Ein Praxisbetrieb hatte massive Probleme mit Schwanz- und Ohrnekrosen. Das neue Impfregime und die Optimierung der Stalltechnik brachten Abhilfe.
Dr. Philipp Ellert, Tierarztpraxis WEK in Visbek
Nekrosen an Schwanz- und Ohrenspitzen sind ein häufiges Problem bei Schweinen. Meist tritt es in der Ferkelaufzucht oder in der ersten Mastphase auf. Die betroffenen Hautstellen zeigen blutige Verkrustungen. Diese können durch das Beknabbern zu entzündlichen Verletzungen fortschreiten.
Viele Ursachen
Die Auslöser sind oft sehr vielfältig. Durchfälle spielen in dem multikausalen Komplex eine entscheidende Rolle. Denn so können Stoffwechselprobleme und Endotoxine die Blutversorgung in den feinen Kapillaren stören, sodass das betroffene Gewebe abstirbt.
Ungünstige Faktoren wie Zugluft oder Hitzestau verstärken oftmals das Krankheitsbild. Denn diese führen zu Stress und mindern die Abwehrkraft.
Auch Ferkelerzeuger Werner (Name geändert) hatte Probleme mit Nekrosen bei den Ferkeln. So zeigten ab der Mitte der Aufzucht bis zu 70% der Ferkel starke Ohrrandnekrosen. Parallel traten Schwanznekrosen auf. Zunächst hatten einige Ferkel angelutschte, rötliche Schwanzspitzen ohne Haare. Später kam es zu starkem Schwanzbeißen, das auch in der Mast auftrat.
Die Aufzuchtferkel litten zudem vermehrt unter Husten, der in der Mast teils wieder aufflackerte. Hinzu kamen Hirnhautentzündungen infolge einer Streptokokkeninfektion. Einige Ferkel zeigten starke Wachstumsdepressionen. So waren wiederholt antibiotische Gruppenbehandlungen nötig. Dennoch stiegen die Aufzuchtverluste auf bis zu 4,5% an. Das komplexe Krankheitsgeschehen belastete den 350er- Sauenbetrieb sehr. Denn mit mehr als 34 abgesetzten Ferkeln gehört er zu den Spitzenbetrieben.
Da die Probleme anhielten, wechselte der Betrieb im Frühjahr 2019 den Tierarzt, wodurch eine umfangreiche Diagnostik eingeleitet wurde. So wurden akut erkrankte, unbehandelte Aufzuchtferkel in der Sektion der Praxis analysiert. Die Tiere zeigten Herzbeutelverwachsungen und Lungenentzündungen, die im Zusammenhang mit dem Kümmern und Husten standen.
PRRS als Wegbereiter
In der angelegten Bakterienkultur konnten zwei Haupterreger verantwortlich gemacht werden, nämlich Haemophilus parasuis (Glaessersche Krankheit) und Streptococcus suis.
Zusätzlich wurden mittels PCR die Lungen aus der Sektion auf PRRS-Virus untersucht. Das Ergebnis schockierte: Trotz der Impfung bei den Sauen und den Ferkeln konnte das PRRS-Feldvirus in der Lunge der Tiere nachgewiesen werden. Es gab offenbar einen Impfdurchbruch.
Um dies zu bestätigen, wurden im Flatdeck 20 Blutproben gezogen und mittels PCR untersucht. Auch hier bestätigte sich eine Virämie mit PRRS. Der Erreger ist als Wegbereiter für die Streptokokken und für die Glaessersche Krankheit zu sehen.
Neben den Problemen in der Aufzucht traten hartnäckige Durchfälle bei den Saugferkeln auf. Die Diagnostik zeigte, dass hieran sowohl Rota-Viren vom Typ A als auch Clostridien vom Typ A sowie E. Coli-Bakterien beteiligt waren.
Insgesamt muss festgehalten werden, dass der Krankheitsdruck hoch und die Belastung des Immunsystems enorm geworden sind. Beides können Ursachen für die Schwanz- und Ohrnekrosen sein. Der Betrieb setzte seit Längerem gegen die Ferkeldurchfälle eine Coli-Clostridien-Kombiimpfung bei den Sauen ein. Diese deckte aber nicht die beteiligten Rotaviren mit ab.
Impfregime angepasst
Deswegen wurde eine neue Bestandsvakzine gegen die drei Durchfallerreger angefertigt. Zusätzlich wurde der Erreger der Glaesserschen Krankheit (HPS) in den Impfstoff integriert. Die Erstellung dieser Vierfach-Bestandsvakzine ist zulässig, da es keinen kommerziellen Impfstoff mit entsprechendem Erregerspektrum gibt.
