Start-ups und Schlachtkonzerne wollen Fleisch aus Zellkulturen herstellen. Noch ist kein Durchbruch zu erkennen.
Prof. Hans-Wilhelm Windhorst, Universität Vechta
Anfang des Jahres erschien das Buch „Clean Meat“ von Paul Shapiro, welches bei den Fleischproduzenten für Aufsehen gesorgt hat. Darin beschreibt der Autor, wie Fleisch aus Zellkulturen erzeugt werden kann. Das Interesse an dem „sauberen“ Fleisch aus dem Labor ist groß; zahlreiche Start-up-Unternehmen, insbesondere aus den USA, haben sich bereits auf den Weg gemacht.
Im März dieses Jahres teilte das deutsche Geflügelunternehmen Wiesenhof mit, dass es eine strategische Partnerschaft mit dem israelischen Start-up-Unternehmen SuperMeat eingegangen sei, das im Bereich der Herstellung von künstlich erzeugtem Fleisch tätig ist. Dazu Firmenchef Peter Wesjohann in einem Interview: „Wir wollen uns weiterentwickeln und ständig neue Angebote unterbreiten können.“ Somit ist das Thema „Clean Meat“ auch in Deutschland angekommen.
Nische Laborfleisch?
Paul Shapiro schreibt in seinem Buch, dass die Vorteile des aus Zellkulturen gewonnenen Fleisches vor allem darin zu sehen sind, dass keine Tiere mehr getötet werden müssen. Hinzu kommt, dass der nicht mehr notwendige Einsatz von veterinärmedizinischen Präparaten für viele die Sicherheit der gewonnenen Erzeugnisse erhöht.
Weitere Vorteile, die immer wieder genannt werden, sind der wegfallende Bedarf an Futtermitteln, die vermeintlich geringere Umweltbelastung, ein geringerer Wasserbedarf und eine schnelle Anpassungsmöglichkeit an eine sich verändernde Nachfrage. Auch wenn die Start-ups bislang keine Bilanzen vorgelegt haben, aus denen man z.B. den Einsatz von Energie und Wasser entnehmen kann, sind die Entwicklungen ernst zu nehmen.
Um Fleisch aus Zellkulturen entstehen zu lassen, werden Stammzellen z.B. aus den Föten ungeborener Tiere entnommen und in eine Nährlösung eingebracht. Anschließend wachsen die Zellen zu essbarer Masse heran, die mit dem Fleisch weitgehend identisch ist.
Bislang konzentrieren sich die Startups vor allem auf die Substitution von Rindfleisch. Nur das israelische Unternehmen SuperMeat forscht daran, Verfahren zur Erzeugung von Hähnchenfleisch aus Zellkulturen zu entwickeln. Bei Schweinefleisch ist man bislang nicht aktiv geworden. Dies scheint aber nur eine Frage der Zeit zu sein.
Allerdings sind gegenwärtig die Herstellungskosten des Laborfleisches so hoch, dass eine weite Verbreitung ausgeschlossen ist. Der erste im Labor erzeugte Burger soll über 200000 US-Dollar gekostet haben. Auch fanden einige, dass dieser zwar nach Fleisch schmeckte, aber nicht die gewohnte Struktur aufwies. Somit ist aktuell noch völlig unklar, ob aus Zellkulturen erzeugtes Fleisch eine breite Akzeptanz findet. Erhebungen bei Konsumenten liegen hierzu nicht vor.
Viele offene Fragen
Mit dem Wiesenhof-Vorstoß haben die Diskussionen rund um das Thema „Laborfleisch“ neuen Schwung bekommen. Für die traditionell produzierenden Fleischunternehmen stellen sich einige Fragen:
- Wann wird es möglich sein, Fleisch aus Zellkulturen zu gleichen Kosten oder sogar billiger als konventionelles Fleisch zu erzeugen?
- Woraus und zu welchen Kosten werden die Nährlösungen gewonnen?
- Wann ist es möglich, aus Zellkulturen nicht nur ein dem Hackfleisch ähnelndes Produkt zu erzeugen, sondern Fleisch mit Struktur?
- Wann sind Technologien vorhanden, die es ermöglichen, größere Mengen zu erzeugen?
- Ist es ethisch vertretbar, z.B. Föten „anzuzapfen“, um Zellen für die Zellkulturen zu gewinnen?
- Besteht nicht die Gefahr, dass das Know-how in wenigen Unternehmen konzentriert ist, die dann den Markt kontrollieren?
- Wie müssen die rechtlichen Grundlagen für eine solche Produktion aussehen und wer kontrolliert?
- Und nicht zuletzt: Welche Konsequenzen ergeben sich für die landwirtschaftlichen Betriebe?
Vorbild Fleischersatzprodukte
Oft werden Parallelen zu Verfahren zur Erzeugung von sogenannten Fleischersatzprodukten gezogen. Diese Konsumgüter aus 100 % pflanzlicher Basis sind bereits seit einigen Jahren auf dem Markt. Allerdings haben sie einen noch vergleichsweise geringen Anteil am gesamten Fleischverzehr. In den USA geht man von 0,25 % aus.
Doch in deren Entwicklung ist beträchtliches Risikokapital geflossen, u.a. von Microsoft-Gründer Bill Gates. Die führenden Unternehmen sind gegenwärtig Beyond Meat und Hampton Creek, die beide in Kalifornien ansässig sind. Der von ihnen erzeugte Fleischersatz wird in den USA sowohl von Restaurantketten als auch in Supermärkten angeboten. Vor allem bei jüngeren Käufern finden die Produkte eine hohe Akzeptanz. Dass gerade im Silicon Valley in Kalifornien die Start-ups entstanden sind, ist nicht verwunderlich. Dort ist die Innovationsfreudigkeit sehr groß und es steht viel Wagnis-Kapital zur Verfügung. Außerdem kommt es dem Lifestyle vieler Einwohner in Kalifornien entgegen. Auch bezüglich der Entwicklung von In-vitro-Fleisch werden die entscheidenden Impulse vermutlich von Kalifornien ausgehen. Denn selbst Entwicklungszeiträume von bis zu zehn Jahren schrecken bislang nicht ab, für Forschung und Entwicklung Kapital aufzubringen. Auch fleischproduzierende Unternehmen zeigen zunehmend Interesse und beteiligen sich an der Finanzierung.
Für deren Kapitalbereitstellung gibt es folgende Motive: Zum einen möchten die Firmen Zugang zum Know-how haben. Zum anderen wollen sie künftig ein möglichst breites Programm von vegan bis konventionell anbieten können. Durch Verfahren, die ein Töten der Tiere nicht mehr nötig machen, möchten sie zudem das teils angeschlagene Image der Branche wieder verbessern.
Bleibt festzuhalten
Fleisch aus Zellkulturen wird nach bisherigem Stand der Entwicklung wohl nicht vor 2030 in größeren Mengen auf den Markt gelangen.
Selbst wenn in einigen Jahren ein dem Hackfleisch ähnliches Produkt kostengünstig hergestellt werden kann, ist dies noch kein Steak oder Filet. Deren Entwicklung wird sicher deutlich länger dauern.
Ob das Argument „Wir töten keine Tiere“ die Gruppe der Vegetarier und Flexitarier überzeugt, wird sich zeigen müssen, wenn erste Produkte zu vertretbaren Preisen auf dem Markt sind.