Unser Autor: Dr. Eckhard Meyer, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
Künstliches und natürliches Licht beeinflussen die Aktivität der Schweine und gelten als Taktgeber für wichtige biochemische und physiologische Vorgänge im Tier. Die Frage ist aber, wie viel und welches Farbspektrum den dämmerungsaktiven Tieren überhaupt gut tut. Rein rechtlich gibt es klare Vorgaben: Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung schreibt eine dem Tagesrhythmus angepasste Beleuchtung von 80 Lux über mindestens acht Stunden vor.
Dem Gesetzgeber geht es dabei in erster Linie nicht um die Lichtversorgung der Schweine. Die Vorgaben leiten sich aus Arbeitsstättenverordnungen ab und sollen „die in Augenscheinnahme der Befindlichkeit und Tiergesundheit“ sichern, wenn das Tageslicht dafür nicht ausreicht. Damit das Licht die Schweine nicht stresst, sollte die in der Haltungs-VO vorgeschriebene Beleuchtung mit 80 Lux auf acht Stunden begrenzt werden, weil Schweine einen Tag-Nachtrhythmus haben und auch schlafen müssen.
Schwacher Sehsinn
Hausschweine haben einen schwach ausgeprägten Sehsinn und besitzen weniger als 20% der Sehschärfe des Menschen. Sie haben keine flexible Augenlinse und können die Linse nicht anpassen, um Gegenstände in unterschiedlichen Entfernungen scharf zu stellen. Nur im Abstand von zwei Metern vor dem Kopfbereich können sie Objekte scharf sehen.
Wie auch für Wildschweine sind für Hausschweine der Geruchs-, Gehör- und Tastsinn viel bedeutender. Wildschweinen dient der Sehsinn ursprünglich neben Orientierung in eher wenig beleuchteter Umgebung wie dem Unterholz vor allem einem Zweck: Der Futtersuche direkt vor der Rüsselscheibe. Dazu kommt eine eher ungünstige Anatomie des Gesichtsfeldes. Die Augen sitzen seitlich am Kopf und jedes Auge für sich in einem weiten monokularen Sichtfeld. Der binokuläre Sehbereich, in dem sich die Sichtfelder beider Augen überschneiden, beträgt nur 50° (siehe Übersicht 1).
Direkt vor der Rüsselscheibe und hinter dem Tier befinden sich „tote Winkel“.
Als sogenannte Dichromaten besitzen Schweine nur zwei verschiedene Typen an Photorezeptoren in der Netzhaut. Zu den Rezeptoren zählen Zapfen für das Sehen bei Tageslicht und Stäbchen für das Sehen bei Dämmerlicht bzw. in der Nacht. Im Vergleich zu Menschen sehen Schweine Farben viel gedämpfter und erkennen lediglich grüne und blaue Farben. Die Farbe Rot und wahrscheinlich auch Gelb können die Tiere nicht erkennen und nehmen sie als Grautöne wahr.
Licht: Farbig oder Warmweiß?
Für Schweinehalter interessant zu wissen ist, welchen Einfluss die Beleuchtung bzw. Lichtfarben auf das Tierverhalten und die Leistungen haben. Lassen sich die Leistungen z.B. mit bestimmten Lichtfarben steigern? Um das zu klären, hat das Lehr- und Versuchsgut Köllitsch 2.500 Ferkel in 16 Durchgängen untersucht. In der Lehrwerkstatt Schwein wurden die Tiere in der fünfwöchigen Ferkelaufzucht auf acht Buchten aufgeteilt. Ein Mittelgang teilte jedes Abteil in zwei mal vier Buchten.
Die Abteile waren mit LED-Lichtleisten über den Buchtenwänden ausgestattet. Pro Lichtleiste gab es vier Leuchten, die jeweils blaues, grünes, rotes oder kaltweißes Licht generierten. Zusätzlich konnte eine LED-Leuchte warm- oder kaltweißes Licht erzeugen. Per Steuerung ließen sich die Lichtfarben auswählen und einschalten. In jedem Durchgang prüfte man den Einfluss einer Lichtfarbe auf das Verhalten im Vergleich zu warmweißen Licht. Die eine Seite eines Abteils wurde farbig beleuchtet, die andere entweder warm- bzw. kaltweiß. Die Buchten unterlagen unterschiedlichem Tageslichteinfluss über die Fenster. Zweimal wöchentlich erfolgte eine Bonitur des Verhaltens sowie der nekrotischen Veränderungen an Ohren und Schwänzen.
In den Fensterbuchten waren die Tageszunahmen der Ferkel signifikant höher und am Ende der Aufzucht wogen die Tiere knapp 900 g mehr als die Ferkel in den anderen Buchten. Das spricht dafür, dass die Ferkel bei mehr Licht auch zu mehr Aktivität neigen.
