In den letzten vier Jahren hat die EU PiG Innovation Group bewährte Best Practices-Beispiele gesucht und aufbereitet. Drei Beispiele aus den Niederlanden, Finnland und Frankreich.
Klemens Schulz, BRS
In den letzten vier Jahren hat die Innovation Group EU PiG (www.eupig.eu) Schweineproduzenten in ganz Europa aufgerufen, bewährte Best Practices-Lösungen zu beschreiben und mit anderen Produzenten zu teilen. Das Projekt ist in diesem Jahr ausgelaufen. Mehr als 800 praxistaugliche und bewährte Lösungen zu den Themen Tierschutz, Tiergesundheit, Produktqualität und Präzisionslandwirtschaft wurden eingereicht.
In den Kategorien wurden insgesamt 32 herausragende Beispiele ausgezeichnet, die repräsentativ für die Innovationsfreudigkeit und Modernität der Schweinefleischerzeugung in Europa stehen.
NL: Hygiene und Güllekühlung
Der niederländische Landwirt Kees van der Meijden wurde für sein Betriebsmanagement ausgezeichnet. Er baute seinen Betrieb mit 1000 Sauen und Ferkelaufzucht nach einem Brand im Jahr 2013 komplett neu wieder auf und führte zahlreiche Innovationen ein. Die Tiergesundheit und das Leistungsniveau verbesserten sich dadurch deutlich. Antibiotika müssen kaum noch verschrieben werden. Parallel sanken die Produktionskosten.
- Maßnahmen: Der komplette Betrieb wurde neu strukturiert, um ein strenges Hygienekonzept umsetzen zu können. Um Kreuzkontaminationen zu vermeiden, wurden je Tierkategorie unterschiedliche Farben eingeführt. Zum Beispiel wurde der Abferkelstall blau gestaltet, vom Bodenbelag bis zu den Arbeitsmaterialien und Geräten.
Im Abferkelabteil wurde ein neues Kühlsystem im Güllebereich verbaut. Es handelt sich um eine Kühlplatte, die in die Güllewanne gelegt wird. Die Gülle wird so unter 15°C gekühlt und die frei werdende Wärme in Energie für das Anwärmen des Ferkelnestes genutzt. Das senkt nicht nur die Ammoniakemissionen, sondern spart auch Strom.
Der Betrieb setzt auf regelmäßige Schulungen der Mitarbeiter zu Hygienethemen und zum Tierverhalten. Alle im Stall Tätigen sind verpflichtet, Arbeitsprotokolle anzufertigen. Das hat zu einer Standardisierung und Optimierung von Arbeitsprozessen beigetragen und alle Mitarbeiter haben immer denselben Informationsstand. Das führt zu zielgerichteten und abgestimmten Entscheidungen, die das Leistungsniveau des Betriebes positiv beeinflusst hat.
Kees van der Meijden ist mit seinem Konzept derart erfolgreich, dass er mittlerweile Schulungen für andere Schweinehalter anbietet.
- Nutzen/Kosten: Der Einsatz von Antibiotika ist auf nahezu Null gefallen. Die Ammoniakfreisetzung wurde um 85% reduziert. Das kommt Tieren und Mitarbeiter zugute. Die Anzahl der abgesetzten Ferkel konnte um ein Ferkel je Sau und Jahr gesteigert werden. Der Betrieb liegt heute bei 33 abgesetzten Ferkeln je Wurf.
Die Zunahmen in der Ferkelaufzucht und Mast konnten ebenfalls verbessert werden. Gesunde Mastschweine erreichen das Schlachtende heute deutlich früher. Durch die Kühlplatten im Güllesystem sanken die Energiekosten. Die Investitionen für die Innovationen werden mit 1500 € pro Sau angegeben.
FIn: Fleisch von Rapsschweinen
Der finnische Schweinehalter Matti Ropilo erzeugt Schweine für das Label Rypsiporsas® (Rapsschweinefleisch). Das Programm ist auf Nachhaltigkeit ausgelegt. So ist unter anderem der CO2-Fußabdruck ein Kriterium. Der Betrieb mästet auf 1100 Plätzen.
- Maßnahmen: Als Ersatz für importiertes Sojaexktraktionsschrot wird unter anderem lokal erzeugtes Rapsschrot verwendet. Dadurch sinkt der CO2-Fußabdruck. Durch die gezielte Fermentation werden unverdauliche bzw. nicht resorbierbare Stoffe abgebaut und die Phosphorversorgung verbessert.
Durch weitere Maßnahmen wie die Nutzung von Sonnenkollektoren, eine Düngeoptimierung und bodenschonenden Ackerbau konnte der CO2-Fußabdruck weiter gesenkt werden.
