Nach mehr als zehn Jahren Expansion stoßen Spaniens Schweinehalter jetzt an Grenzen. Teures Futter, sinkende Drittlandexporte und neue Umweltauflagen hemmen die Branche.
Fred Schnippe, SUS
Während die Schweinebestände in vielen EU-Ländern zurückgehen, bauen die Spanier ihre Produktion kräftig aus. Seit 2010 legte der Schweinebestand der Südeuropäer um mehr als 30% zu. In Spitzenjahren wuchs er um 7%. So standen im Dezember 2021 fast 35 Mio. Schweine in spanischen Ställen (siehe Übersicht 1). Damit kontrolliert das Land inzwischen knapp ein Viertel der Produktion in den EU-27-Staaten.
Die gewaltige Expansion wurde durch mehrere günstige Faktoren ermöglicht:
- Das milde Klima und niedrige Löhne erlauben den Bau günstiger Ställe.
- Viele Ställe haben offene Seitenwände. Eine Heizung ist oft nicht notwendig.
- Rund 80% der Schweinehaltung laufen in Integrationen. Die effizienten Strukturen bringen Kostenvorteile.
- Die Tierhaltung war lange Zeit gesellschaftlich und politisch anerkannt. Sie wurde regional sogar massiv gefördert.
- Die Tier- und Umweltschutzauflagen sind im Vergleich zu Nordeuropa niedrig.
- Die Schlachthöfe arbeiten sehr effizient. Mehr als 60 Fleischbetriebe besitzen eine Exportlizenz für Asien.
- Spanien ist ASP-frei und kann Fleisch in viele Drittlandmärkte liefern.
Sehr gute Schweinepreise
Kräftigen Rückenwind bringen auch die überdurchschnittlich hohen Erzeugererlöse. So markiert die spanische Schlachtschweinenotierung im EU-Vergleich der ISN-Interessengemeinschaft regelmäßig eine Spitzenposition. Demnach lag die korrigierte spanische Notierung im Mittel des vergangenen Jahres mit 1,65 € pro kg SG knapp 40 Cent höher als die deutsche! Im laufenden Jahr hat sich das Preisgefüge etwas angeglichen. Bis zum Spätsommer 2022 konnten die Spanier dennoch einen Vorsprung von im Mittel 25 Cent pro kg SG gegenüber der deutschen Notierung erzielen (siehe Übersicht 2, Seite 20).
Aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen haben sich die Spanier auch international zum Schwergewicht im Schweinesektor entwickelt. Bereits 2015 stiegen sie zum größten EU-Produzenten auf und verdrängten Deutschland auf Platz 2. Im vergangenen Jahr wurde mit 58,3 Mio. Schlachtschweinen erneut ein Rekordergebnis erzielt.
Auch der Außenhandel ist beachtlich. So konnten die Spanier im vergangenen Jahr fast 3,1 Mio. t Schweinefleisch im Ausland absetzen. Der Großteil davon ging mit knapp 1,9 Mio. t sogar in Länder außerhalb der EU. Damit stieg der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch stark an (siehe Übersicht 3, Seite 20). Er lag im letzten Jahr bei gut 212%.
Expansion gerät ins stocken
Allerdings sind sich Experten einig, dass der Ausbau der spanischen Schweinehaltung zunehmend an Grenzen stößt. Ein Indikator sind die Marktdaten für die ersten vier Monate dieses Jahres. Zwar konnten die Spanier das Schlachtvolumen von Januar bis April mit 19,7 Mio. Schweinen nochmals steigern. Das Plus fällt mit 1,4% aber deutlich niedriger aus als in früheren Jahren, wo teils Zuwachsraten von 5% erzielt wurden.
Das Agrarministerium in Madrid erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt. „Unser Schweinebestand wird sich stabilisieren und könnte in den nächsten Jahren sogar leicht zurückgehen“, prognostiziert Pablo Bernardos Hernández, Leiter des Bereiches Schweine und Geflügel.
