Schulterläsionen entstehen häufig in der Frühlaktation, wenn die Sauen viel auf der Seite liegen. Tipps, wie Sie Risikosauen erkennen und rechtzeitig gegensteuern können.
Herbert Nehf, BayWa München
Sauen mit Schulterverletzungen (Ulzera) sind in vielen Beständen leider keine Seltenheit mehr. Das KTBL wertet Schulterulzera als Tierschutzindikator. Es lassen sich durchaus Parallelen zu Druckgeschwüren oder Dekubitus beim Mensch ziehen, die von Patienten als sehr schmerzhaft und vom Pflegepersonal als gravierend beschrieben werden.
Ulzera entstehen durch punktuelle Belastungen der Haut. Das Ausmaß der Gewebeschäden wird durch die Druckstärke und die Dauer der Belastung beeinflusst. Knöcherne Vorsprünge bei der Sau, die lediglich von Haut und entsprechend dem Ernährungszustand von Fettgewebe bedeckt sind, spielen in der Entwicklung eine besondere Rolle.
Das längere Liegen während der Geburt und in den ersten Tagen danach sind ein erhöhtes Risiko für eine übermäßige Druckbelastung, sodass die Läsionen meist um den Geburtszeitpunkt entstehen und sich in der Säugezeit weiterentwickeln.
Schmerzhafte Schulter
Das Auftreten von Schulterulzera ist grundsätzlich stark betriebsabhängig. Aus Deutschland sind keine systematisch erhobenen Zahlen bekannt. Untersuchungen aus Nordamerika und mehreren skandinavischen Ländern zeigen, dass bei Befunden an Schlachtsauen 3 bis 34% der Muttertiere betroffen sind.
In Einzelbeständen können bis zu 50% der Sauen Ulzera aufweisen, während andere Betriebe gar keine Probleme haben. Häufiges Auftreten von Schulterulzera ist insbesondere auch in Betrieben zu beobachten, die bereits Sauen mit ausgeheilten Wunden im Bestand haben.
Auch die Schweregrade der Ulzera unterscheiden sich zwischen den Sauen und Betrieben teils erheblich. So können oberflächliche Läsionen bis zu tiefgehenden Wunden, die selbst den Knochen betreffen, auftreten.
Im Rahmen einer Dissertation an der TiHo Hannover wurde ein klinischer Score entwickelt, der eine zuverlässige Differenzierung oberflächlicher von tiefgehenden Schulterulzera am lebenden Schwein erlaubt. Dabei ergaben sich folgende Parameter:
- Durchmesser des Wundsekrets,
- Randwall vorhanden bzw. Wulstbildung am Rand der Wunde,
- Umfangsvermehrung im Vergleich zur letzten Beurteilung.
Sauen mit tiefen Wunden zeigen starke Schmerzen, was den Allgemeinzustand und die Leistung deutlich verschlechtert. In der Literatur werden als Ursache „Nervenfaserknoten“ beschrieben, d.h. eine Verbindung von Nervenfaserbündeln, die von verdichtetem Bindegewebe umgeben sind. Diese werden auch für sogenannte Phantomschmerzen z.B. beim Menschen verantwortlich gemacht.
Sofort behandeln
Um Ulzera höheren Grades zu vermeiden, müssen bereits leichte Gewebeveränderungen im Schulterbereich von Sauen kurz vor und nach dem Abferkeln erkannt werden. Zeigen die Tiere schon in diesem Stadium Anzeichen einer leichten Rötung oder Schwellung über dem Schulterblatt, müssen sie behandelt werden.
Dabei hat sich eine sofortige Druckentlastung der Schulter durch eine Gummimatte auf dem Boden bewährt. Eine lokale Behandlung mit 25-prozentiger Zinksalbe wird ebenfalls empfohlen. Alternativ kann ein tetrazyklinhaltiges Spray aufgetragen werden.
Auch die Verwendung von Schulterschonern hat sich bewährt. Die sollten bereits dann eingesetzt werden, wenn die Schultern der Sauen rote Druckstellen aufweisen. Bei tiefgehenden Ulzera ist zusätzlich eine Schmerzbehandlung zu empfehlen.
Bei Jungsauen und stark abgesäugten Muttertieren mit größeren Würfen kann ein früheres Absetzen der Ferkel hilfreich sein, um eine Verschlimmerung der Schulterverletzung und gleichzeitige Verminderung der Fruchtbarkeit zu verhindern.
Risikosauen erkennen
In der Literatur werden übereinstimmend drei Hauptfaktoren beschrieben, die Schulterulzera auslösen können. Dies ist der allgemeinen Konditionszustand (Body Condition Score), sodass die Sauenfütterung und Faktoren wie die Wurfgröße einen Einfluss haben.
Auch Sauen mit Narbengewebe im Schulterbereich sind stark gefährdet. Die Tragezeit reicht häufig zum vollständigen Ausheilen der Druckstellen nicht aus, sodass sich das Problem mit zunehmendem Alter verschlimmert.
