Schweinehalter sind verpflichtet, Eigenkontrollen zum Tierschutz durchzuführen. Das KTBL hat hierfür Leitfäden entwickelt und bietet eine kostenlose Excel-Anwendung an.
Dr. Antje Schubbert, FLI, Dr. Ute Schultheiß und Rita Zapf, KTBL
In den letzten Jahren sind die Anforderungen der Gesellschaft im Hinblick auf das Tierwohl von Nutztieren gestiegen. Auch seitens der Wissenschaft und der Gesetzgebung ist die Tiergerechtheit von Haltungssystemen stark in den Fokus gerückt.
Seit 2014 ist zudem jeder Tierhalter verpflichtet, mittels tierbezogener Indikatoren betriebliche Eigenkontrollen zur Tiergerechtheit durchzuführen. Und seit Juli 2019 sind die Erhebung und Dokumentation von Schwanz- und Ohrverletzungen Teil der Tierhaltererklärung im Rahmen des Aktionsplans Kupierverzicht.
Halbjährlich kontrollieren
Ob die Schweine fit und gesund sind, kontrolliert der Schweinehalter täglich. Dabei wird auf Husten, erhöhte Atemfrequenz oder Durchfall geachtet sowie die Wasserversorgung oder Lüftung u.a. geprüft. Bei ansteckenden oder Leiden verursachenden Befunden muss sofort der Tierarzt zur Diagnose und Behandlung hinzugezogen werden.
Bei der betrieblichen Eigenkontrolle hingegen liegt der Fokus auf der Identifizierung von Tierwohlproblemen, die auf ein eventuell länger bestehendes Haltungs- und Managementproblem hindeuten. Ein Vorschlag zur Durchführung der betrieblichen Eigenkontrolle wurde im Jahr 2016 mit dem „Leitfaden für die Praxis: Tierschutzindikatoren – Schwein“ vom KTBL veröffentlicht.
Dafür wurden Indikatoren ausgewählt, die zum Teil bereits auf dem Betrieb vorliegen oder einfach und eindeutig zu erheben sind und mit denen die wichtigsten in der Praxis auftretenden Tierschutzprobleme erkannt und damit auch vermieden werden können (siehe Übersicht). Für Schweinehalter wird empfohlen, die betriebliche Tierwohlsituation zweimal jährlich im Sommer und Winter zu erheben, um saisonale Unterschiede erkennen zu können.
Stichprobe auswählen
Die Mehrzahl der Indikatoren wird nicht an allen Tieren, sondern an einer zufälligen Stichprobe erfasst. Dabei werden alle Produktionsstufen, z.B. verschiedene Trächtigkeitsstufen bei Sauen oder Alters- bzw. Gewichtsklassen von wachsenden Tieren, berücksichtigt.
Es wird vorgeschlagen, mindestens 30 Sauen im Deck- und Wartestall und säugende 20 Sauen zu beurteilen. Im Abferkelstall erfolgt zusätzlich die Beurteilung der Saugferkel an den zufällig ausgewählten Muttersauen. Im Aufzucht- und Maststall werden jeweils 150 Tiere beurteilt, wobei aus zehn zufällig ausgewählten Buchten immer 15 Tiere pro Bucht beurteilt werden.
Der zeitliche Aufwand für die Erhebung der Tierschutzindikatoren, insbesondere für geschlossene Betriebe, ist mit 3,5 bis 5,5 Stunden nicht gering. Allerdings ist diese Zeit im Hinblick auf den Nutzen für das Tierwohl und das Betriebsmanagement gut investiert.
EDV-Anwendung nutzen
Die Dokumentation der erfassten Indikatoren ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber sehr sinnvoll, um Veränderungen über die Zeit nachzuvollziehen und den Erfolg von eingeleiteten Maßnahmen feststellen zu können.
Zu diesem Zwecke hat das KTBL eine kostenfreie Excel-Anwendungen entwickelt. Mit der Anwendung ist es möglich, die Indikatoren für die Bereiche Sauen, Saug- und Aufzuchtferkel sowie Mastschweine zu erfassen und deren Ergebnisse zu dokumentieren.
