Lange war der deutsche Schweinepreis im EU-Vergleich stark abgehängt. Binnen weniger Wochen hat sich das Blatt komplett gedreht. Was steckt dahinter?
Klaus Kessing, ISN
Seit Mitte Februar zeigen die Notierungen am europäischen Schweinemarkt steil nach oben. Besonders auffällig ist die Entwicklung in Deutschland. Binnen fünf Wochen legte die VEZG-Notierung für Schlachtschweine um 65 Cent zu.
Hauptgrund ist das stark rückläufige Angebot. Derzeit liegen die wöchentlichen Schlachtzahlen teils mehr als 10% niedriger als in den Vorjahreswochen. Sowohl der Abbau der deutschen Sauenbestände als auch geringere Importe von Ferkeln machen sich nun bemerkbar.
Nachfrage erholt sich
Gleichzeitig bessert sich die Fleischnachfrage spürbar durch die Lockerung der Corona-Maßnahmen. Unterstützt wird dies durch frühlingshaftes Wetter und die Vorbereitungen auf das Oster- und Grillgeschäft. Zudem forcieren das Ablieferverhalten der Mäster im steigenden Markt sowie der verkleinerte Spotmarkt den Preisanstieg. Zuletzt trieb auch der Ukraine-Krieg inklusive Störungen von Lieferketten und Sorgen um die Futterversorgung die Preise an.
Auch in den umliegenden EU-Ländern haben ähnliche Gründe für deutliche Preissprünge gesorgt. In den Niederlanden, Belgien und Österreich konnte die Notierung mit 58 bis 72 Cent in den vergangenen fünf Wochen vergleichbare Anstiege wie bei uns verzeichnen.
Andere Notierungen folgen dem hohen Tempo nicht. In Spanien liegt das daran, dass es ein wöchentliches Maximum für die Veränderung der Schweinepreise von 6 Cent je kg Lebend- bzw. knapp 8 Cent je kg Schlachtgewicht (SG) gibt. Auch Frankreich arbeitet mit Notierungslimits. Preisanpassungen für eine Woche sind normalerweise auf 6 Cent festgelegt – bezogen auf 1 kg SG. Angesichts der enormen Preisanstiege u.a. in Deutschland hat die marktbestimmende Börse Marche du Porc Breton diese Grenze nun auf 11 Cent erhöht.
Danish Crown mauert
In Dänemark gibt es keine Deckelung der Notierungsänderung. Trotzdem können die aktuellen Preissteigerungen nicht mit denen in Deutschland Schritt halten. Denn der maßgebliche Auszahlungspreis von Danish Crown orientiert sich stark am Fleischmarkt, der nach Einschätzungen des Konzerns die Preissteigerungen anderer EU-Länder nicht hergibt. Vielmehr will Danish Crown die Notierung schrittweise nach oben anpassen. Außerdem dürfte es eine Rolle spielen, dass sich noch bis Mitte März einige Schweine in den dänischen Ställen gestaut haben.
Durch die Preisrallye konnte Deutschland zu Spanien an der Spitze des EU-Preisvergleichs aufschließen. Beide Länder erzielten in der zwölften Kalenderwoche im ISN-Vergleich eine korrigierte Notierung um 1,80 €/kg SG (siehe Grafik). Österreich lag mit korrigierten 1,90 € darüber. Im Mittelfeld folgten Belgien und Frankreich mit korrigierten Preisen von 1,74 bzw. 1,70 €. Dänemark markierte mit einem Abstand von rund 40 Cent zur Spitzengruppe gegen Ende März das Schlusslicht im EU-Ranking.
Allerdings ist das Bild durch die starken Preisanstiege in den letzten Wochen verzerrt. Es wird einige Zeit dauern, bis sich die Verhältnisse einpendeln.
Deutschland lange hinten
Die jüngste Entwicklung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland lange am unteren Ende des europäischen Vergleiches stand. Seit dem Preisverfall ab März 2020 lag die VEZG-Notierung regelmäßig deutlich unter den Notierungen wichtiger EU-Nachbarn. In Deutschland fiel der Preisverfall nämlich stärker aus als in anderen Ländern.
Dabei spielte der Schweinestau eine entscheidende Rolle, welcher durch Einschränkungen in den Schlachthöfen infolge von Corona-Infektionen ausgelöst wurde. Zeitweise stauten sich mehr als 1 Mio. Tiere. Auch nach Abbau des Staus belasteten die hohen Lagerbestände an Schweinefleisch den Markt noch lange.
Zudem wurden im Zuge der Diskussion um die Corona-Bekämpfung die Werkverträge in der Fleischbranche verboten, was für deutsche Schlachthöfe eine verschärfte Personalsituation und höhere Kosten bedeutete. Auch auf den deutschen Schlachtschweinepreis dürfte sich das negativ ausgewirkt haben.
Des Weiteren brachte der Fund der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland Wettbewerbsnachteile gegenüber den europäischen Konkurrenten. Die fehlenden Vermarktungsmöglichkeiten von Nebenprodukten belasten die Kalkulationen unserer Schlachtbranche.
Südeuropäer punkten in China
Gleichzeitig konnten exportorientierte Länder wie Spanien oder Dänemark von den Exportausfällen Deutschlands profitieren. Besonders deutlich sichtbar wurde dies, als die Nachfrage nach Schweinefleisch aus China im Frühjahr 2021 stark anzog. Spaniens Notierung lag seit Mitte 2020 sehr deutlich über der deutschen, teils mehr als 50 Cent. Zudem begünstigen vermutlich der größere Wettbewerb unter den Schlachthöfen und der höhere Grad der Integration Spaniens Preise.
Auch die französische Notierung lag bis vor Kurzem noch deutlich über der deutschen. Positiv dürften sich dort die guten Wirtschaftsbeziehungen zu Peking auswirken, sichtbar z.B. durch das gelungene Regionalisierungsabkommen zur ASP. Die zahlreichen Lizenzen für den Fleischexport nach Asien stützen den Schweinepreis in Frankreich.
Auch die österreichische Schweinepreisnotierung bewegte sich monatelang über der deutschen VEZG-Notierung und liegt auch aktuell noch darüber. Als Gründe werden aus Österreich zum einen genannt, dass es zehn mittelgroße Schlachthöfe gibt, mit denen die grüne Seite relativ gut auf Augenhöhe verhandeln kann. Aber auch die Bewerbung des österreichischen AMA-Siegels läuft offenbar gut und soll Mehrerlöse von 3 bis 4 € pro Schwein ermöglichen.
Erstes Quartal: Spanien vorne
Die Preisauswertung des ersten Quartals 2022 (bis KW 12) weicht deshalb deutlich von den jüngsten Entwicklungen ab. So bildete Deutschland mit einem korrigierten Preis von 1,29 € als Mittelwert der ersten zwölf Kalenderwochen mit den Niederlanden, Belgien und Polen das Schlussfeld im EU-Vergleich. Während Spanien und Frankreich mit korrigierten Notierungen von knapp 1,50 € im ersten Quartal mit großem Abstand vorne lagen. Österreich konnte sich mit korrigierten Preisen um 1,44 € in den ersten zwölf Jahreswochen im Mittelfeld des Preisrankings platzieren.
Wie sich das Notierungsgefüge in Europa weiterentwickelt, lässt sich kaum abschätzen. Denn aufgrund des drastischen Kostenanstiegs in der Kette muss sich die Preisgestaltung bis zur Fleischtheke nun völlig neu finden.