Aktuelle Felduntersuchungen zeigen, dass lahme Sauen ein vielfach höheres Risiko von Schulterläsionen aufweisen als Tiere ohne Fundamentprobleme. Eine Erklärung könnte sein, dass lahme Sauen deutlich mehr Zeit in Seitenlage verbringen als Tiere mit intaktem Bewegungsapparat und darüber hinaus die Futteraufnahme geringer ausfällt, sodass die Kondition grundsätzlich dadurch leidet.
Werden diese Risikotiere erkannt, kann vorbeugend gehandelt werden. So kann eine weiche Gummimatte in der Bucht bei Sauen mit erhöhtem Risiko das Auftreten von Schulterulzera um mehr als die Hälfte reduzieren. Als Untergrund würde sich aufgrund der gleichmäßigen Druckverteilung auch Stroh anbieten. Doch hier gibt es häufig mit der Art der Entmistung Probleme.
Fütterung optimieren
Für die Vorbeuge von Schulterulzera sollte insbesondere die Konditionsfütterung optimiert werden. Zur idealen Kondition der Sauen gibt es sehr viele unterschiedliche Meinungen. Wichtig im Zusammenhang mit Schulterläsionen ist vor allem die Speckauflage als Polster gegen Druck bei den Tieren.
Messungen zur Speckdicke zeigen aber, dass Konditionsbeurteilungen mit dem bloßen Auge nicht selten einen völlig falschen Eindruck vermitteln. Durch exakte Messungen stellen sich dann vermeintlich fette Sauen als fleischige Tiere und vermeintlich magere Sauen als Tiere mit optimalen Depotfettreserven heraus.
In der Praxis haben sich die Konditionsnote 4 mit ca. 20 bis 22 mm Rückenspeck beim Einstallen in den Abferkelstall und ca. 15 mm Rückenspeck beim Absetzen als ideal herausgestellt. Fettreserven sind wichtig für Sauen als Energiereserven in Zeiten hohen Bedarfs z.B. in der Laktation, als Wärmeisolierung und als Speicher für fettlösliche Vitamine und Hormone. Eine ausreichende Speckdicke von Jungsauen bei der Erstbelegung mit 15 bis 17 mm Rückenspeck bei einem Lebendgewicht von 140 bis 150 kg vermindert ebenfalls das frühzeitige Entstehen der Probleme.
Das Hauptaugenmerk der Fütterung sollte auf die schnelle Wiedererlangung einer optimalen Zuchtkondition gelegt werden. Dies gilt insbesondere bei Sauen mit schlechter Kondition. Dabei ist eine ausreichende Energieaufnahme sowie ein auf Speckansatz ausgelegtes Lysin/ME-Verhältnis im Tragefutter wichtig. Bei Altsauen sind 0,5 g Lysin, bei Jungsauen 0,55 g Lysin je MJ ME anzustreben.
Lahmheiten vermeiden
Fundamentprobleme können ebenfalls schlecht heilende Druckstellen im Schulterbereich begünstigen. Die Fütterung kann unterstützend über eine ausreichende Zink- und Biotinversorgung wirken, um die Klauenbildung und -härte zu fördern.
Weiter sind die Ausgestaltung der Böden sowie bauliche Gegebenheiten wichtig. Es muss darauf geachtet werden, dass sich die Sauen nicht verletzen können. Das Stallklima hat hinsichtlich der Abführung von Luftfeuchte und dem schnellen Abtrocknen von feuchten Flächen ebenfalls eine indirekte Wirkung.
Gerade trockene Böden und Liegeflächen sorgen für starke Klauen und insbesondere auch weniger Keimbelastung und Infektionsmöglichkeiten. Einstreu im Wartebereich kann den Liegekomfort verbessern und so auch die Ausheilung vorangegangener Läsionen fördern. Hygieneeinstreu kann diese Effekte noch steigern.
Die Anfälligkeit von Schweinen für Liegebeulen ist darüber hinaus eventuell genetisch verankert. Daher sollte jede entsprechende Erkrankung dokumentiert und eingeordnet werden. Sauen, die wiederholt Anzeichen zeigen, sollten frühzeitig aus dem Bestand genommen werden.
Fazit
- Schulterulzera treten schwerpunktmäßig während der frühen Laktation auf. Sie sind schmerzhaft und damit tierschutzrelevant.
- Neben der Beschaffenheit des Buchtenbodens können Lahmheiten und Narbengewebe das Auftreten von Liegegeschwüren begünstigen.
- Für die Vorbeuge scheint die Konditionsfütterung ein Schlüsselfaktor zu sein. Die Speckauflage dient als Polster gegen Druck.
- Hautläsionen und Liegebeulen im Schulterbereich sind regelmäßig zu überwachen. Nur so können Ursachen und geeignete Präventionsmaßnahmen für den Betriebe ermittelt werden.