Retten frühe Geburtseingriffe Ferkelleben, oder sollen die Sauen alleine abferkeln? In einem Praxisbetrieb wurden über 1000 Würfe ausgewertet.
Dr. Eckhard Meyer, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
Die Sauen sind in den vergangenen Jahren immer fruchtbarer geworden. Wie bundesweite Erzeugerringdaten zeigen, bringen es einige Herkünfte mittlerweile auf 15 und mehr lebend geborene Ferkel pro Wurf. Parallel dazu ist allerdings die Totgeburtenrate gestiegen. Den Auswertungen zufolge liegt sie aktuell bei 1,6 totgeborenen Ferkeln pro Wurf. Im Vergleich zu früheren Erhebungen stellt das mehr als eine Verdoppelung dar.
Dieser Negativtrend wird insbesondere bei älteren Sauen im letzten Wurfdrittel beobachtet. Dabei sind die Totgeburten je nach Wurfgröße 230 bis 300 g leichter als die lebend geborenen Ferkel und frei von Fruchthüllen. Ein Zeichen dafür, dass die Jungtiere erst während einer zu lang dauernden Geburt gestorben sind.
Bis zu 45% Eingriffrate
Viele Betriebe versuchen dies zu verhindern, indem sie verstärkt durch Eingriffe oder Wehenmittel die Geburt unterstützen. Unumstritten ist diese Praxis jedoch nicht. So lassen einige Ferkelerzeuger ihre Sauen möglichst alleine ferkeln, um Unruhe im Abferkelstall zu vermeiden. Auch die Gefahr durch eine unsachgemäße Geburtshilfe Keime in die Sau zu bringen, wird häufig als Gegenargument angeführt.
In einer Untersuchung sollte deshalb geklärt werden, inwieweit die Intensität der Geburtsbetreuung die Geburtsdauer, die Totgeburtenrate und die Vi-talität der Saugferkel beeinflusst. Als Versuchsgrundlage wurden in einem Praxisbetrieb mit 3500 DanAvl-Sauen insgesamt acht Abferkelgruppen bzw. 1057 Würfe ausgewertet.
Im Versuch galt ein genereller Betreuungszeitraum zwischen 5 Uhr morgens und 22 Uhr abends. Außerdem leiteten die Betreuer bei allen Sauen am 116. Trächtigkeitstag die Geburt mit einer Prostaglandin-Gabe ein.
Für die Betreuung wurde festgelegt, dass der Zeitabstand zwischen zwei Geburten nicht größer als 30 Minuten sein sollte. Dann wurde in den ersten vier Durchgängen versucht, möglichst wenig in die Geburten einzugreifen. Unter dieser Prämisse wurde das Stallpersonal nur bei 99 Geburten aktiv, was bei 604 Geburten einem Anteil von 17% entspricht.
Anders die nachfolgenden vier Abferkeldurchgänge, wo bereits bei leicht stockenden Geburten sofort ein Eingriff und die Injektion des wehenfördernden Mittels Oxytocin erfolgte. Dies war insgesamt 193 Mal der Fall. Angesichts von 453 intensiv betreuten Geburten entspricht das einer Eingriffquote von 45 %.
Die anschließende Auswertung ergab, dass in beiden Versuchsgruppen die Geburten durchschnittlich knapp sechs Stunden dauerten. Auffällig war die erhebliche Streuung der Geburtsdauer. So lief die schnellste Abferkelung innerhalb von 60 Minuten ab, die längste dauerte 900 Minuten.
Geburten heute langsamer?
Mit einem Anteil von mehr als 30% brachten die meisten Sauen ihre Ferkel in einem Zeitraum zwischen vier und sechs Stunden zur Welt (siehe Übersicht 1). Danach überwog mit kumulierten gut 40 % die Gruppe der Sauen, die für die Geburt teils weit über sechs Stunden brauchten. Die Wurfgröße hatte darauf ebenso wie das Alter der Sauen kaum Einfluss. Sowohl große als auch kleine Würfe liefen in dem Versuch schnell oder langsam ab.
Im Vergleich zu älteren Untersuchungen, wo 50 % der Sauen innerhalb von zwei bis vier Stunden ferkelten, ist damit eine klare Entwicklung hin zu immer längeren Geburten zu verzeichnen. Dies ist besonders kritisch zu sehen, da im Versuch die Geburtsdauer eine hohe Korrelation mit der Totgeburtenrate aufwies. So wurden in den Geburten, die innerhalb von zwei Stunden abliefen, knapp 0,5 totgeborene Ferkel erfasst. Dauerte die Geburt zehn Stunden und mehr, brachten die Sauen dreimal so viele Ferkel tot zur Welt!
