Wir brauchen neue Konzepte für die Einzelhaltung im Deckzentrum. Versuche mit vier Modellen zeigen, was den Sauen wichtig ist.
Dr. Eckhard Meyer, LfULG Sachsen, Lehr- und Versuchsgut Köllitsch
Das Ziel der neuen Schweinehaltungs-Verordnung ist, tiergerechtere Mindeststandards zu schaffen. Unter anderem soll die Kastenstand-Einzelhaltung der Sau auf wenige Tage verkürzt werden. Ausgangspunkt der Initiative war das Urteil des Magdeburger Verwaltungsgerichts, wonach die Kastenstandbreite der Schulterhöhe entsprechen soll.
Dabei wurde ignoriert, dass ein Umdrehen oder Einklemmen der Sauen nur verhindert werden kann, wenn die Kastenstandweite 15% unterhalb der Widerristhöhe der Sauen bleibt. Auch wurde zunächst nicht berücksichtigt, dass sich junge und alte Sauen um 30% in der Körperhöhe unterscheiden.
Die Lösung könnte eine Differenzierung von 60 cm, 70 cm und 80 cm lichter Weite für 25%, 45% und 35% der Herde sein. Dieser Vorschlag wurde im Rahmen des politischen Tauziehens um die Nutztierhaltungs-VO um jeweils 5 cm erhöht. Dabei ist klar, dass breitere Stände nicht automatisch mehr Tierschutz bedeuten. Gerade die Stände, die nur ein bisschen zu weit sind, bergen das größte Verletzungsrisiko.
Vier Modelle getestet
Im Deckzentrum der Lehrwerkstatt Schwein in Köllitsch wurden vier verschiedene Kastenstandsysteme eingerichtet, die sich in der lichten Kastenstandweite unterscheiden:
Beim System 1 („Köllitscher Lücke“) wurde ein Freiraum von 30 cm für die Beine der Sauen zwischen den einzelnen 65 cm breiten Ständen geschaffen. Um unterschiedlich großen Sauen das Ausstrecken der Beine ungehindert zu ermöglichen, wurden die Stände 10 cm höher aufgestellt.
Beim System 2 (Fa. Himel) wurde die Schulterfreiheit als Umdrehbegrenzung auf 65 cm begrenzt. Am Boden des Kastenstandes entstand eine einheitliche lichte Weite von 90 cm, was der durchschnittlichen Widerristhöhe der Sauen entspricht.
Das System 3 (Fa. Himel) ermöglicht eine tierindividuelle Einstellung der lichten Weite in 10 cm Abschnitten. Dazu mussten die einzelnen Kastenstandelemente in vorgefertigte Bohrungen versetzt und arretiert werden. Das Mindestmaß betrug 70 cm.
Beim System 4 (Fa. Duräumat) kann die lichte Weite der Kastenstände von 70 cm ausgehend über doppelte Seitengitter in drei Fünf-Zentimeter-Stufen erhöht werden. Durch die Öffnung der rückseitigen Türen werden die Sauen in eine Gruppenbucht von 18,5 m² entlassen. Es wurde jeder Sau mit 4,6 m² im Freilauf, mehr als doppelt so viel Platz als gesetzlich vorgeschrieben zusätzlich zur Kastenstandfläche zur Verfügung gestellt.
Mit Ausnahme des Systems 1, welches eine Standlänge von 200 cm aufweist, beträgt die Standlänge bei allen anderen Modellen 220 cm. Da die Sauen in der relativ jungen Herde des Versuchsgutes Köllitsch schon durchschnittlich 190 cm lang sind, ist dies für Neubauten kein überzogenes Maß.
Ausgestaltung optimieren
Die Gruppen wurden im Abstand von drei Wochen aus dem Abferkelbereich ein- und nach ca. 35 Tagen in den Wartebereich wieder ausgestallt. Über knapp zwei Jahre wurden das Liegeverhalten der Sauen einmal wöchentlich von einer einzelnen Person bewertet. Zum Beobachtungszeitpunkt am Vormittag waren alle Arbeiten und Fütterungen bereits durchgeführt und die Sauen hatten ihre Ruhe. Zudem wurden Rückenspeckmessungen beim Ein- und Ausstallen vorgenommen.
Die technische Ausgestaltung der Kastenstände hatte zum Teil erhebliche Konsequenzen für die verletzungsfreie Haltung der Sauen. So erwiesen sich die Kastenstände mit Breitenverstellung als nicht sicher genug. Alles was mit vertretbarem Zeitaufwand verstellbar ist, wird von den Sauen früher oder später zerlegt (System 3). Auch ist es keine Lösung für die Praxis, die schweren Seitenteile immer wieder neu in die Hand nehmen zu müssen (System 4).
Um im System 1 die Beinfreiheit zu realisieren, mussten die Kastenstände 10 cm angehoben werden. Dies führte im Nachhinein zu Problemen. Beim Versuch, sich im Liegen zu drehen, klemmten sich die Sauen wiederholt ein. Hier ist also nicht nur die Ausformung der Kastenstände, sondern auch der Bodenabstand mit maximal 20 bis 23 cm zu optimieren.
Hinzu kommt, dass ein durchgängiger Trog über mehrere Kastenstände bei Systemen mit doppelten Seitengitter nachteilig ist, weil die einzelnen Trogabschnitte zwischen den Kastenständen von den Sauen beim Fressen nicht erreicht werden. Es bleibt Futter im Trog stehen, sodass diese Abschnitte regelmäßig gereinigt werden müssen.
Einflüsse auf Liegeverhalten
Doch wie bewerten die Sauen mit ihrem Liegeverhalten die Systeme? Die gestreckte Seitenlage wird während des Tiefschlafes eingenommen und stellt demnach die Liegeposition absoluter Entspannung dar. Weitere Kategorien waren die Halbseiten- und Bauchlage sowie das Sitzen und Stehen.
