Was ist interessanter, der Buchtenpartner oder das Spielzeug in der Bucht? Eine Videoanalyse mit fast 3000 Ferkeln gibt Aufschluss.
Prof. Steffen Hoy, Universität Gießen
Die Politik übt im Rahmen des Aktionsplanes Kupierverzicht starken Druck auf die Schweinehalter aus. Jeder Betrieb soll die Haltungs-, Fütterungs-, Gesundheits- und Managementbedingungen so optimieren, dass unkupierte Schweine ohne Verletzungsrisiko gehalten werden können.
Ob dies gelingen kann, wird infrage gestellt. Denn die Entstehung des Schwanzbeißens muss man sich wie folgt vorstellen: Ein Schwein bewegt den Ringelschwanz. Dem Buchtenpartner ist langweilig, da er die Bucht seit Langem kennt und nichts Interessantes passiert. Da beißt er spielerisch auf den Schwanz. Der Gebissene reagiert und versucht, den Schwanz wegzuziehen, was wiederum den Beißer anregt, kräftiger zuzubeißen.
Aufwendige Videoanalyse
Das heißt in letzter Konsequenz, dass Langschwanz-Ferkel nur sehr schwer am gegenseitigen Beknabbern gehindert werden können. Ob Buchtenpartner tatsächlich attraktiver als unbelebte Spielzeuge sind, sollte eine Untersuchung im Aufzuchtbereich der Schweinezuchtanlage der Uni Gießen zeigen. Dort werden die Ferkel in Buchten mit 12 bis 14 Tieren auf Kunststoffrosten gehalten. Die Fütterung erfolgt über eine Spotmix-Anlage, Wasser steht über Nippeltränken zur freien Verfügung.
Für die Untersuchung wurden unkupierte, 25 Tage alte Pi-Kreuzungsferkel eingestallt. Den Tieren standen einfache Ketten sowie Wippen mit daran befestigten Ketten und Holzstücken zur Verfügung.
Das Verhalten der Ferkel wurde anhand von Videoaufnahmen über die gesamte Aufzucht in zwei Buchten analysiert. Dabei wurden 192 Stunden Videomaterial ausgewertet (24 Tiere x 4 Tage x 2 Stunden).
Die Untersucher erfassten, wie oft jedes Ferkel die angebotenen Spielzeuge nutzte bzw. sich mit dem Buchtengefährten beschäftigte. Dabei wurde zwischen „Bewühlen“, „Beißen“ (kein Schwanzbeißen) und „Schwanzbeißen“ unterschieden.
Spielerisches Beißen
Im Mittel der gesamten Auswertungszeit beschäftigten sich die Absetzferkel 5,93-mal je halbe Stunde mit den Buchtenpartnern. Mit den einfachen Spielzeugen befassten sie sich im selben Zeitraum nur 1,69-mal. Die Gruppenmitglieder sind demzufolge 3,5-mal so interessant wie Spielgeräte – der Unterschied ist statistisch gesichert.
Dabei ist das Schwanzbeißen bei Weitem nicht die häufigste auf den Buchtenpartner gerichtete Aktion. Von den drei Kategorien an Verhaltensweisen trat das Schwanzbeißen in einer Häufigkeit von 10,8% auf, übertroffen vom gegenseitigen Bewühlen mit 14,0%. Die häufigste Aktion mit 75,2% Anteil war aber mit weitem Abstand das spielerische Beißen der Buchtenpartner in Beine und Ohren (siehe Übersicht 1).
Zwischen den beiden Gruppen gab es bei der Häufigkeit der Beschäftigung mit dem Buchtenpartner keine großen Unterschiede. In Gruppe 1 betrug der Mittelwert 5,55-mal in 30 Minuten, in der zweiten Gruppe 6,30-mal. Das Angebot eines Spiegels (nur in Gruppe 1) erhöhte die Häufigkeit an Beschäftigung mit Spielzeugen und Spiegel um etwa ein Viertel – von 1,80-mal um 0,48-mal auf 2,28-mal je 30 Minuten und Tier. Zum Vergleich: in dieser Gruppe betrug die Anzahl der Aktionen mit Buchtenpartnern durchschnittlich 5,55-mal pro halbe Stunde und Tier.
Aktivität nimmt ab
Unsere Beobachtungen wurden an vier Tagen durchgeführt: am 7., 15., 21. und 35. Haltungstag. Von der ersten bis zur fünften Woche nach dem Absetzen war eine Abnahme der Aktivität festzustellen. Bei der Beschäftigung mit den Gruppenmitgliedern ging die Häufigkeit um etwa ein Drittel (7,52 vs. 4,98 Aktionen), bei der mit den Spielzeugen dagegen um drei Viertel (3,55 vs. 0,83 Aktionen, Übersicht 2) zurück.
Außerdem ist auffällig, dass am 21. Tag nach dem Absetzen die Häufigkeit der Beschäftigung mit den Buchtengefährten auf den höchsten Wert während der Aufzucht anstieg. Am selben Tag war die Zahl der Aktionen mit Spielzeugen gegenüber der Vorwoche nur leicht erhöht.
Dieses Ergebnis unterstützt frühere Beobachtungen, wonach alle eingesetzten Spiel- und Beschäftigungsgeräte ihre Attraktivität verlieren und mit fortschreitender Haltungsdauer immer weniger genutzt werden. Das konnte im Übrigen auch bei Stroh als Einstreu nachgewiesen werden.
Das zeigt zugleich die Schwierigkeit, Spielzeuge oder Beschäftigungsmaterialien zur Ablenkung vom Schwanzbeißen einzusetzen. Über kurz oder lang wird es den Schweinen langweilig, damit zu spielen – wenn es sich um einfache Ketten mit Holzstücken oder Wippen handelt.
Hinzu kommt, dass das Spielverhalten sehr unterschiedlich bei den Ferkeln der beiden Gruppen ausgeprägt war. So spielte als höchster Wert das Ferkel 2 in der ersten Gruppe 9,5-mal je 30 Minuten mit den Buchtenpartnern. Nur 1,3-mal war es im selben Zeitraum mit den Spielgeräten befasst.
Demgegenüber zeigte das Tier 8 mit 1,4 Aktionen an Buchtenpartnern und 0,4 Aktionen an Spielzeugen – jeweils pro halbe Stunde – die geringste Aktivität (Übersicht 3). In der Gruppe zwei waren die Unterschiede zwischen den Gruppenmitgliedern ähnlich deutlich.
Fazit
- Die Buchtenpartner sind etwa 3,5-mal so interessant wie Spielzeuge.
- Die Attraktivität der Gruppenmitglieder für die Beschäftigung mit ihnen nimmt zwar im Laufe der Haltung ab. Dieser Rückgang fällt viel niedriger aus als der für die Spielzeuge.
- Zur Ablenkung von den Buchtengefährten sind innovative Spielgeräte oder ein regelmäßiges Auswechseln dieser erforderlich.