Schulterläsionen entstehen häufig in der Frühlaktation, wenn die Sauen viel auf der Seite liegen. Tipps, wie Sie Risikosauen erkennen und rechtzeitig gegensteuern können.
Herbert Nehf, BayWa München
Sauen mit Schulterverletzungen (Ulzera) sind in vielen Beständen leider keine Seltenheit mehr. Sie treten schwerpunktmäßig während der frühen Laktation auf. Schultergeschwüre sind schmerzhaft und damit tierschutzrelevant.
Das Ausmaß der Gewebeschäden wird durch die Druckstärke und die Dauer der Belastung beeinflusst. Das längere Liegen während der Geburt und in den ersten Tagen danach sind ein erhöhtes Risiko für eine übermäßige Druckbelastung, sodass die Läsionen meist um den Geburtszeitpunkt entstehen und sich in der Säugezeit weiterentwickeln.
Starke Schmerzen
- Häufigkeit: Das Auftreten von Schulterulzera ist grundsätzlich stark betriebsabhängig. Aus Deutschland sind keine systematisch erhobenen Zahlen bekannt. Untersuchungen aus Nordamerika und mehreren skandinavischen Ländern zeigen, dass bei Befunden an Schlachtsauen bis zu ein Drittel der Muttertiere betroffen sind.
In Einzelbeständen können bis zu 50% der Sauen Ulzera aufweisen, während andere Betriebe gar keine Probleme haben. Häufiges Auftreten von Schulterulzera ist insbesondere auch in Betrieben zu beobachten, die bereits Sauen mit ausgeheilten Wunden im Bestand haben.
- Schweregrad: Auch die Schweregrade der Ulzera unterscheiden sich zwischen den Sauen und Betrieben teils erheblich. So können oberflächliche Läsionen bis zu tiefgehenden Wunden, die selbst den Knochen betreffen, auftreten.
Sauen mit tiefen Wunden zeigen starke Schmerzen, was den Allgemeinzustand und die Leistung deutlich verschlechtert. In der Literatur werden als Ursache „Nervenfaserknoten“ beschrieben, d.h. eine Verbindung von Nervenfaserbündeln, die von verdichtetem Bindegewebe umgeben sind. Diese werden auch für sogenannte Phantomschmerzen z.B. beim Menschen verantwortlich gemacht.
Läsionen behandeln
- Salbe und Spray: Um Ulzera höheren Grades zu vermeiden, müssen bereits leichte Gewebeveränderungen im Schulterbereich von Sauen kurz vor und nach dem Abferkeln erkannt werden. Zeigen die Tiere schon in diesem Stadium Anzeichen einer leichten Rötung oder Schwellung über dem Schulterblatt, müssen sie behandelt werden.
Zunächst einmal wird eine lokale Behandlung mit 25-prozentiger Zinksalbe empfohlen. Alternativ kann ein tetrazyklinhaltiges Spray aufgetragen werden. Auch die Verwendung von Schulterschonern hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Bei tiefgehenden Ulzera ist zusätzlich eine Schmerzbehandlung angesagt.
Bei Jungsauen und stark abgesäugten Muttertieren mit größeren Würfen kann ein früheres Absetzen der Ferkel hilfreich sein, um eine Verschlimmerung der Schulterverletzung und gleichzeitige Verminderung der Fruchtbarkeit zu verhindern.
- Gummimatten: Weiche Gummimatten, die den vorderen Bereich des Kastenstandbodens auskleiden, haben sich bewährt. Damit Schulterverletzungen erst gar nicht entstehen, können diese bei Risikotieren bereits direkt bei der Einstallung eingesetzt werden. So kann das Auftreten von Schulterulzera um mehr als die Hälfte reduzieren, wie aktuelle Untersuchungen zeigen.
Als Untergrund würde sich aufgrund der gleichmäßigen Druckverteilung auch Stroh anbieten. Doch hier gibt es häufig mit der Art der Entmistung Probleme.
