Die Betriebe werden immer häufiger und schärfer durch die Veterinärämter kontrolliert. Tierärztin Dr. Anja Eisenack erklärt, welche Rechte und Pflichten Sie haben.
Michael Werning, SUS
Auf welcher Rechtsgrundlage basieren Veterinärkontrollen?
Eisenack: Die Kontrolle eines Schweinebetriebes durch die Veterinärbehörde fällt meistens unter mehrere Fachrechtsgebiete, wie das Tierschutz- und Arzneimittelrecht sowie das Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Daher gelten für den Betrieb, wie auch für die Behörde, unterschiedliche Rechtsvorschriften.
Der Landwirt vollzieht einen Balanceakt. Er muss einerseits seinen Pflichten nachkommen und der Behörde Zugang zu Tieren und Unterlagen gewähren, bei der Ziehung von Futterproben Hilfestellung leisten und Auskünfte erteilen. Andererseits sollte er von seinem Recht Gebrauch machen die Auskunft zu verweigern, wenn er sich dadurch selbst belasten könnte.
Wie sollten sich Mitarbeiter verhalten, wenn das Veterinäramt vor der Tür steht, der Betriebsleiter aber nicht da ist?
Eisenack: Der Mitarbeiter sollte den Amtsveterinär zunächst bitten kurz zu warten, damit er den Betriebsleiter informieren kann. Steht der Betriebsleiter nicht zur Verfügung, kann das Veterinäramt darauf bestehen die Kontrolle ohne ihn durchzuführen.
Wie sollte sich der Betrieb bei einer Kontrolle verhalten?
Eisenack: Grundsätzlich gilt es Ruhe zu bewahren und seine Rechte, aber auch die Pflichten zu kennen. Falls der geringste Zweifel besteht, dass man sich selbst mit einer Auskunft belasten könnte, ist es besser zu schweigen. Alles, was der Tierhalter sagt, kann später gegen ihn verwendet werden. Sind Angaben erst einmal gemacht, und seien sie nur falsch verstanden dokumentiert worden, fällt eine abweichende Erklärung oder Richtigstellung oft schwer. Ich rate deshalb davon ab während einer Kontrolle darüber zu diskutieren, warum der Mitarbeiter eine gewisse Arbeit nicht gemacht hat oder der Tierarzt nicht gerufen wurde.
Wird die Veterinärkontrolle protokolliert?
Eisenack: Ja, meistens fertigt die Behörde vor Ort ein Protokoll zum Betriebsbesuch an, welches alle Beteiligten unterschreiben sollen. Diese Unterschrift muss nicht geleistet werden. Es gilt zu bedenken, dass mit einer Unterschrift der Inhalt des Geschriebenen als richtig bestätigt wird. Besser ist es, um eine getippte Abschrift zu bitten und diese in Ruhe zu prüfen.
Diese Handlungsweise empfiehlt sich auch bei einem unbelasteten Verhältnis zur Veterinärbehörde. Jeder neutrale Kontrolleur hat Verständnis für die Sorgen des Betriebes. Und generell darf das Wahrnehmen rechtlicher Möglichkeiten nicht zu einem Generalverdacht führen.
Was wird von den Veterinären häufig beanstandet?
Eisenack: Neben klassischen Problemfeldern, wie der Breite der Kastenstände und die Spaltenmaße, geht es verstärkt um den Umgang mit kranken und verletzten Tieren. Für die nahe Zukunft kann ich mir auch vorstellen, dass die Einhaltung der Schweinehaltungshygieneverordnung und entsprechender Biosicherheitsmaßnahmen verstärkt in den Fokus der Kontrolleure rücken.
Die meisten Verstöße betreffen das Tierschutz- und Arzneimittelrecht?
Eisenack: Ja, Tierschutz- und Arzneimittelrecht überschneiden sich häufig und stellen den Betrieb aber auch den betreuenden Tierarzt vor riesige Herausforderungen. Werden ausreichend Krankenbuchten vorgehalten und sind diese passend ausgestattet? Wurde der Tierarzt früh genug konsultiert? Ist der Betrieb dessen Behandlungsempfehlungen gefolgt? Wurde das Tier früh genug separiert bzw. sachgerecht notgetötet?
Die mangelhafte Versorgung eines verletzten oder erkrankten Tieres stellt einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Handelt der Tierhalter eigenmächtig, das heißt er verabreicht ohne Behandlungsanweisung des Tierarztes verschreibungspflichtige Medikamente, begeht er eine Straftat. Die Frage, wie schnell der Tierarzt im Einzelfall hinzugezogen werden muss, ist aktuell Bestandteil mehrerer Gerichtsverfahren. Ebenso sind Transportfähigkeit und die Dokumentation der Arzneimittelanwendungen heiße Themen.
Wie verfährt die Veterinärbehörde, wenn sie Mängel im Betrieb festgestellt hat?
Eisenack: Das kommt auf Art und Ausprägung der Mängel an und ob es bereits bei früheren Kontrollen Beanstandungen gab. Zum einen kann sie dann im Rahmen einer Verfügung arbeiten und konkrete Forderungen stellen. Diese reichen von einer Fristsetzung zur Reinigung des Stalles, der Vorlage von fehlenden Dokumenten, der Konsultierung eines Tierarztes bis hin zur Nottötung von Tieren noch während der Kontrolle. Diese Anordnungen können vor Ort mündlich ausgesprochen und begründet werden. Auf Verlangen des Schweinehalters sind sie schriftlich zu bestätigen und zu begründen. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Anhörung des Landwirtes vor Erlass des Bescheides zwingend vorgeschrieben. Parallel oder alternativ kann die Behörde ein Bußgeldverfahren einleiten bzw. Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft stellen.