Die Daten können direkt vor Ort eingetragen werden, sofern der Landwirt ein mobiles Endgerät wie Windows Tablet oder Notebook zur Verfügung hat. Handschriftliche Aufzeichnungen sind ebenfalls möglich, da bei Bedarf auch Formulare ausgedruckt werden können, mit denen dann die Indikatoren im Stall erfasst und später im Büro eingegeben werden können.
KTBL startet App-Entwicklung
Derzeit arbeitet das KTBL an einer App zur Erfassung von Tierschutzindikatoren mit Hilfe von Android Smartphones. Die App soll neben der einfacheren Erhebung der Tierwohl-Indikatoren auch eine selbstständige Bewertung und Einordnung der betrieblichen Tierwohlsituation erlauben, welche laut Tierschutzgesetz ebenfalls vorgeschrieben ist.
Orientierungswerte, welche die Einordnung der betrieblichen Tierwohlsituation im Sinne eines Ampelprinzips ermöglichen, sollen hinterlegt werden. Die Werte werden in einem mehrstufigen Abstimmungsprozess in Zusammenarbeit mit verschiedenen Experten aus der Praxis, Beratung und Wissenschaft erarbeitet.
Die Praktiker wünschen sich eine Bündelung der Dokumentationen. Mit der App können Ohr- und Schwanzverletzungen gemäß KTBL-Leitfaden er-fasst und letztlich auch für den Aktionsplan Kupierverzicht genutzt werden. Allerdings sind die Ergebnisse vom Schweinehalter eigenständig in die Dokumentationsnachweise des Aktionsplans zu übertragen.
Landwirte testen Indikatoren
Zusammen mit 34 schweinehaltenden Betrieben testet das Institut für Tierschutz und Tierhaltung des FLI derzeit die Tierschutzindikatoren im Rahmen des Verbundprojekts „Eigenkontrolle Tiergerechtheit“, welches vom KTBL koordiniert wird. Hierfür wurden alle Betriebe vorab in der Erhebung der Indikatoren geschult (online oder direkt). Anschließend führten die Tierhalter die Erhebungen zweimal im Abstand von einem halben Jahr eigenständig durch.
Parallel zu den Tierhaltern erhebt eine FLI-Mitarbeiterin die Indikatoren an denselben Tieren. Mit Hilfe dieser Vorgehensweise kann wissenschaftlich überprüft werden, wie zuverlässig und aussagekräftig die Indikatoren sind, wenn sie von verschiedenen Personen erhoben werden.
Der Praxistest soll helfen, den Erfolg der beiden Schulungstypen zu überprüfen sowie die Eignung der Indikatoren für die praktische Tierwohlerhebung weiter zu optimieren. Die ersten Erfahrungen sind positiv: Fast alle Indikatoren am Tier waren für die Tierhalter leicht zu erheben, wobei der Leitfaden bei der Durchführung eine wertvolle Hilfe war.
Als besonders positiv wurde angesehen, dass alle Indikatoren nacheinander an einem Tier erhoben werden. Hierdurch können die Tierhalter schrittweise und systematisch die Erfassung möglicher Tierwohlprobleme abarbeiten.
Fazit
Das regelmäßige und systematische Erfassen von Tierschutzindikatoren hilft bei der Beurteilung des Tierwohls im eigenen Bestand. Mit der Dokumentation der Ergebnisse können Veränderungen über die Zeit erkannt und der Erfolg von Optimierungsmaßnahmen überprüft werden. Der KTBL-Praxisleitfaden und eine kostenlose Excel-Anwendung unterstützen die Erhebung.
In einem Praxisprojekt kamen die Teilnehmer mit den meisten Tierwohl-Indikatoren gut zurecht. Die Praktiker wünschen sich jedoch eine Bündelung aller verpflichtenden Dokumentationen hinsichtlich des Tierwohls.