Auch in Frankreich ist die betäubungslose Kastration ab 2022 verboten. Welche Hürden die Branche meistern muss, erklärt Marktexperte Patrick Chevillon vom IFIP-Institut du Porc.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Welche gesetzliche Regelung verbietet die betäubungslose Kastration?
Grundlage ist ein Ministerialerlass vom Februar 2020. Danach ist aus Tierschutzgründen ab Januar 2022 die Ferkelkastration ohne Schmerzausschaltung verboten. Den Landwirten bleibt nichts anderes übrig als intakte Eber zu mästen oder die Ferkel vor der Kastration zu betäuben. Für die Sauenhalter bedeutet dies zusätzlicher Zeit- und Kostenaufwand.
Werden jetzt mehr Eber gemästet?
Seit 2017 ist der Anteil kontinuierlich gestiegen und liegt aktuell bei 30% aller männlichen Tiere. Der Anteil wird bis Anfang 2023 noch auf 40 bis 50% steigen. Insbesondere die Kooperation Cooperl hat sich für diesen Weg stark gemacht. Im Jahr 2020 stammten von insgesamt 2,8 Mio. Ebern 90% von Cooperl-Mitgliedsbetrieben.
Wie wird abgerechnet?
Bei der Klassifizierung gibt es keinen Unterschied zwischen Kastraten und Ebern. Der Grundpreis ist für Eber allerdings etwas niedriger. Zusätzlich werden bei einem geruchsbelasteten Schlachtkörper 25 bis 30 € abgezogen.
Lohnt die Ebermast?
Sie rechnet sich, da nur etwa 2% der Tiere im Schlachthof positiv auf Ebergeruch getestet werden. Im Vergleich zu Kastraten benötigen Eber bekanntlich weniger Futter und weisen einen höheren Fleischanteil auf.
Wie erfolgt die Geruchskontrolle auf den Schlachthöfen?
Per menschlicher Nase, da diese Methode mit 35 Cent je Schwein die günstigste ist. Das Klassifizierungsunternehmen Uniporc Ouest wurde vom Berufsstand beauftragt, ein flächendeckendes Programm zur Geruchserkennung durch die menschliche Nase zu entwickeln und zu überwachen. Dies soll bis April/Mai 2022 in großem Umfang umgesetzt sein.
Werden besondere Eberlinien eingesetzt?
Angesichts des Problems des Ebergeruchs in Schlachtkörpern haben die Zuchtunternehmen Label für Piétraineber eingeführt. Von den Kanditaten wird über eine Blutprobe der Androstenonspiegel ermittelt. Das Unternehmen Nucleus bietet seit fünf Jahren zertifizierte Eber an und zeichnet diese mit INO aus. Auswertungen zeigen, dass die Anzahl Schlachtkörper mit Ebergeruch bei Cooperl rückläufig sind. Axiom bietet z.B. den Eber Valent an und Topigs hat den Nador-Eber.
Wird in Frankreich auch Improvac diskutiert?
Die Impfung gegen Ebergeruch wird bei weniger als 1% der Tiere angewendet, spielt zurzeit also nur eine untergeordnete Rolle.
Welche Betriebe werden weiterhin kastrieren?
Es gibt jede Menge Befürworter der Ebermast. Allerdings weisen einige Fleischverarbeiter auf einen geringeren Fettanteil sowie eine fehlende Eignung der Masteber für die Herstellung von Trockenpökelware hin. Deshalb wird in einigen Qualitätsfleischprogrammen die Ferkelkastration explizit vorgeschrieben. Es werden also viele Betriebe ihre Ferkel vor der Kastration betäuben müssen.
Welche Rolle spielt die Isofluran-Vollnarkose?
Diese Methode der Ferkelnarkose ist in Frankreich derzeit nicht zugelassen. Französische Behörden sind beauftragt, diese Frage zu klären, da Isofluran insbesondere für einige größere Sauenbetriebe interessant sein könnte.
Dann bleibt nur die Narkose per Spritze?
Ja, die Anästhesie durch Injektion ist in Frankreich die Methode der Wahl. Dabei wird die Lokalbetäubung favorisiert, die vom ausgebildeten Landwirt durchgeführt werden kann. Entsprechende Kurse bietet z.B. das IFIP-Institut seit Januar 2022 an.
Welche Mittel sind für die Lokalbetäubung erlaubt?
Für die Schmerzausschaltung verwendet werden können Lidocain zur Injektion sowie Tri-Solfen als Gel. Das Gel durchläuft zurzeit ein Zulassungsverfahren in Belgien. Sobald dies abgeschlossen ist, soll in Frankreich umgehend eine vorläufige, befristete Genehmigung ergehen.
Wie teuer ist diese Methode?
Wir kalkulieren mit 1 € je behandeltem Ferkel. Für die Isofluran-Vollnarkose werden 1,40 € veranschlagt. Unklar ist, wer diese am Ende trägt. So hat der Verband der Fleischverarbeiter, Culture Viande, vorgeschlagen, dass die Schlachtunternehmen für kastrierte Schweine einen Zuschlag von 2 ct/kg zahlen sollen.
Die Regierung indes setzt voraus, dass die Kastration unter Betäubung Bestandteil eines Qualitätssiegels oder eines Liefervertrages ist, der entsprechende Qualitätsanforderungen enthält. Durch die Übernahme von Kostenpositionen in die Vereinbarung sei sichergestellt, dass die Erzeuger ihre Mehrkosten erstattet bekommen.
Mitarbeit an diesem Interview: Philippe Caldier