Fütterung ist Schlüssel
- Speckauflage: Für die Vorbeuge von Schulterulzera sollte insbesondere die Konditionsfütterung überprüft werden. Zur idealen Kondition der Sauen gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen. Wichtig im Zusammenhang mit Schulterläsionen ist vor allem die Speckauflage als Polster gegen Druck bei den Tieren.
Messungen zur Speckdicke zeigen aber, dass Konditionsbeurteilungen mit dem bloßen Auge nicht selten einen völlig falschen Eindruck vermitteln. Durch exakte Messungen stellen sich dann vermeintlich fette Sauen als fleischige Tiere und vermeintlich magere Sauen als Tiere mit optimalen Depotfettreserven heraus.
In der Praxis haben sich die Konditionsnote 4 mit ca. 20 bis 22 mm Rückenspeck beim Einstallen in den Abferkelstall und ca. 15 mm Rückenspeck beim Absetzen als ideal herausgestellt. Fettreserven sind wichtig für Sauen als Energiereserven in Zeiten hohen Bedarfs z.B. in der Laktation, als Wärmeisolierung und als Speicher für fettlösliche Vitamine und Hormone. Eine ausreichende Speckdicke von Jungsauen bei der Erstbelegung mit 15 bis 17 mm Rückenspeck bei einem Lebendgewicht von 140 bis 150 kg vermindert ebenfalls das frühzeitige Entstehen der Probleme.
- Lysingehalt anpassen: Das Hauptaugenmerk der Fütterung sollte auf die schnelle Wiedererlangung einer optimalen Zuchtkondition gelegt werden. Dies gilt insbesondere bei Sauen mit schlechter Körperkondition. Dabei ist eine ausreichende Energieaufnahme sowie ein auf Speckansatz ausgelegtes Lysin/ME-Verhältnis im Tragefutter wichtig. Bei Altsauen sind 0,5 g Lysin, bei Jungsauen 0,55 g Lysin je MJME anzustreben.
Problemtiere merzen
- Gute Fundamente: Auch lahme Sauen weisen ein vielfach höheres Risiko von Schulterläsionen auf als Tiere ohne Fundamentprobleme. Eine Erklärung könnte sein, dass lahme Sauen deutlich mehr Zeit in Seitenlage verbringen als Tiere mit intaktem Bewegungsapparat und darüber hinaus die Futteraufnahme geringer ausfällt, sodass die Kondition grundsätzlich dadurch leidet. Fundamentprobleme können ebenfalls schlecht heilende Druckstellen im Schulterbereich begünstigen. Die Fütterung kann unterstützend über eine abgestimmte Elektrolytenbilanz im Trage- und Säugefutter sowie eine ausreichende Zink- und Biotinversorgung wirken, um die Klauenbildung und -härte zu fördern.
- Trittsichere Böden: Weiter sind die Ausgestaltung der Böden sowie bauliche Gegebenheiten wichtig. Es muss darauf geachtet werden, dass sich die Sauen nicht verletzen können. Das Stallklima hat hinsichtlich der Abführung von Luftfeuchte und dem schnellen Abtrocknen von feuchten Flächen ebenfalls eine indirekte Wirkung.
Gerade trockene Böden und Liegeflächen sorgen für starke Klauen und insbesondere auch weniger Keimbelastung und Infektionsmöglichkeiten. Einstreu im Wartebereich kann den Liegekomfort verbessern und so auch die Ausheilung vorangegangener Läsionen fördern. Hygieneeinstreu kann diese Effekte noch steigern.
- Rechtzeitig merzen: Die Anfälligkeit von Schweinen für Liegebeulen ist darüber hinaus eventuell genetisch verankert. Daher sollte jede entsprechende Erkrankung dokumentiert und eingeordnet werden. Sauen, die wiederholt Anzeichen zeigen, sollten frühzeitig aus dem Bestand genommen werden.