Aus dieser Aktivität heraus können sich dann z.B. die Futteraufnahme, aber auch möglicherweise unerwünschte Verhaltensweisen oder Verletzungen entwickeln. Im Umkehrschluss hieß das aber nicht, dass die Aufzuchtferkel in den Fensterbuchten auch mehr Verletzungen aufwiesen. In den „dunkleren“ Buchten zählte man 0,7 Ferkel mit agonistischem Verhalten, während in den Fensterbuchten nur 0,5 Ferkel Konkurrenzverhalten gegenüber Buchtengenossen zeigten. Die Unterschiede waren nicht signifikant. Also war es nicht die Helligkeit, die in Buchten mit Fenstern mehr Tätertiere auffällig werden ließ.
Im Verlauf der Aufzucht entwickelte sich eine zunehmende Hyperaktivität der Ferkel, während aggressives Beißverhalten gleich blieb. Schwanzbeißen war bei den Ferkeln somit eher eine Folge von Hyperaktivität als von Aggressivität.
Farbe lenkt Fokus aufs Futter
Interessante Ergebnisse gab es, als die Lichtfarbe im Abteil verändert wurde. Bei grüner, blauer und roter Beleuchtung zeigten zusammen genommen ca. 10% weniger Tiere hyperaktives, agonistisches Verhalten im Vergleich zu warmweißen Licht. Gleichzeitig führte rotes und grünes Licht verglichen mit warmweißen bzw. kaltweißem Licht zu einer höheren Futteraufnahme je Tier und Tag (Übersicht 2).
Auch die Tageszunahmen lagen etwas höher. Bei grünem Licht nahmen die Aufzuchtferkel täglich sogar signifikant mehr zu als bei warmweißem Licht.
Bei grüner und roter Beleuchtung befassten sich die Ferkel also tendenziell mehr mit dem Futter und dementsprechend weniger mit den Buchtengenossen. Das wirkte sich aber nur bei grünem Licht positiv aus. Denn bei roter Beleuchtung verstärkte sich der Hang zu einer Futteraufnahme je Mahlzeit, die das Verdauungsvermögen der Tiere überfordern kann. Fehlt dann ein wichtiger Faktor für das Wohlbefinden der Schweine, steigt schnell das Risiko für nekrotischen Veränderungen an Ohren oder Schwänzen. Es ließ sich bei rotem Licht auch ein etwas schlechterer Futteraufwand durch höhere Futterverluste feststellen.
Darüber hinaus zeigte sich, dass die Farbe blau eine beruhigende Wirkung auf die Aufzuchtferkel hatte. Bei dem wahrnehmbaren blauen Licht ließen sich signifikant weniger Verletzungen und Nekrosen an Ohren und Schwänzen beobachten (siehe Übersicht 3).
In weiteren Versuchen muss geklärt werden, ob die beobachteten Effekte eine Folge des Farbspektrums, der Lichttemperatur oder auch nur der Beleuchtungsstärke in den Buchten sind.
Bucht mit Licht strukturieren
Die Ergebnisse zeigen, dass die Lichtversorgung von Schweinen nicht nur auf die zulässige Mindestbeleuchtungsstärke reduziert werden darf. Mithilfe von Farbe, Temperatur und Helligkeit des Lichtes lassen sich vor allem Stallhaltungssysteme tiergerechter gestalten. Die moderne LED-Technologie spart zudem Energie und bietet viele Möglichkeiten, die Beleuchtung zu steuern oder Lichtfarben zu mischen.
In künftigen Haltungssystemen sollten Schweinehalter die Funktionsbereiche nicht nur mit unterschiedlicher Beleuchtungsstärke, sondern auch mit unterschiedlich farbigem Licht gestalten. Es bietet sich z.B. an, den Ruhebereich eher weniger hell (maximal 40 Lux) zu beleuchten, um die Tiefschlafphasen der Schweine zu unterstützen. Denn es gibt erste Hinweise, dass die häufig beobachtete Unruhe bei den Tieren mit einer unzureichenden Schlafqualität zu tun hat.
Im Fressbereich hilft hingegen grünes Licht, damit sich die Tiere angemessen mit dem Futter und weniger mit den Artgenossen befassen. Blaues Licht im Aktivitätsbereich wirkt sich zudem positiv auf das Sozialverhalten der zur Hyperaktivität neigenden Schweine aus.
All das setzt technisch die Abkehr vom Deckenlampenprinzip hin zu LED- Leuchtbändern voraus, die in den Aktivitätsbereichen möglichst gleichmäßig verteilt oder zusammen mit der Fütterung gesteuert werden. Auch ließe sich so die tages- oder jahreszeitlich unterschiedliche Lichtintensität je nach Außenlichtverhältnissen im Stall abbilden.