In einem Praxisversuch wurden drei Verfahren der Ferkelnarkose untersucht. Die Zahlen zur Arbeitswirtschaftlichkeit und Ökonomie sind ernüchternd.
Dr. Astrid van Asten u. Annika Kiefer, LWK NRW, Christina Dauben, Uni Bonn, Mandes Verhaagh, Thünen-Institut
Ab dem 01.01.2021 dürfen die Ferkelerzeuger nicht mehr betäubungslos kastrieren. Als Alternativen werden unter anderem die Injektionsnarkose, die Inhalationsnarkose mit Isofluran und die Lokalanästhesie diskutiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Injektionsnarkose und die Lokalanästhesie nur vom Tierarzt gesetzt werden dürfen. Für die Isofluran-Anwendung durch den Landwirt nimmt ein Gesetzesentwurf aktuell die letzten politischen Hürden.
Im Projekt PraxiKaPIK/A, welches vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert und von der Landwirtschaftskammer NRW im Rahmen des Modell- und Demonstrationsvorhabens Tierschutz durchgeführt wurde, sind die drei Verfahren getestet worden. Bei der Inhalationsnarkose mit Isofluran wurden zwei unterschiedliche Geräte eingesetzt, die sich auf dem technischen Stand von Oktober 2018 befanden.
Im ersten Schritt erfolgte eine arbeitswirtschaftliche Analyse. Als Referenz wurde vor Versuchsbeginn auf allen Betrieben zweimal die betäubungslose Kastration zeitlich erfasst. Anschließend wurden die Verfahren anhand des ermittelten Aufwandes ökonomisch eingeordnet. Details zum Versuchsaufbau finden Sie unten im Kasten.
Vollnarkose kostet Zeit
Bei der zeitlichen Bewertung, sowohl des Standard- als auch der Alternativverfahren, wurde der Kastrationsvorgang sowie alle damit verbundenen Arbeitsschritte einbezogen. Diese wurden aufgeteilt in die Komplexe Medikation, Kastration, Routine, zootechnische Maßnahmen, sonstige und betriebsindividuelle Arbeitsschritte.
Während der Praxiserprobung teilten sich Landwirt und Tierarzt die Arbeit. So übernahm der Betrieb bei der Injektionsnarkose das Fangen der Tiere, die Routinemaßnahmen wie Eisengabe und Impfungen sowie das Aussortieren der Brüchlinge bzw. Binneneber. Der Tierarzt setzte, nachdem die Tiere einzeln gewogen wurden, die Injektion von Ketamin/Azaperon. Sobald die Ferkel nach einigen Minuten in Narkose lagen, war wiederum der Landwirt für die Kastration verantwortlich.
Aufgrund des großen Aufwandes für die Gesamtbehandlung, insbesondere für das Wiegen, erwies sich die Injektionsnarkose als sehr zeitintensiv. Nur zwei der Projektbetriebe hielten die Gesamtdauer der Behandlung auf unter acht Minuten (siehe Übersicht 1). Betriebsübergreifend wurde ein Zeitaufwand von circa achteinhalb Minuten exklusive der Nachkontrolle ermittelt.
Ferkeltransport als Zeitfaktor
Dieser Aufwand wurde mit im Schnitt neun Minuten je Wurf nur von der Inhalationsnarkose übertroffen. Hier erwies sich der Ferkeltransport als Zeitfaktor. Denn die Betäubung bzw. Kastration konnte nicht im Abteil durchgeführt werden. Aus Arbeitsschutzgründen mussten die Narkosegeräte an Stellen im Stall aufgebaut werden, die gut durchlüftet waren und an denen der Abluftschlauch der Geräte direkt nach draußen gelegt werden konnte.
Die Strecke zwischen Abferkelbucht und Kastrationsort hing stark von den baulichen Gegebenheiten vor Ort ab, was auch die teils großen Unterschiede zwischen den einzelnen Betrieben erklärt. So benötigte der kleinste Projektbetrieb mit 190 Sauen mit dem Gerät A mehr als zehn Minuten je Wurf für den gesamten Vorgang. Der größte Betrieb mit 1050 Sauen kam mit gut sieben Minuten pro Wurf aus.
