Ab 2021 greifen verschärfte Düngeregeln für Gebiete mit hohen Nitratwerten im Grundwasser. Dr. Johannes Wilking, Vorsitzender des Landvolks Vechta, sieht großen Korrekturbedarf.
Fred Schnippe, SUS
Die neue Düngeverordnung 2020 hat seit dem Sommer dieses Jahres ein Bündel an Einschränkungen für die deutschen Betriebe gebracht. Doch der dickste Brocken kommt noch. So gelten für Flächen in sogenannten roten Gebieten mit hohen Nitratwerten im Grundwasser ab 2021 zusätzliche Verschärfungen.
Besonders große Probleme wird die pauschale Kappung der Stickstoffdüngung um 20% unter den pflanzlichen Bedarf verursachen. Denn diese führt zu empfindlichen Ertragseinbußen und heizt die Nährstoffüberschüsse einzelbetrieblich und regional weiter an.
Vor allem im Nordwesten, aber auch in Bayern, sind tiefgreifende Einschränkungen zu erwarten. So weisen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aktuell etwa 39 bzw. 26% der Landesflächen als rote Gebiete aus.
Wie weit sind die Bundesländer mit der Festsetzung der roten Gebiete?
Einige Bundesländer wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern haben ihre roten Gebiete bereits ausgewiesen. Hier stehen online Karten bereit, wo die Betriebe den Status ihrer Flächen abrufen können. Jedoch hat Berlin eine neue Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung roter Gebiete erlassen, um diese bundesweit zu vereinheitlichen. Hierdurch können sich neue Abgrenzungen ergeben.
Was ist Ziel der Verwaltungsvorschrift?
Sie soll Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Veredlungsbetrieben der Bundesländer vermeiden. Zudem soll die Qualität der Messnetze steigen.
Für viele Bundesländer ergibt sich daraus ein hoher Aufwand. Scheinbar sind die Messnetze bundesweit in einem derart desolaten Zustand, dass sehr viel Geld für die Instandsetzung in die Hand genommen werden muss. Der Bund rechnet mit Kosten von 18,5 Mio €.
Die Verordnung definiert Anforderungen für Messstellen. Reichen diese?
Nein! Auch die neue Vorgabe von mindestens einer Messstelle je 50 km2 greift zu kurz. Hieraus ergeben sich Entfernungen von bis zu 8 km zwischen zwei Messpunkten. Das ist viel zu groß, um dem angestrebten Verursacherprinzip gerecht zu werden. Dies bestätigt auch eine neue Stellungnahme eines Hydrogeologen, die der DBV beauftragt hat. Hinzu kommt: Nach wie vor können bereits drei Messstellen mit kritischen Nitratwerten dafür sorgen, dass ein ganzer Grundwasserkörper mit teils mehreren 10000 ha Fläche auf rot gestellt wird.
Das Landvolk hat ein Gutachten zum Messnetz beauftragt. Was sind die Ergebnisse?
Das von den niedersächsischen Kreisverbänden in Auftrag gegebene Gutachten belegt den desolaten Zustand des Messnetzes zur Grundwasserqualität. In Niedersachsen sind über 80% der Messstellen mit Mängeln behaftet. Im Landkreis Vechta haben wir keine einzige Messstelle ohne Mangel. Dies zeigt auch, dass notwendige Wartungen an den Messpunkten nicht erfolgt sind. So wurden gravierende Ablagerungen von Sand oder Ocker nicht entfernt. Teils waren die Messpunkte viel zu flach verfiltert und ragten gar nicht in den Grundwasserkörper hinein.
Was sind die Folgen?
Die Vielzahl an Mängeln kann zu gravierenden Abweichungen bei den Nitratgehalten führen. Nach unserem Gutachten ist das verwendete Messnetz explizit nicht geeignet, um repräsentative Nitratkonzentrationen zu messen und anhand dieser dann mit einer gewissen Verlässlichkeit die roten Gebiete festzulegen. Dieses Verfahren genügt den wissenschaftlichen Standards nicht.
Wie hat die Landesregierung auf das Gutachten reagiert?
Hannover hat interessiert, aber zurückhaltend reagiert. Umweltminister Lies hat versichert, dass bestimmte Messstellen überprüft und bei Bedarf instandgesetzt werden. Zudem hat die Landesregierung ein Gegengutachten zur Qualität des Messnetzes beauftragt. Hannover macht sich für das Verursacherprinzip bei hohen Nitratgehalten stark. Wie man die Problembetriebe finden will, ist aber unklar.
Sie wollen gegen die Festsetzung der roten Gebiete klagen. Wie ist der Stand?
Das Landvolk Niedersachsen hat auf Basis unseres hydrolgeogischen Gutachtens Normenkontrollklagen gegen die Landesdüngeverordnung auf den Weg gebracht. Hierzu haben im Mai acht von den roten Gebieten betroffene Landwirte Feststellungsklagen bei dem Oberver- waltungsgericht Lüneburg eingereicht. Die Klagen decken eine wesentliche Bandbreite an geologischen und bodenkundlichen Gegebenheiten ab. Wir zeigen, wie es zu falschen und missverständlichen Rückschlüssen auf die Messergebnisse kommt. Wir sind optimistisch, dass die Richter letztlich unserer Rechtsauffassung folgen. Mit einer ersten Einschätzung des Gerichtes rechnen wir noch in diesem Jahr.>
Die Nitratwerte haben sich jüngst weiter verbessert. Wie ist Ihre Bewertung?
