Die neue Haltungsverordnung fordert mehr Freilauf im Deck- und Abferkelbereich. Ein Praxisfall mit 700 Sauen zeigt Umbaukonzepte und die Kosten auf.
Dr. Karl-Heinz Tölle und Matthias Quaing, ISN
Im Juli hat Berlin die neue Tierschutznutztierhaltungsverordnung beschlossen. Die Verschärfungen könnten be- reits Ende dieses Jahres in Kraft treten. Wichtig ist, dass nun schnell die Ausführungshinweise erarbeitet werden.
Auf die Sauenhalter kommen vor allem zwei dicke Brocken zu. Dies sind der Umbau des Deckzentrums zur Gruppenhaltung und der Umbau des Abferkelbereiches mit Bewegungsbuchten. Hinzu kommt, dass für die Sauen im Deckzentrum künftig ein großes Platzangebot von 5 m² je Tier zu erfüllen ist.
Es gibt keine Zeit zu verlieren. Denn bereits drei Jahre nach Inkrafttreten muss jeder Sauenhalter ein Konzept für den Umbau seines Deckzentrums vorlegen. Nach fünf Jahren muss ein Bauantrag eingereicht und nach acht Jahren der Umbau vollzogen sein. Für den Abferkelbereich gelten zwölf Jahre Frist für Konzept und Bauantrag und 15 Jahre bis zur Umsetzung.
Vorrangig geht es also um den Umbau des Deckzentrums. Trotzdem müssen die Planungen auch den Abferkelbereich einbeziehen. Denn nichts wäre ärgerlicher, als einen Umbau in wenigen Jahren nochmals korrigieren zu müssen.
Individuelle Lösungen
Um Lösungen aufzuzeigen, wurden mithilfe der Stallbauberatung der Landwirtschaftskammer NRW Praxisbeispiele bis zur ersten Konzeption inklusive einer Kostenkalkulation durchgespielt. Die Planungen zeigen: Die Konzepte sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von einer Abstockung über den Bestandserhalt bis hin zum Wachstum.
Letzteres kann auch ein qualitatives Wachstum bedeuten, also die Ausrichtung auf höhere Tierwohlstufen. Alle Konzepte sollten auch die Tierwohlthemen wie mehr Platz, organisches Beschäftigungsmaterial, längere Säugezeiten oder Außenklima im Blick haben.
Im vorliegenden Praxisfall geht es um einen Stall für 735 Sauen mit Ferkelaufzucht, der 2008 auf der grünen Wiese entstanden ist. Der Abferkelstall umfasst 180, das Deckzentrum 190 Plätze plus Buchten für Zuchtläufer und drei Eber. Im Wartestall stehen 420 Sauen. Die Sauenherde wird im Wochenrhythmus mit vierwöchiger Säugezeit geführt. Somit reichen die Kapazitäten für die 21 Gruppen mit je 35 Sauen und für eine Wechselgruppe aus.
Bislang stehen die Sauen im Deckzentrum bis zum 28. Tag nach der Belegung in Kastenständen. In dem jungen Stallgebäude sind die Gangbreiten zwischen den Standreihen mit 2,0 m so bemessen, dass eine Gruppenhaltung mit 2,25 m² Platz je Sau möglich wäre. Günstig ist zudem, dass der Stall vollunterkellert ist und die Kanalwände in eine Gesamtwanne mit durchgängiger Sohle eingesetzt sind. Er- schwerend für den Umbau ist jedoch die Unterflurabsaugung, die zur Umgestaltung der Güllekanäle angepasst werden müsste. Aufgrund früherer Hürden bei der Baugenehmigung kommt für den Landwirt eine Bestandsaufstockung nicht in Frage. Erstes Ziel ist ein Umbau innerhalb der bestehenden Gebäude – allenfalls eine kleine bauliche Erweiterung.
