Der Gesetzgeber erlaubt bei abgesetzten Sauen künftig nur noch eine kurze Fixierung. In einem MuD-Tierschutzprojekt haben zehn Betriebe Praxiserfahrungen gesammelt.
Theresa Belz, LLH Hessen
Im Sommer hat der Gesetzgeber neue Vorschriften für Sauen im Deckzentrum festgelegt. Wie die Tierschutznutztierhaltungs-VO im Detail zu verstehen ist, regeln die Ausführungshinweise, die noch zu erstellen sind.
Zwei Punkte stehen fest: Abgesetzte Sauen dürfen nur noch kurz im Kastenstand fixiert werden. Und die Sauen müssen im Deckzentrum über ein großzügiges Platzangebot von 5 m2 je Tier verfügen können. Beide Punkte stellen große Herausforderungen an die Betriebe.
Im Rahmen der Modell- und Demonstrationsbetriebe (MuD) Tierschutz haben neun Praxisbetriebe und eine Landwirtschaftliche Lehranstalt Lösungswege erarbeitet und ausprobiert. Ein wichtiger Aspekt des von Oktober 2017 bis März 2020 erfolgten Netzwerkes „Verbesserung und Anreicherung der Haltungsumgebung von tragenden Sauen“ war die deutlich kürzere Fixierung der Sauen.
Breite Laufgänge
Damit diese funktioniert, muss der Stall die Sauen dazu animieren, die Gruppenhaltung anzunehmen. Hierfür sind die Aktivitäts- und Laufbereiche optimal zu gestalten. Denn sonst werden sie häufig nicht genutzt und die Sauen bleiben in den Besamungsständen.
Mitunter erwiesen sich die gesetzlich vorgeschriebenen Gangbreiten von 1,6 m bei ein- und 2,0 m bei doppelreihiger Aufstallung als zu gering. Den Tieren war es in diesem Fall nicht möglich, stressfrei aneinander vorbeizukommen. Zudem können vermehrt Trittverletzungen an den Zitzen auftreten, wenn einzelne Sauen in engen Laufgängen liegen.
Wie wichtig breite Läufgänge sind, weiß auch Jan-Hendrik Hohls. Der Niedersachse hält 320 Sauen im teilgeschlossenen System. Hohls nutzt das Deckzentrum auch als Arena. „Wir haben 2,7 m Gang zwischen den Kastenständen. Wäre es baulich möglich, würde ich die Gänge verbreitern“, betont der Landwirt.
Konditionsgruppen bilden
Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Gruppe zur Einstallung ins Deckzentrum nach Kondition aufgeteilt wird. Je nach Herdengröße und baulichen Voraussetzungen sind zwei bis drei Untergruppen denkbar. So wird vermieden, dass große Altsauen auf kleinere Sauen aufreiten und schwere Verletzungen auftreten.
Betriebe mit festen Gruppen sollten nicht zu viele Untergruppen bilden. Sonst kommt es bei der Umstallung in den Wartebereich erneut zu Rangkämpfen.
Beschäftigung bieten
Rangkämpfe lassen sich auch durch Beschäftigungsmaterialien abmildern. Raufutter, Wühlmaterial, Spielzeuge, Scheuerbürsten lenken die Sauen ab und machen sie zufrieden. Auch Sauen, die unmittelbar vor dem Absetzen satt gefüttert wurden, neigen weniger zu Auseinandersetzungen.
Eine Herausforderung bei der Gruppenhaltung im Deckzentrum stellt die Fütterung dar. Bei der bisherigen Einzelhaltung bis zum 28. Trächtigkeitstag konnten stark abgesäugte Sauen relativ einfach individuell konditioniert werden. In der Gruppenhaltung ist dies nur mit Fütterungssystemen mit Einzeltiererkennung möglich.
Ist ein solches System im Deck- und Wartebereich nicht vorhanden, ist eine umso intensivere Tierbeobachtung notwendig. Sauen, die stark an Gewicht verloren haben, müssen nach dem Absetzen und bei Bedarf zusätzlich beim Wechsel in den Wartestall zunächst in separaten Buchten konditioniert werden.