Ebenfalls auffällig waren die Differenzen zwischen den Narkosegeräten A und B. Das begründet sich darin, dass Gerät A über vier Plätze verfügte, in die der Tierarzt die Ferkel zur Narkotisierung reinlegen konnte. Gerät B war nur mit drei Narkoseplätzen ausgestattet. Das machte sich sowohl bei der Arbeitseffizienz des Tierarztes als auch der des Landwirtes, der die Kastration vornahm, bemerkbar.
Mit etwa sieben Minuten je Wurf stellte sich die Lokalanästhesie als die zeitsparendste Alternative heraus. Die Vorbereitungsschritte für die eigentliche Kastration glichen zunächst denen der Injektionsnarkose. Nur mussten die Tiere nicht gewogen werden, sondern bekamen vom Tierarzt eine fixe Procain-Dosis von 0,5 ml pro Hoden injiziert. Zwanzig Minuten später konnte der Landwirt kastrieren.
Von den getesteten Alternativverfahren verursachte die Lokalanästhesie zwar den mit Abstand geringsten Zeitaufwand. Im Vergleich zur Kastration ohne Betäubung dauerte sie im Versuch aber immer noch rund zweieinhalb Minuten länger. Für die Vollnarkose per Injektion bzw. Inhalation mussten sogar zwischen vier und fünfeinhalb Minuten mehr aufgewendet werden.
Nachkontrolle durch Tierarzt
Da in der ökonomischen Betrachtung die Anwesenheitszeit des Tierarztes eine sehr wichtige Rolle spielt, wurde diese gesondert betrachtet. Das eindeutig zeitintensivste Verfahren für den Veterinär war die Injektionsnarkose. Denn neben der aufwendigen Dosierung des Narkosemittels, begleitete er auf den Betrieben auch die Aufwachphase der Ferkel.
Im Versuch betrug der Zeitraum von der Narkotisierung des letzten Wurfes bis zu dem Punkt, wo alle Ferkel vollständig erwacht waren, durchschnittlich fünf Stunden. Rechnet man den Aufwand für die Betäubung hinzu, kam der Veterinär auf eine durchschnittliche Anwesenheitszeit von knapp sieben Stunden je Betriebsbesuch.
Schon deutlich zeitsparender war die Inhalationsnarkose mit Isofluran. Inklusive Auf- und Abbau sowie Reinigung der Narkosegeräte war der Tiermediziner durchschnittlich circa zwei Stunden im Betrieb.
Die meiste Zeit wurde erwartungsgemäß auf dem Großbetrieb mit 1050 Sauen benötigt. Hier belief sich die Anwesenheitszeit auf mehr als vier Stunden bei Gerät B. Da die Tiere nach der Inhalationsnarkose sehr schnell wieder auf den Beinen waren, fiel die Aufwachphase nicht annähernd so stark ins Gewicht, wie bei der Injektionsnarkose.
Am besten schnitt die Lokalanästhesie ab. Der Arbeitsaufwand für den Veterinär belief sich auf im Schnitt etwa 80 Minuten pro Betriebsbesuch. Im kleinsten Projektbetrieb hatte er bereits nach 40 Minuten seine Arbeit getan.
Kosten von 13 € pro Ferkel
Nach der Zeiterfassung wurden die Verfahren ökonomisch bewertet. Als das teuerste Verfahren wurde die Injektionsnarkose unter Vollzeit-Betreuung durch den Tierarzt ausgemacht. Hier beliefen sich die Kosten pro kastriertem Ferkel im 190er-Sauenbetrieb auf fast 13 € (siehe Übersicht 2). Am günstigsten ließ sich das Verfahren im größten Betrieb des Projektes umsetzen. Hier entstanden Kosten von 5,35 € je Tier. Die anderen vier Betriebe bewegten sich in einer Spanne zwischen 6,57 € (651 Sauen) und 8,90 € (280 Sauen).
