann die Platzverhältnisse im Bauchraum ein wenig verändern, was oftmals schon reicht, um ein nach unten verlagertes Gebärmutterhorn oder ein leicht quer liegendes Ferkel in die richtige Position zu bringen. Helfen diese Maßnahmen nicht, muss eine vaginale Untersuchung des weichen Geburtsweges vorgenommen werden, um etwaige Fehllagen der Ferkel zu erkennen und zu beheben.
- Hygiene: Vor jeder vaginalen Untersuchung ist eine Reinigung der Scham notwendig. Die Benutzung eines Handschuhs und einer Menge Gleitgel ist Standard, um die Sau vor Keimeinträgen und nicht zuletzt sich selbst zu schützen. Sollte eine Trockenreinigung der Scham nicht ausreichen, kann das Waschen der Scham mit Wasser und Seife angebracht sein. Durch eine sehr gute Geburtshygiene kann die Häufigkeit des Auftretens von Gebärmutterentzündungen nach der Geburtshilfe deutlich reduziert werden.
Abgeknickter Kanal
- Hindernisse: Es kann passieren, dass ein Ferkel nicht ohne Hilfe ausgetrieben werden kann und somit ein Geburtshindernis für nachfolgende Ferkel darstellt. Dies ist z.B. bei Ferkeln in Querlage der Fall. In diesem Fall sollte die Sau unterstützt werden, indem die erreichbaren Ferkel mit menschlicher Hilfe zur Welt gebracht werden.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Gebärmutter nach unten abgeknickt ist und dadurch die Ferkel nicht zu erreichen sind. In diesem Fall kann es notwendig sein, die Sau aufstehen zu lassen, damit der Knick verstreicht und die Ferkel gegebenenfalls erreicht werden können.
- Wehenschwäche: Eine dritte regelmäßig auftretende Geburtsstörung bei der Sau ist die Wehenschwäche. Diese kann entweder primär oder sekundär als Folge von Erschöpfung bei einer langen Geburt auftreten.
In diesem Fall ist die Gabe von Oxytocin angesagt. Allerdings darf das Wehenmittel erst verabreicht werden, wenn kein Geburtshindernis vorliegt. Dies setzt eine vaginale Untersuchung der Sau voraus, um ein eventuell feststeckendes Ferkel manuell zu entwickeln. Werden mehrere Oxytocin-Injektionen notwendig, sind Mindestabstände von 30 Minuten zwischen diesen einzuhalten.
Geburtsende
- Nachgeburt: Die Geburt ist erst beendet, wenn die Nachgeburt vollständig abgegangen ist. Mitunter kann es schwierig sein, das Ende genau zu erkennen, sodass es ab und zu vorkommen kann, dass tote Ferkel in der Gebärmutter verbleiben. Dies kann zu schweren Allgemeinstörungen der Sau führen. Nach Beendigung der Geburt muss die Nachgeburt umgehend aus der Abferkelbucht entfernt werden.