Seit 2017 gibt es bereits ein strengeres Düngerecht. Nun zeigt sich, was wir damals schon gesagt haben: Gebt dem Düngerecht Zeit und wir werden Verbesserungen sehen. Weitere Effekte kommen durch optimierte Futterrationen und die Reduktion der Nutztierhaltung, z.B. durch Tierwohlprogramme. Zudem zeigt sich vermehrt, dass die Standardwerte für die Nährstoffausscheidung der Tiere sowohl quantitativ als auch qualitativ zu hoch sind. Die Mengen an Wirtschaftsdünger fallen einfach nicht an. Das führt zwangsläufig zu Fehlbeurteilungen der Nährstoffsituation im Grundwasser.
Besteht bei weiteren Verbesserungen die Chance, rote Gebiete zu verkleinern?
Natürlich! Schließlich muss die Abgrenzung der roten Gebiete in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Die neue Verwaltungsvorschrift schreibt eine Überprüfung mindestens alle vier Jahre vor. Dabei sind jeweils die neuen Ergebnisse aus dem Nitratmonitoring zu be- rücksichtigen.
Ab wann greifen die Verschärfungen für rote Gebiete?
Ein Teil der Verschärfungen gilt schon jetzt. Hierzu gehören in Niedersachsen die sofortige Einarbeitung von Wirtschaftsdünger, Vorgaben für Hanglagen und aktuelle Analysedaten für Wirtschaftsdünger. Der größere Einschnitt kommt aber 2021. Dann greift die pauschale Kappung der N-Düngung um 20%. Wir rechnen dadurch mit einer Intensivierung des Maisanbaus in unserer Region. Denn diese Frucht kommt mit dem verminderten Nährstoffangebot vermutlich am besten zurecht.
Neu hinzu kommen Vorgaben für Phosphor-belastete Gebiete. Was ist geplant?
Bei der Ausweisung P–belasteter Gebiete geht es um Oberflächengewässer. Wird der Grenzwert für Fließgewässer überschritten, muss das Land die Nährstoffeinträge prüfen und signifikante Eintragsquellen nachweisen. Die Landwirtschaft gilt als signifikant, wenn ihr Anteil mehr als 20% beträgt.
Wie bewerten Sie diese Einstufung?
Der Anteil, welcher der Landwirtschaft als Verursacher zugewiesen wird, ist viel zu hoch. Andere Eintragsquellen wie Kläranlagen müssen mehr berücksichtigt werden. Auch wird der Abtrag von Boden nicht quantifiziert. Bei uns wird z.B. der Dümmer See durch mehrere Zuflüsse aus Moorgebieten gespeist. So kommen natürliche Phosphorfrachten in den See. Unklar ist auch, welche Sanktionen für P-belastete Gebiete gelten sollen.
Müssen die Schweinehalter in Ihrem Landkreis abstocken?
Der Tierbestand in unserer Region sinkt bereits kontinuierlich. In den letzten fünf Jahren sind rund 15% weniger Tiere gehalten worden. Vermutlich gehen die Tierzahlen weiter zurück, da Betriebe aufgeben oder im Generationswechsel nicht übernommen werden. Hierzu tragen auch die Verschärfungen im Düngerecht bei.
Gibt es bei der N/P-reduzierten Fütterung noch Luft, um gegenzusteuern?
In einzelnen Betrieben sehe ich beim Futter noch Reseven. Insgesamt ist das Potenzial in der Veredlungshochburg Weser-Ems aber begrenzt. Denn unsere Region hat sich aufgrund des hohen Nährstoffdruckes schon früh mit der Optimierung der Fütterung befasst. Stark N/P-reduzierte Rationen sind hier in vielen Schweinebetrieben Standard.
Welchen Beitrag kann die Gülleaufbereitung leisten?
Die Euphorie für die Gülleaufbereitung ist etwas abgeflacht. Denn auch durch den Rückgang der Tierbestände haben sich die Kosten für die überbetriebliche Gülleabgabe etwas entspannt.
Die Kernfrage ist: Ist die Gülle- und Mistaufbereitung günstiger oder zumindest gleich teuer wie die überbetriebliche Abgabe? Der Trend geht derzeit zu kleinen, dezentralen Aufbereitungsanlagen. Hier laufen in Niedersachsen einige Pilotprojekte. Zudem läuft in Friesoythe im Kreis Cloppenburg das Genehmigungsverfahren für eine überregionale Vollaufbereitungsanlage. Eine Einleitgenehmigung für die gereinigte flüssige Phase liegt bereits vor.
Gibt es noch Spielraum bei der überbetrieblichen Gülleverwertung?
Ja, allerdings muss die Gülle transportwürdiger werden. Die Ackerbauern haben mittlerweile deutlich mehr Akzeptanz für die Gülledüngung. Die Vorteile wie der Aufbau von Humus und die CO2-Bindung sind anerkannt. Hier müssen wir weiter daran arbeiten und voneinander lernen. Denn Wirtschaftsdünger unterstützen auch die Kreislaufwirtschaft.
Was droht bei Verstößen in roten Gebieten?
Wilking: Die Kontrollen unterliegen der Düngebehörde, die in Niedersachsen bei der Landwirtschaftskammer angesiedelt ist. Bei Verstößen drohen Bußgelder und natürlich sind diese auch CC-relevant.