Der Kostenaufwand für die Injektionsnarkose ist maßgeblich daran gekoppelt, ob der Tierarzt sowohl die Betäubung als auch die Nachkontrolle übernimmt. Erfolgt diese durch den Landwirt oder sein Stallpersonal, reduzieren sich die Kosten betriebsübergreifend um mehr als die Hälfte. Das begründet sich darin, dass der Lohnansatz des Veterinärs, bewertet nach der Gebührenordnung, den der landwirtschaftlichen Mitarbeiter oder Familien-AK deutlich übersteigt.
Günstige Lokalbetäubung
Auch die ökonomischen Auswertungen zur Inhalationsnarkose sind differenziert zu betrachten. So kamen im Versuch zunächst zwei verschiedene Gerätevarianten zum Einsatz. Das Gerät A mit vier Narkoseplätzen kostete netto in der Anschaffung 8695 €, das Gerät B mit drei Plätzen 9800 €.
Losgelöst von anderen Bewertungskriterien wie Handling oder Hygiene, erwies sich das Gerät A in fast allen Betrieben als arbeitseffektiver und damit kostengünstiger als die kleinere Gerätevariante. In Anwendung durch den Tierarzt fiel die Differenz mit 1,53 € (Gerät A) vs. 2,45 € (Gerät B) je männliches Ferkel im Betrieb mit 651 Sauen besonders hoch aus.
Würden die Landwirte die Inhalationsnarkose und die Nachkontrolle selbst durchführen, wäre der Unterschied zwischen den Geräten nach wie vor da, aber nicht mehr so ausgeprägt. Auch die betriebsindividuellen Unterschiede flachen ab. So könnte der Betrieb mit 490 Sauen die Verfahrenskosten (Gerät A) von 3,15 € auf 1,14 € je männliches Ferkel reduzieren. In der Gesamtbetrachtung müsste nur der Betrieb mit 280 Sauen mit dieser Variante Mehrkosten von deutlich mehr als einem Euro je Ferkel hinnehmen.
Selbst mit Tierärztevorbehalt schnitt die Lokalbetäubung am besten ab. Der Projektbetrieb mit 651 Sauen drückte die Mehrkosten auf unter 1 € je männliches Ferkel. Der kleinste Betrieb lag knapp 70 Cent drüber.
Würde der Tierärztevorbehalt bei der Lokalanästhesie wegfallen, ließen sich auf die Kosten bezogen ähnliche Degressionseffekte freisetzen, wie bei den beiden anderen Narkoseverfahren. Das würde soweit reichen, dass der 190er-Sauenbetrieb mit 0,45 € je kastriertem Tier denselben Kostenfaktor aufweist, wie der größte Betrieb im Projekt.
Fazit
Die Narkoseverfahren verlängerten den Kastrationsvorgang teils erheblich. Bei der Injektions- bzw. Inhalationsnarkose waren zwischen 8,5 und 10 Minuten pro Wurf zu veranschlagen. Mit Lokalbetäubung dauerte die Behandlung insgesamt 7 Minuten.
Dadurch, dass die durchschnittlich fünfstündige Aufwachphase durch den Tierarzt begleitet wurde, fiel die Injektionsnarkose mit bis zu 13 € je Ferkel sehr teuer aus. Das Kostenniveau der Isoflurannarkose lag deutlich darunter, wobei die Unterschiede zwischen den beiden Gerätetypen zu berücksichtigen sind. Die Lokalanästhesie erreichte mit maximal 1,76 € die niedrigsten zusätzlichen Stückkosten.
Die Mehrkosten der Verfahren würden sich reduzieren, wenn der Landwirt die Nachkontrolle bei der Injektionsnarkose bzw. die Isofluran- und Lokalbetäubung selber durchführen könnte.