Wie sollte der Betrieb mit einem mängelbehafteten Kontrollergebniss umgehen?
Eisenack: Selbstverständlich sollten festgestellte Mängel so schnell wie möglich beseitigt werden. Allerdings ist die Einschätzung über die Schwere der Mängel nicht standardisierbar. Setzt die Veterinärbehörde eine Anhörung an, rate ich dringend einen Fachanwalt und einen Produktionsberater hinzuziehen. Ohne Rechtsbeistand sollten, egal ob in einem Anhörungsbogen oder bei einer Vorladung im Strafverfahren, keinerlei Angaben gemacht werden. Das ist auch dann ratsam, wenn man selbst die Verstöße als nicht schwerwiegend einordnet und grundsätzlich bereit ist, diese auch abzustellen.
Was passiert, wenn der Betrieb den Bescheid reaktionslos hinnimmt?
Eisenack: Dann besteht die Gefahr, dass mehrere Kleinstverstöße zu einem sehr negativen Bild in den Akten führen. Zudem sind manche Forderungen bei genauerer Betrachtung im Betrieb gar nicht umsetzbar. Wird ein solcher Bescheid reaktionslos hingenommen und damit rechtskräftig, kann jeder Verstoß, auch gegen eine offensichtlich unerfüllbare Auflage, geahndet werden.
An welcher Stelle werden Sie als neutrale Gutachterin bzw. Mediatorin herangezogen?
Eisenack: Leider werde ich oft erst angesprochen, wenn schon Gerichtsverfahren anhängig sind. Es gibt aber auch Betriebe, die im Rahmen von Neu- bzw. Umbauverfahren oder nach einer Erstkontrolle Unterstützung bei der Kommunikation mit der Behörde und bei der Erstellung von Handlungskonzepten benötigen. Dabei fungiere ich nicht ausschließlich als Mediatorin, sondern bearbeite auf fachlicher Ebene mit den Betrieben Fragen beispielsweise zur Antibiotikareduzierung oder zum Kupierverzicht.
Werden Sie eher auf Anraten des Bestandstierarztes hinzugezogen oder kommen die Landwirte auf Sie zu?
Eisenack: Das hält sich in etwa die Waage. Manchmal werde ich auch auf Wunsch des mandatierten Anwaltes eingebunden, damit dessen Rechtsberatung durch eine tierärztliche Bewertung ergänzt wird. Denn häufig sind es eben nicht nur juristische Fragen, die für die Lösung des Problems geklärt werden müssen.
Wo liegen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Eisenack: Ganz klar in der praxisorientierten Beratung. Umfangreiche Gutachten sind die Seltenheit. Ich halte sie oftmals auch nicht für zielführend, weil ich damit den Ereignissen hinterherlaufe. In einigen Fällen reicht ein einmaliger Bestandsbesuch bei dem Problemfelder aufgedeckt und Lösungsansätze skizziert werden, um dem Betrieb genug Schub für das weitere Vorgehen zu geben. Manchmal läuft die Betreuung über mehrere Monate. Je nach Auftrag reicht das Arbeitsfeld von der Verbesserung der Tiergesundheit bis hin zur Konzeptionierung neuer Haltungsbedingungen, bei der auch rechtliche Fragestellungen berücksichtigt werden.
Wie können sich Betriebe auf Veterinärkontrollen vorbereiten?
Eisenack: Grundsätzlich natürlich indem sie ihren Betrieb nach allen fachlichen und rechtlichen Vorgaben führen. Darüber hinaus kommt es vor, dass ich von Landwirten beauftragt werde, in ihrem Betrieb eine Behördenkontrolle zu simulieren. So wollen sie im Vorfeld Schwachstellen z.B. in der Haltung oder Dokumentation aufdecken, die ihnen selbst nicht bewusst sind.
Welche Schlüsse lassen sich aus einer simulierten Veterinärkontrollen ziehen?
Eisenack: Wurden in einem selbstinitiierten „Belastungstest“ Probleme aufgedeckt, kann es oft sinnvoll sein, aktiv auf die Veterinärbehörde zuzugehen. Allerdings sind solche Gespräche sehr gut vorzubereiten. Im Optimalfall werden mit den Behördenvertretern konkrete Konzepte abgestimmt, wie ein Missstand behoben werden soll. Bei der Erstellung der Konzepte sollte aber unbedingt ein spezialisierter Jurist mitwirken, da selbst die Einschätzungen von versierten Produktionsberatern nicht immer mit den rechtlichen Ansprüchen einhergehen. Manchmal kristallisiert sich auch aus einer Simulation ein Schulungsbedarf bei den Mitarbeitern heraus. Die Themen reichen dabei von Tiersignale erkennen und deuten bis hin zum richtigen Dokumentieren von Arzneimittelanwendungen.
Lassen sich aus den QS-Kontrollergebnissen Rückschlüsse ziehen, wie gut ein Betrieb bei einer Behördenkontrolle abschneiden würde?
Eisenack: Nur bedingt! Das Kontrollvorgehen von Veterinärbehörden weicht nämlich häufig von anderen Kontrollen und Beratungssituationen ab. So ersetzt ein gutes Ergebnis bei der QS-Kontrolle nicht die fachrechtliche Einschätzung. Die kann nur ein unabhängiger Dritter abgeben, der genau weiß, wo bei einer unangekündigten Kontrolle durch die Veterinärbehörde Schwerpunkte gesetzt werden.
Wie hoch sind die Beratungskosten für den Betrieb?
Eisenack: Da ich als Tierärztin arbeite, gelten für mich die Vorgaben der tierärztlichen Gebührenordnung. Als Orientierungswert sind die Stundensätze für Bestandsuntersuchungen und Beratungen bei Nutztieren zugrunde zu legen.