Die Lösungen fokussieren zunächst auf das Deckzentrum. Die Ansätze für den Abferkelbereich sind nur so weit ausgeführt, wie sie die Planungen im Deckzentrum beeinflussen. Auch baurechtliche Fragen sind zunächst ausgeklammert.
Umbau in der Stallhülle
Umbauvariante 1 findet ganz im vorhandenen Stall statt. Um das künftig vorgeschriebene Platzangebot von 5 m² je Sau zu schaffen, werden im Deckzentrum zwei Kastenstandreihen entfernt. Die übrigen 35 Stände baut der Betrieb zu Selbstfang-Servicebuchten um, in denen die Besamung stattfindet. Zudem ist die Gruppe durch Abtrennungen oder zur weiteren Strukturierung teilbar.
Theoretisch könnte der Betrieb im Wochenrhythmus auch nur eine Sauengruppe im Deckzentrum aufstallen. Denn die künftige gesetzliche Vorgabe von 5 m² je Sau gilt nur vom Absetzen bis zur Besamung. Aus fachlicher Sicht ist jedoch davon abzuraten, den Platz genau zum Ende der Rausche auf das dann gültige Mindestmaß von 2,25 m² je Sau zu reduzieren.
Doch bei der Umbaulösung im vorhandenen Gebäude ist der Platz knapp. Als Kompromiss werden für die zweite Woche im Deckzentrum nur 3,5 m² je Sau an Fläche geschaffen. Das heißt: Der Betrieb muss die Sauen im Deckbereich nach der ersten Woche einmal umstallen. Für den zusätzlichen Platz für die zweite Sauengruppe im Deckzentrum fällt eine weitere Kastenstandreihe weg.
30% weniger Deckplätze
In der Folge stehen bei Variante 1 rund 30% weniger Tiere im Deckzentrum, sprich nur noch 128 Sauen. Dies und die schlechtere Ausnutzung des Abferkelbereiches drücken den Bestand von 735 auf 670 Sauen. Der spätere Umbau im Abferkelbereich im Gebäude führt zu einer weiteren Reduzierung auf 567 Sauen.
Der Umbau des Deckzentrums kostet gut 140000 € (Übersicht 1 Seite 29). Bei zehn Jahren Abschreibung und 2% Zinsansatz ergeben sich jährliche Kosten von 15500 €. Stärker ins Gewicht fällt jedoch der entgangene Deckungsbeitrag der fehlenden 65 Sauen. Bei einem Deckungsbeitrag von 700 € je Sau sind das zusätzlich 45500 €. In der Summe sinkt der jährliche Gewinn um mehr als 60000 €.
Nach spätestens 15 Jahren ist auch der Abferkelstall umzubauen. Will der Betrieb in der Gebäudehülle bleiben, ist nur noch Platz für 137 Abferkelbuchten. Die Kosten für den Umbau des Abferkelbereiches betragen unter aktuellen Ansätzen rund 825000 €. In Summe würde der Umbau beider Stallbereiche rund 965000 € verschlingen.
Noch gravierender: Es passen deutlich weniger Sauen in den Stall. Der Betrieb verliert den Deckungsbeitrag von 168 Sauen. Das schmälert den Ertrag um 7 € je Ferkel. Zusammen mit den Investitionskosten verteuert sich die Produktion in Variante 1 um 13 € je Ferkel!
erweiterung im Auslauf
Um den Verlust an Sauen zu reduzieren, wird in Variante 2 zusätzlicher Platz durch einen Auslauf direkt neben dem Deckzentrum geschaffen (Übersicht 2). Theoretisch wäre das sogar möglich, ohne die Kastenstandreihen zu verändern, da die gesetzliche Mindestgangbreite von 2 m eingehalten ist. Fachlich ist jedoch davon abzuraten, weil die Gänge den Tieren in der Rausche zu wenig Ausweichmöglichkeiten bieten.