Für die Berechnung des Fußabdruckes wird eine spezielle „Biocode“-Software genutzt, mit der sich die Auswirkungen einer Rationsänderung auf den Fußabdruck unmittelbar berechnen und transparent gegenüber dem Abnehmer darstellen lassen.
Das Fleisch ist reich an Omega-3-Fettsäuren und schneidet in der Verkostung sehr gut ab. Rypsiporsas®-Schweine, die im nachhaltigen Anbausystem erzeugt werden, erzielen in Finnland um 12 bis 20% höhere Erlöse als herkömmlich erzeugte Schweine; auch schwanken die Erlöse weniger. Damit steigt die Planungssicherheit für Investitionen und die betriebliche Rentabilität verbessert sich.
- Nutzen/Kosten: Der Fußabdruck des Betriebes ist mit 2,5 kg CO2 eq/kg Lebendgewicht in 2019 um 24% besser als andere Labelbetriebe. Der Zukauf von Proteinfuttermitteln konnte um 35% reduziert werden. Dadurch wurden Futtermittelkosten eingespart.
Die täglichen Zunahmen haben sich um rund 20 g auf 892 g verbessert. Die variablen Produktionskosten sanken um 7,4% pro kg Fleisch. Als Gründe werden niedrigere Futter- (-8,8%) und Tierarztkosten (-7%) sowie Einsparungen bei den Energiekosten (-17%) genannt.
Die Festkosten stiegen aufgrund der Investitionen für Silos und Solaranlage um 3,6% pro kg Schlachtgewicht. Insgesamt waren aber die Gesamtkosten der Fleischproduktion 5,1% niedriger als vor der Umstellung.
F: Wurfqualität verbessert
Dank der Zucht sind die Wurfgrößen kontinuierlich gestiegen. Leider haben auch die Ferkelverluste zugenommen. Einige Zuchtorganisationen haben darauf bereits reagiert und ihre Zuchtziele angepasst. Mütterlichkeit, Wurfausgeglichenheit und Ferkelvitalität sind heute stärker in den Fokus gerückt.
- Maßnahmen: In Frankreich wurde von 30 Landwirten über zwei Jahre eine Datenbank für Ferkelgeburtsgewichte aufgebaut. Die Daten werden über ein Online-Tool gemeldet, und es wird das Verhältnis zwischen den Ist-Werten und den Zielgewichten errechnet. Der so kalkulierte sogenannte Kalinat-Index wird den Sauen zugewiesen.
Ein Index über 1 ist ein Indikator für eine gute Qualität der geborenen Ferkel. Liegt der Wert unter 1, kann der Landwirt während der Tragezeit z.B. die Futterration anpassen. Bleiben diese Maßnahmen erfolglos, werden die Kalinat-Indizes auch für die Selektionsentscheidungen genutzt.
Dadurch, dass fortwährend Geburtsgewichte in die Datenbank eingepflegt werden, wird der Kalinat-Index immer genauer. Dies setzt voraus, dass das Wiegen der Würfe in den Arbeitsablauf integriert und mit anderen Pflegemaßnahmen kombiniert wird. Nach Aussagen der Landwirte nimmt es nicht wesentlich mehr Zeit in Anspruch als das Notieren der Gewichte auf den Sauenkarten.
Die kleinsten Ferkel werden zudem mit einem Farbstift markiert, um ihre Überwachung während der Laktationsperiode zu optimieren.
- Kosten/Nutzen: Einem teilnehmenden Ferkelerzeuger wurde für 24% seiner Sauenherde ein schlechter Kalinat-Index berechnet. Der Landwirt steigerte für diese Sauen die Futtermenge während der Trächtigkeitsperiode bis zur Geburt.
Das mittlere Geburtsgewicht verbesserte sich um 180 g je Ferkel. Die Verlustrate der lebend geborenen Ferkel sank um 2,6% und es konnten pro Wurf 0,4 Ferkel zusätzlich abgesetzt werden. Der Anteil der Sauen mit einem niedrigen Kalinat-Index sank von 24 auf 19%.
Die durchschnittlichen Geburtsgewichte stabilisierten sich, trotz weiterer Fruchtbarkeitssteigerung von 15,1 auf 16,5 lebend geborene Ferkel in vier Jahren.
Durch die Meldung der Geburtsgewichte in die Datenbank und Nutzung des Kalinat-Indexes sanken die Produktionskosten um 2,3% pro Ferkel. Die Fixkosten verringerten sich um 2,8% pro Ferkel. Die ökonomischen Vorteile durch weniger Ferkel mit niedrigem Absetzgewicht wurden nicht bewertet.
Für die Nutzung des Online-Tools und die Index-Berechnung fallen für die teilnehmenden Betriebe keine Gebühren an. Die Kosten für eine professionelle Ferkelwaage werden mit 400 € angegeben.