Sauen flexibel fixieren
Trotz optimaler Anpassung des Stalls und des Managements ist eine Fixierung in der Phase um die Besamung unverzichtbar. Dies hat auch der Netzwerk-Betrieb Jürgen Schmidt aus Unterfranken erfahren. Schmidt hält 400 Sauen und hat im Rahmen des Netzwerkes ein neues Deckzentrum mit 64 Plätzen gebaut.
Der Praktiker hat 2019 die erste Sauengruppe im neuen Deckzentrum nur während der Durchführung der Belegung fixiert. Dabei kam es zu vermehrten Verletzungen an Klauen und Hinterbeinen. Schmidt fixiert seine Sauen heute deshalb für 48 Stunden. „Diese kurze Phase der Einzelhaltung ist unverzichtbar, um den Schutz von Tier und Mensch zu wahren“, stellt der Landwirt heraus.
Jürgen Schmidt beginnt mit der Fixierung in der Regel am Freitagmorgen, da abends die erste Belegung erfolgt. Dabei reagiert er individuell auf das Tierverhalten. „Wenn einzelne Sauen unruhig werden, fixieren wir sie auch einen halben Tag früher.“ Diese Flexibilität ist wichtig, um das unterschiedliche Rauscheverhalten abbilden zu können.
jungsauen sind ruhiger
Der Netzwerk-Betrieb belegt die Jungsauen im separaten Deckzentrum. Sie werden komplett in der Gruppe gehalten und nur zur Belegung kurz fixiert. Schmidt setzt keine Hormone ein, daher rauschen die Jungsauen unterschiedlich. Das macht es schwer, einen passenden Zeitraum zur Fixierung zu finden.
Die Gruppenhaltung während der Rausche funktioniert bei den Jungsauen gut. Auch hier kommt es während der Rausche zu Unruhe. Aufgrund des einheitlichen Gewichts, ist die Verletzungsgefahr aber geringer. Trotzdem liegt die Umrauscherquote bei den Jungsauen durch die Haltungsform um 5 bis zu 10% höher als bei den Altsauen.
Ähnliche Erkenntnisse hat Jan-Hendrik Hohls. Auch er belegt die Jungsauen ohne Fixierung. „Während der Rausche ist vor allem die Strukturierung der Bucht wichtig. Die Tiere müssen sich verstecken können“, hat Hohls insbesondere bei den Jungsauen beobachtet.
Die Altsauen fixiert der niedersächsische Betrieb für drei bis vier Tage um die Besamung: „Ohne Einstreu sehe ich für die Altsauen keinen praktikablen Weg ohne eine kurze Einzelhaltung. Das Aufreiten oder Rangeleien auf den Spaltenböden stellen ein zu hohes Risiko für die Klauengesundheit dar.“
rausche genau beobachten
Der BHZP-Basiszuchtbetrieb in Ellringen hat eine planbefestigte und eingestreute Lauffläche im Deckzentrum. Am Standort stehen 300 Sauen plus Nachzucht. Die Lauffläche ist bei doppelreihiger Aufstallung 2,8 m breit. Durch die Einstreu haben die Tiere eine verbesserte Standsicherheit und die Verletzungsgefahr ist geringer.
Trotzdem setzt Anlagenleiterin Elisabeth Gerstenkorn auf eine dreitägige Einzelhaltung zur Belegung: „Ohne Fixier- ung würden wir nicht arbeiten. Das Risiko für Tier und Mensch ist zu hoch!“
Gerstenkorn hat deutliche Unterschiede im Rauscheverhalten der Genetiken beobachtet. Mit der dreitägigen Fixierung kann sie in der Regel die Rausche aller Sauen ohne hormonelle Synchronisation abdecken. Rauschen einzelne Sauen nach, werden sie länger fixiert.
rangkämpfe vermeiden
Der nächste kritische Schritt ist der Weg zurück in die Gruppe. Gehen die Sauen nach der Belegung in den Wartestall in dynamische Großgruppen, kann es erneut zu Rangkämpfen kommen. Bei stabilen Gruppen sind keine erneuten Rangkämpfe zu erwarten.