Neue Umweltauflagen
Dass die Schweinehaltung nach mehr als einem Jahrzehnt Boomphase nicht weiter wächst, hat mehrere Gründe. Als einer der Hauptfaktoren gelten zunehmende Umwelt- und Tierschutzauflagen. Im Fokus stehen die Veredlungshochburgen in Katalonien und Aragonien im Nordosten Spaniens. In beiden ist die Schweinehaltung extrem gewachsen, sodass diese heute mehr als 50% aller spanischen Schweine beherbergen.
In die Kritik der Umweltschützer geraten sind insbesondere die Großanlagen mit mehreren Tausend Sauen oder Mastschweinen. Sie gelten als einer der Hauptverursacher für die steigenden Nitratgehalte im Grundwasser. Ein weiterer Streitpunkt sind Ammoniak und Gerüche, die vor allem bei Ställen mit freier Lüftung im Nahbereich zu erheblichen Belastungen führen können.
Außerdem haben die wiederholten Dürrephasen die Diskussion um die Wasserknappheit im Nordosten Spaniens verstärkt. So muss die Region mit aufwendigen Kanälen mit Frischwasser aus den Pyrenäen versorgt werden. Bei sinkenden Niederschlägen könnte das Wasser zu knapp werden, um die Bevölkerung und die steigende Tierzahl zu versorgen.
Die Umweltverbände laufen inzwischen auch mithilfe der sozialen Medien regelrecht Sturm gegen die großen Veredlungsbetriebe. Sie finden dabei zunehmend Gehör in der Gesellschaft und Politik. Die Regierung in Madrid reagiert darauf und will mit einem ganzen Maßnahmenbündel die negativen Auswirkungen der Tierhaltung auf den Boden die Luft und das Wasser verringern. „Wir müssen den Schweinebestand stabilisieren oder sogar verringern. Zudem müssen die Betriebe Techniken nachrüsten, um ihre Emissionen zu senken“, schildert Pablo Bernardos Hernández.
Fleischabsatz schwächelt
Das zweite Problem der Spanier ist die sinkende Fleischnachfrage. Zum einen geht der Inlandskonsum spürbar zurück. Seit dem langjährigen Höchststand von rund 55 kg im Jahr 2018 sank der Pro-Kopf-Verzehr der Spanier zuletzt auf 49,6 kg. Das ist ein Minus von mehr als 10% binnen drei Jahren.
Zum anderen sinken die Umsätze beim hochlukrativen Fleischverkauf nach China. So hat die Volksrepublik 2021 rund 10% weniger Schweinefleisch in Spanien geordert als im Vorjahr. In den ersten vier Monaten dieses Jahres lag der Fleischexport in das asiatische Land sogar 45% unter der Vorjahreslinie. Die Einbrüche im Export nach China sind schmerzlich. Denn die vergleichsweise hohen Erlöse für Nebenprodukte wie Pfoten und Ohren sind für die Wertschöpfung sehr wichtig. Fachleute erwarten, dass die Fleischausfuhren nach China weiter zurückgehen, da das Land unabhängig von Importen werden will.
Die Einbußen in China gleichen die Spanier bislang vor allem durch höhere Ausfuhren in die EU aus. So haben die Iberer von Januar bis April 2022 nach Polen, Rumänien, Großbritannien und Italien fast doppelt so viel Schweinefleisch geliefert wie im Vorjahreszeitraum. Deutschland kaufte in den ersten Monaten dieses Jahres 16% mehr Schweinefleisch in Spanien.
Zu wenig Getreide
Das dritte Problem der spanischen Veredlungswirtschaft ist die Abhängigkeit von Getreideimporten. So konnte das Land letztes Jahr nur rund 23 Mio. t Getreide selbst erzeugen. Der Verbrauch lag mit 36 Mio. t deutlich darüber. Das heißt: Spanien musste fast 40% seines Getreides zukaufen. In Dürrejahren wie 2018 lag die Importquote über 50%.