Tatsächlich beeinflussen die Konstruktionsunterschiede zwar statistisch gesichert, aber im vergleichsweise geringem Ausmaß, das Liegeverhalten. In engeren Ständen liegen die Sauen etwas weniger in Seitenlage, auch wenn ihnen das Ausstrecken der Beine außerhalb des Kastenstandes ermöglicht wird. In Kastenständen mit einheitlichem Maß von 90 cm (System 2) war der Anteil Sauen in Seitenlage am höchsten (siehe Übersicht 2, Seite 62).
Die Häufigkeit des Liegens in entspannter Seitenlage folgt demnach der eingestellten lichten Kastenstandweite. Der Anteil Sauen in Halbseitenlage war bei 90 cm Kastenstandbreite am geringsten und bei den einstellbaren Varianten 3 und 4 am höchsten. Auch konnte beim direkten Vergleich des Liegeverhaltens in Kastenständen mit 65 bzw. 70 cm Breite kein Unterschied festgestellt werden.
Für alle Sauen 90 cm Kastenstandweite vorzuhalten funktioniert offensichtlich besser als zu versuchen, die Gruppe Zentimeter genau unterzubringen. Es bleibt dabei immer die Unsicherheit, dass die Weite der verwendeten Kastenstände nicht zur Körpergröße der Sauen gepasst hat. Aus gleichem Grund konnte beim direkten Vergleich des Liegeverhaltens in Kastenständen mit 65 cm und 70 cm Breite kein Unterschied festgestellt werden.
Kastenstand ist Schutzraum
Bei der Haltungsvariante 4 hatten die Tiere freie Wahl des Liegeplatzes im oder außerhalb des Kastenstandes. Denn hier wurden die Tiere nur im besamungsnahen Zeitraum über ca. acht Tage festgesetzt. Es wurde darauf geachtet, dass keine stark unterschiedlichen Dominanzverhältnisse über eine unterschiedliche Körperkondition in der Gruppe entstehen.
Ergebnis: Obwohl das Platzangebot mit 4,7 m² je Sau im Freilauf sehr großzügig war, wählten 73% der Tiere den Kastenstand anstatt die Gruppenbucht zum Liegen. Offensichtlich stellt dieser einen Schutzraum dar. Dies wird auch dadurch untermauert, dass die Sauen im Kastenstand in 29% der Fälle in entspannter Seitenlage ruhten, während im Auslauf nur 21% der Sauen diese Körperhaltung einnahmen (siehe Übersicht 3). Beim Ruhen im Freilauf lagen die Sauen häufiger auf dem Bauch.
Somit ist das Schutzbedürfnis der Sauen im Kastenstand der Möglichkeit zum Körperkontakt und diese der Beinfreiheit übergeordnet. Die vom Tierschutz geforderte noch bessere Ausgestaltung der Laufflächen würde diese Prioritäten nicht umkehren, denn das Platzangebot als Voraussetzung für soziale Distanz war in der Versuchsreihe schon sehr großzügig.
Die Gruppenhaltung kann somit nur tiergerechter als die Einzelhaltung sein, wenn ein stressfreies Zusammenleben der Tiere untereinander möglich ist. Das ist offensichtlich eher die Ausnahme als die Regel.
Keine Leistungsunterschiede
Zwar sind biologische Leistungen nur eingeschränkt geeignet, um die Tiergerechtheit von Haltungssystemen zu bewerten. Leistungsdepressionen können jedoch als Indikator für reduziertes Wohlbefinden dienen. Deshalb wurden die biologischen Daten nach Kastenstandsystemen ausgewertet, wobei das unterschiedliche Sauenalter zwischen den Gruppen korrigiert wurde.
Unterm Strich konnten keine Leistungsunterschiede zwischen den Kastenstandsystemen festgestellt werden (Übersicht 4). Auch das kurze Deckzentrum funktioniert, wenn die Ausweichmöglichkeiten und die Fluchträume (Kastenstände mit rückseitigem Verschluss) stimmen. Fehlt dies, werden die Leistungen bei Altsauen schlechter, wie Untersuchungen auf Haus Düsse aus dem Jahr 2015 belegen.
Kürzere Fixierungsdauer und damit größere Bewegungsfreiheit führte aber dazu, dass die Sauen im Deckzentrum Speck abbauten, während die Zeitgefährtinnen in den Ständen bereits wieder Speck aufbauten. Das ist weniger eine Folge erhöhter Aktivität, sondern dem Stress durch die Gruppenhaltung geschuldet, was leider mehr die Regel als die Ausnahme ist. Zudem gelingt es bei längerer Fixierung eher, Konditionsdefizite auszugleichen. Außer mit der Futterschaufel ist es bei offen stehenden Kastenständen schwierig, tierindividuell zu füttern.
Fazit
- Der Versuch zeigt, dass wenige Zentimeter in der Gestaltung von Höhe, Beinfreiheit und lichter Weite der Kastenstände zu Problemen wie Einklemmen und Verletzungen bei den Sauen führen können.
- Die Möglichkeit des Ausstreckens der Beine wird häufiger genutzt, wenn dies absolut barrierefrei möglich ist.
- Eine zeitliche Begrenzung der Kastenstandhaltung ist tiergerechter als der völlige Verzicht. Denn die Stände tragen dem Schutzbedürfnis der Sauen Rechnung.
- Rückzugsmöglichkeiten bewerten die Sauen höher als die Möglichkeiten zum Körperkontakt zu anderen Sauen und diesen wiederum höher als die Beinfreiheit.