Im Wartestall von Klaus Lange aus Ostwestfalen gibt es zwei dynamische Großgruppen à 150 Sauen. In einer Gruppe befinden sich Jungsauen und kleinere Tiere. In der zweiten Gruppe stehen größere Altsauen. Beim Umstallen in den Wartebereich teilt Lange die Sauen nach Größe und Kondition auf.
Der Landwirt hat einen großzügigen Auslauf an seinen Wartestall gebaut. Dadurch werden Rangkämpfe abgemildert. Auf dem 450er-Sauenbetrieb steht jeder Sau eine uneingeschränkt nutzbare Fläche von 4,35 m2 zur Verfügung. „Genug Platz und eine Stalleinrichtung, die die Sauen zu langen Laufwegen zwingt, bringen Ruhe in die Gruppen“, schildert Lange
stabile fruchtbarkeit
Trotz der neuen Herausforderungen ziehen die Netzwerkbetriebe insgesamt eine positive Bilanz. So konnten alle beteiligten Betriebe die Sauenfruchtbarkeit auf dem gleichen Niveau halten oder sogar leicht verbesseren. Der Umgang mit dem neuen Haltungssystem will aber gelernt sein. Die Sauen und der Tierbetreuer müssen sich anpassen.
Haben sich die Abläufe eingespielt, bieten sich Chancen. „Wird das kurze Deckzentrum richtig gemanagt, wirkt sich die verkürzte Fixierungszeit positiv auf die Leistungen aus. Die Sauen kommen früher in Bewegung und sind vitaler“, ist sich Jürgen Schmidt sicher.
Regelmäßige Bonituren der Muttertiere und Auswertungen der Sauenplaner bestätigen diesen Effekt auch für andere Betriebe im Netzwerk. Dabei ist zu beachten, dass durch die Vielzahl von Anpassungen nicht genau festgestellt werden kann, was welchen Einfluss auf die Leistungen hatte.
Ein Punkt ist für alle Netzwerker klar. „Die intensive Tierbeobachtung wird noch wichtiger. Wenn Einzeltiere mit der kurzen Fixierung nicht klarkommen, muss man sofort reagieren können“, be- tont Elisabeth Gerstenkorn.
Problem mit 5 Quadratmeter
Die künftig geforderten 5 m2 Platzangebot pro Sau im Deckzentrum erfüllt derzeit keiner der Netzwerkbetriebe. Einige Betriebsleiter haben aber bereits Ideen für die Umsetzung:
- Jürgen Schmidt könnte die geforderten 5 m2 im Deckzentrum erreichen, wenn er mit wirtschaftlichen Nachteilen sechs Sauen aus jeder Gruppe nimmt. Das gilt aber nur, wenn die Fläche in den Besamungsständen mit zur uneingeschränkt nutzbaren Bodenfläche zählt.
- Jan-Hendrik Hohls plant den Bau eines neuen Maststalls auf Stroh und möchte dort auch ein neues Deckzentrum integrieren. Im bestehenden Sauenstall hat er keine Möglichkeit, das erst 2017 neu erstellte Deckzentrum auf die Vorgabe von 5 m2 pro Sau zu vergrößern.
- Bei der BHZP befindet sich ein neuer Sauenstall im Bau. Im neuen Deckzentrum mit Gruppenhaltung und teileingestreuten Liegezonen werden 5 m2 pro Sau erreicht, sofern die Fläche im Besamungsstand mitgerechnet wird.
- Klaus Lange plant die Hälfte der Besamungsstände im Deckzentrum zu entfernen und die Verweildauer auf eine Woche zu reduzieren. Durch den Anbau des Auslaufes am Wartestall können dort wöchentlich neue Sauen zugestallt werden. Mittelfristig läuft es auf den Neubau eines Deckzentrums hinaus.