Der Versuch, langen Geburten mit einer erhöhten Eingriffquote entgegenwirken zu wollen, verspricht wenig Erfolg. Im Versuch ferkelten die in-tensiv betreuten Sauen im Schnitt nur 18 Minuten schneller ab als die Vergleichsgruppe.
Mehr tote Ferkel bei Altsauen
Ein klarer Zusammenhang konnte dagegen zwischen dem Alter der Sau und der Totgeburtenrate nachgewiesen werden. So gebaren die Erstlingssauen durchschnittlich 0,7 tote Ferkel, während die Sauen im vierten Wurf 1,2 Ferkel tot zur Welt brachten. Diese kontinuierliche Steigerung setzte sich bis zum sechsten Wurf fort (siehe Übersicht 2).
Darauf hatte die ebenfalls steigende Wurfgröße (18 vs. 16,5 geborene Ferkel) nachweislich keinen Einfluss, sowohl große als auch kleine Würfe wurden schnell oder langsam geboren. Allerdings senkt sich bei den Sauen mit zunehmenden Alter die Gebärmutter immer weiter ab, wodurch längere Geburtswege entstehen und das Risiko für einen Abriss der Nabelschnur zunimmt. Mutmaßlich verschärft wird dies durch ein schwaches Bindegewebe, von dem scheinbar viele moderne Herkünfte mit hohen Leistungen betroffen sind. Sowohl im Versuchsbetrieb als auch in der breiten Praxis äußert sich dies durch vermehrte Nabelbrüche, Darmvorfälle und Sauen mit schwacher Körperspannung.
Keine höheren Ferkelzahlen
Bei Betrachtung der biologischen Sauenleistungen waren zunächst nur leichte Effekte zu erkennen (siehe Übersicht 3). Demnach lässt sich der Aufwand der intensiven Geburtsbetreuung nicht durch die Anzahl lebend und tot geborener Ferkel (15,8 vs. 15,7 bzw. 1,0 vs. 1,2 Ferkel) rechtfertigen.
Anders verhält es sich bei einem Blick auf die Problemgeburten. Hier griff das Stallpersonal bei den intensiv betreuten Sauen meist vor Ablauf der 30-minütigen Geburtsspanne ein. Auf diese Weise wurden 3,0 Ferkel pro Wurf lebend geholt, während es in der anderen Gruppe 2,7 Ferkel waren.
Ebenfalls signifikant abgesichert werden konnte, dass die Betreuer bei reduzierter Betreuung mehr tote Ferkel aus der Sau zogen (0,7 vs. 0,2). Hier kam der Eingriff also zu spät. Daraus lässt sich schlussfolgern: Nicht alle frühen Eingriffe sind notwendig. Sie senken aber, wenn auch weniger stark als erwartet, das Risiko für Totgeburten.
Frühe Hilfe, vitalere Ferkel
Der größte Effekt der intensiven Geburtsbetreuung trat erst bei der Saugferkelverlustrate zu Tage. Denn durch den zeitigen Eingriff und die nachfolgende Oxytocin-Gabe konnte diese um 5,3% gesenkt werden. Dies lässt sich vor allem darauf zurückführen, dass die Ferkel, die bei späten Eingriffen lebend geholt wurden, in ihrer Vitalität geschwächt waren. Mit der Konsequenz, dass diese Tiere häufiger von der Sau erdrückt wurden. Das bestätigen auch viele vorangegangene Versuche, in denen sich neben dem Geburtsgewicht die individuelle Geburtsgeschwindigkeit als der zweitwichtigste Vitalitätsfaktor herauskristallisierte.
Zu beachten ist aber, dass selbst unter strenger Hygiene ein Keimeintrag in die Sau nicht immer zu verhindern ist, und die Gefahr mit hoher Eingrifffrequenz natürlich steigt. Im Versuch war dies auch der Behandlungsquote gegen MMA zu entnehmen (5,3% vs. 3,3%). Der Vorteil auf die Saugferkelverlustrate überwiegt aber bei Weitem.
Fazit
- Die Geburtsdauer variiert sehr stark und liegt im Schnitt bei sechs Stunden. Diese wird durch eine intensive Betreuung nur marginal verkürzt;
- Das Sauenalter beeinflusst die Totgeburtenrate stark. Eine erhöhte Eingriffrate wirkt sich kaum positiv aus;
- Bei Problemgeburten rettet das schnelle Eingreifen Ferkelleben. Zudem sind die früh geholten Ferkel vitaler;
- 30 Minuten zwischen zwei Geburten sind eher als obere denn als untere Handlungsschwelle zu sehen;
- Selbst bei einer hygienischen Geburtshilfe ist mit einem Keimeintrag in die Gebärmutter zu rechnen. Dennoch überwiegen die positiven Auswirkungen auf die Ferkelvitalität.