Als Hauptauslöser gilt der starke Ausbau der Tierhaltung. So landen rund 75% des Getreides im Futtertrog. Hinzu kommt, dass Spaniens Getreidefläche spürbar kleiner wird. Weizen oder Gerste werden vielerorts durch deutlich erlösreichere Sonderkulturen verdrängt. Die Wasserknappheit verstärkt den Effekt.
Der Ukrainekrieg hat daher zu großen Verunsicherungen geführt. So hat Spanien zuletzt mehr als 6 Mio. t Getreide bzw. mehr als ein Drittel seiner Einfuhren aus dem heutigen Kriegsgebiet bezogen. Aufgrund der großen Importabhängigkeit hat Madrid kurzfristig Verträge mit neuen Getreidelieferanten z.B. aus Südamerika geschlossen. Diese sind aber allein aufgrund der längeren Transporte mit höheren Kosten verbunden.
Die Futterknappheit gilt inzwischen als Achillesferse der spanischen Schweinehaltung. Um Futter zu sparen, verkaufen die Betriebe ihre Schweine seit dem Frühjahr deutlich leichter. So liegen die Schlachtgewichte seit Monaten etwa 3 kg unter der Vorjahreslinie. Da zuletzt auch spürbar weniger Schweine an den Haken kamen, lag das spanische Schlachtvolumen im August dieses Jahres rund 10% unter dem Vorjahreswert.
Wie es mit dem spanischen Schweinesektor weitergeht, hängt laut Experten vor allem von den wirtschaftlichen Bedingungen ab. Dazu Jaume Coma vom Integrator Vall Company: „Die Kernfrage ist: Gelingt es uns, die höheren Futter- und Umweltkosten in höhere Erlöse umzumünzen? Ganz wichtig ist dafür, dass wir ASP-frei bleiben und weiter nach Asien exportieren dürfen.“
Die jüngsten Entwicklungen stimmen die Spanier positiv. So stieg die Schlachtschweinenotierung Ende August erstmals über die Schallmauer von 2 €/kg Lebendgewicht. Die Nachricht über den Rückgang der deutschen Schweineproduktion um 10% ist für die exportorientierten Iberer ein weiteres positives Signal.
Wieder in der Gewinnzone
Noch wichtiger ist, dass die spanische Schweineproduktion bereits seit August wieder Gewinne erzielt. Dies zeigen fortlaufende Auswertungen der Benchmarking Organisation SIP. Die Daten stammen aus durchschnittlichen spanischen Schweinebetrieben. Die SIP-Ergebnisse fließen auch in die EU-weiten Auswertungen der Interpig-Gruppe ein.
Die Vollkostenrechnung weicht von der bei uns üblichen Darstellung ab. So umfasst die Analyse stets die gesamte Produktionskette vom Ferkel bis zum Schlachtschwein. Deshalb kennzeichnen z.B. die Futterkosten einen Mittelwert aus den Sauen-, Ferkel- und Mastbereich. Unter sonstige Kosten fallen u.a. die Aufwendungen für Arbeit, Gebäude, Energie, Tierarzt, ebenfalls vom Ferkel bis zum Schlachtschwein.
Die Vollkostenanalyse in Übersicht 4 basiert auf einem Schlachtschwein mit 114 kg Mastendgewicht. Es wird deutlich, dass die Spanier noch im Frühjahr hohe Verluste von mehr als 36 € je verkauftem Schwein hinnehmen mussten. Im Laufe des Frühjahrs besserte sich die Lage. Im Juli konnten spanische Schweinehalter erstmals wieder kleine Gewinne erzielen. Im jüngsten Auswertungsmonat August stieg der Überschuss auf gut 13 € je Tier.
Für die nächsten Monate erwarten Experten aber keine nennenswerten Verbesserungen. Denn vermutlich bleiben die Futterkosten mit 100 € in der Mast bzw. 140 € inklusive Ferkelerzeugung hoch. Zudem gelten weitere Erlössteigerungen angesichts schwacher Fleischnachfrage als schwierig.