Mithilfe des neuen Sauenimpfstoffes konnte der Saugferkeldurchfall deutlich reduziert werden. Dies hatte wiederum einen positiven Einfluss auf das Gewicht und die Robustheit der Ferkel.
Das zweite wichtige Ziel war, das PRRS-Geschehen in den Griff zu bekommen. Der Betrieb führte ursprünglich die PRRS-Impfung zusammen mit der Mykoplasmenimpfung beim Absetzen durch und die Circo-Impfung zwei Wochen nach dem Absetzen.
Das Versagen der PRRS-Impfung deutete darauf hin, dass diese zu spät kam. Vermutlich ist der hohe Virusdruck auf dem Betrieb dafür verantwortlich gewesen. Die als One-Shot-Vakzine ausgelegte Vorbeuge gegen PRRS wurde daher auf die erste Lebenswoche der Ferkel vorgezogen.
Die Impfung gegen Mycoplasmen und Circovirus findet jetzt beim Absetzen statt. Außerdem erhalten die Ferkel am Absatztag ein Langzeitantibiotikum per Injektion. Dies soll mit der neuen Sauenimpfung die Glaessersche Krankheit eindämmen.
Lüftung optimiert
Bei der Prüfung der Wassertechnik fiel auf, dass die Nippeltränken in der Aufzucht zu hoch montiert und in ihrer Zahl etwas knapp bemessen waren.
Der Betrieb stellt daher jetzt in der ersten Zeit nach dem Absetzen zusätzlich Ferkelschalen in die Buchten. Diese werden zweimal täglich mit frischem Wasser befüllt. Zudem hat der Landwirt in der Aufzucht Aqualevel eingebaut, die den Ferkeln die Wasseraufnahme erleichtern sollen.
Auch die Prüfung der Lüftung zeigte Schwächen. So war die Sommerluftrate mit maximal 50 m³ je Stunde und 30 kg Tiergewicht zu hoch. Sie wurde auf 30 m³ je Stunde und 30 kg gesenkt.Außerdem hat der Betrieb den Regelbereich der Lüftung von 3 auf 5 K angehoben. Dies hilft Temperaturschwankungen zwischen dem Tag und der Nacht abzupuffern.
Erfolg nach zwei Monaten
Die tiergesundheitlichen und technischen Verbesserungen zeigten bereits nach etwa zwei Monaten ihre Wirkung. So traten die vormals häufigen Hustenprobleme kaum noch auf, und die Verluste in der Ferkelaufzucht gingen auf ein Normalmaß von 1,5% zurück. Auch der Umfang der Ohr- und Schwanznekrosen hat sich spürbar vermindert.
Zwar zeigen auch nach den Optimierungen noch etwa 3 bis 5% der Ferkel Nekrosen an den Ohren. Doch die betroffenen Hautflächen sind deutlich kleiner als früher und heilen schneller wieder ab. Außerdem sind die Verkaufsgruppen wieder homogener. Denn die früheren Probleme nach dem Absetzen und das Kümmern treten nicht mehr auf.
PRRS ist Schlüsselfaktor
Einer der Hauptfaktoren ist dabei das Vorziehen der PRRS-Impfung. Denn hierdurch werden die Tiere nicht mehr in eine bereits laufende Infektion vakziniert. Das entlastet das Immunsystem und andere Erreger werden besser in Schach gehalten. Zudem haben sich das verbesserte Wassermanagement und die Lüftungsoptimierung sehr positiv auf die Ferkelgesundheit ausgewirkt.
Auch haben sich parallel die Probleme mit Streptokokken-bedingten Hirnhautentzündungen durch das verbesserte Immunsystem der Ferkel minimiert. Hier sind nur noch Einzeltierbehandlungen mit einem Antibiotikum und Cortison nötig.
Die stabilisierte Tiergesundheit in der Aufzucht wirkt sich auch in der Mast positiv aus. Die Tiere erzielen wieder hohe Mast- und Schlachtleistungen, und das Schwanzbeißen hat sich beruhigt.
Der Ferkelerzeuger soll das optimierte Regime auch nach der überstandenen Krankheitsperiode fortsetzen. Hierzu gehört ebenfalls die antibiotische Behandlung der Einzeltiere zum Absetzen, um keine erneuten Probleme mit der Glaesserschen Krankheit zu riskieren.