Daher wird eine Standreihe entfernt. Somit werden die Gänge auf 3,5 m verbreitert und jede Sau im Deckzentrum erhält rund 3 m² Stallfläche. Weitere 2 m² je Sau entstehen im Auslauf. Alle Kastenstände in den anderen Bereichen des Deckzentrums ersetzt der Betrieb durch Selbstfang-Service-Buchten, um hier die Gruppenhaltung realisieren zu können.
Was sich einfach anhört, ist jedoch anspruchsvoll. Denn für das Versetzen der Kastenstandreihen müssen auch die inneren Wände der Güllekanäle versetzt werden. Dies hat zur Folge, dass der Betrieb auch die Ansaugpunkte der Unterflurlüftung verschieben muss. Nachteilig ist zudem, dass sich die Gruppen nicht aufteilen lassen, ohne den Zugang zum Auslauf zu verlieren.
Außerdem ist für den Auslauf der dicke Brocken der Genehmigung zu überwinden. Bei dieser sehr offenen Anbauvariante ist auch Augenmerk auf den Schutz vor Krankheiten wie der ASP zu legen. Trotz der Erweiterung gehen im Deckzentrum 20 Plätze verloren.
Fast 1,4 Mio € Investition
Die Investitionskosten der Variante 2 sind durch den Anbau höher. Allein die Baugenehmigung dürfte in mittlerer fünfstelliger Höhe zu Buche schlagen. Inklusive Auslauf summieren sich die Investitionskosten im Deckbereich auf gut 270000 €. Dafür bleibt die Bestandsgröße konstant, da die wegfallenden Plätze zu Lasten von Reserveplätzen kompensiert werden können.
Teuer wird es, wenn der Abferkelstall an der Reihe ist. Um die Plätze zu kompensieren, die beim Umbau zu den Bewegungsbuchten wegfallen, müsste ein neues Gebäude mit 49 Abferkelbuchten errichtet werden. Die Kosten hierfür dürften mit Genehmigung und dem tiefgreifenden Umbau der vorhandenen Abferkelplätze bei 1,1 Mio. € liegen. Der Umbau beider Stallbereiche kostet fast 1,4 Mio. €, was Mehrkosten von 7 € je Ferkel entspricht.
Deckzentrum neu bauen
Die dritte Variante ist der Neubau des Deckzentrums (Übersicht 3). Im bestehenden Gebäude entsteht Platz für neue Abferkelbuchten, welche die in 15 Jahren wegfallenden Kapazitäten ersetzen. Die Kastenstände im alten Deckzentrum werden mit Selbstfangbuchten für die Gruppenhaltung ausgestattet und nun dem Wartestall zugeordnet. Das neue Deckzentrum bietet Platz für 72 Sauen mit jeweils 5 m² Fläche. Neben den Ebern sind weitere 65 Plätze vorgesehen, in denen z.B. Umrauscher und Zuchtläufer in Gruppen gehalten werden können.
Die Investitionskosten betragen rund 390000 €. Hinzu kommen wie in Variante 1 und 2 Kosten für den Umbau der Deckstände zu Selbstfangbuchten für die Wartehaltung. Die Kosten für den Umbau des Deckzentrums zum Abferkelstall werden zunächst nicht betrachtet. In Summe belaufen sich die Investitionen für das Deckzentrum auf gut 420000 €.Der Umbau der vorhandenen Abferkelbuchten sowie der Umrüstung des alten Deckzentrums zum Abferkelstall mit 175 Sauenplätzen verursachen knapp 1 Mio. € Kosten. In Summe müsste der Landwirt gut 1,4 Mio. € investieren, um die Sauenzahl von 735 zu halten. Das entspricht Jahreskosten von 154400 € bzw. Mehrkosten von rund 7 € je Ferkel.
In der Summe sind die Kosten zunächst höher als in Variante 2. Zu bedenken ist jedoch auch die Arbeitswirtschaft. Hier dürfte Variante 3 mit der Konzentration des Abferkelbereichs auf ein Gebäude besser abschneiden.