Die USA stocken ihre Bestände jährlich um 2 Mio. Schweine auf. Was sind die Folgen für die Exportmärkte?
Matthias Kohlmüller, AMI Berlin
Der Wachstumsdrang der amerikanischen Schweinehalter ist gewaltig. In den letzten fünf Jahren stockten die US-Farmer um rund 20% auf. Bei der jüngsten Viehzählung im März standen fast 74,5 Mio. Schweine in den Ställen. Das sind nochmals 2% mehr als im Vorjahr und der höchste Bestand seit Beginn der Erhebungen vor 30 Jahren.
Der starke Ausbau der US-Schweinehaltung zeigt sich seit dem Jahr 2014. Zuvor waren die Bestände aufgrund der Durchfallerkrankung PED zeitweise auf den Tiefstand von 61 Mio. Tiere gesunken. Seit dem Ende der PED stocken die US-Betriebe im Schnitt 2 Mio. Schweine im Jahr auf (siehe Übersicht 1).
Mittlerer Westen boomt
Besonders stark ist das Wachstum in den Kernregionen der US-Schweinehaltung im mittleren Westen. Hervorzuheben ist der Bundesstaat Iowa. So bauten die gut 6000 Schweinehalter dort ihre Mastbestände in den letzten zehn Jahren um 3,5 Mio. Plätze aus. Rund 50% des landesweiten Wachstums entfallen auf diesen Bundesstaat. Heute umfasst Iowa gut ein Drittel des Schweinebestandes der USA und erzeugt jährlich mehr als 30 Mio. Schlachtschweine.
Auch die Nachbarstaaten Minnesota und Illinois bauten ihre Mastbestände mit einem Plus von 1,4 Mio. bzw. 900000 Tieren in der letzten Dekade kräftig aus. Zusammen stehen die drei Bundesstaaten inzwischen für mehr als 55% der Mastbestände der USA.
Die Sauenhaltung legte ebenfalls spürbar zu. Vor allem in den vergangenen zwei Jahren stieg der Bestand landesweit um mehr als 250000 Sauen. Ende 2018 erreichte der US-Zuchtbestand mit 6,2 Mio. Sauen einen neuen Rekord. Der Schwerpunkt der Ferkelerzeugung liegt ebenfalls im Mittleren Westen. So beherbergen allein die beiden Bundesstaaten Iowa und North Carolina ein Drittel der US-Sauen.
Boom nach PED
Dass die nordamerikanische Schweinehaltung so rasant wächst, hat mehrere Gründe. Als einen der Hauptfaktoren sehen Fachleute den enormen Anstieg der Erzeugererlöse in der Zeit während und nach dem PED-Zug. Denn durch die hohen Saugferkelverluste waren Schweine lange Zeit extrem knapp, die Preise schnellten hoch.
Vor allem 2014 machten die US-Farmer prächtige Geschäfte. Denn in dem Jahr stiegen die Erzeugererlöse in der Spitze auf bis zu 2 Dollar/kg. Das sind rund 50% mehr als der übliche Preis! Auch in den Folgejahren konnten die Betriebe immer wieder überdurchschnittliche Schlachterlöse erzielen. Rückenwind bekommt die Schweinehaltung in den USA zudem durch die geringen Produktionskosten. Im globalen Vergleich können die Nordamerikaner Schweinefleisch am günstigsten erzeugen. Sie schneiden hier sogar noch etwas besser ab als Brasilien. Im Vergleich zu Europa beträgt der Kostenvorteil der US-Farmer rund 40%.
Günstiges Futter
Am meisten profitieren die Schweinehalter der USA vom günstigen Futter. So liegt das Zentrum der Veredlung im Mittleren Westen im sogenannten Cornbelt – eines der weltweit größten Anbaugebiete für Getreide, Mais und Soja. Aufgrund des großen Angebotes können die Tierhalter die Rohkomponenten günstig einkaufen.
Weitere Kostenvorteile gibt es beim Stallbau. So sind die Tier- und Umweltschutzauflagen niedrig. Die Betriebe entscheiden weitgehend selbst, welche Haltungsform für ihre Tiere am besten ist. Auch die großen und simpel konstruierten Ställe drücken die Kosten.
Zusätzlichen Schub erhält die Schweinehaltung durch die Leistungssteigerung in der Ferkelerzeugung. So ist die mittlere Wurfgröße seit 2009 von rund 9,5 auf 10,5 Ferkel gestiegen. Landesweit stehen dadurch rund 15 Mio. Ferkel zusätzlich für die Mast bereit.
Mega-Betriebe gehen voran
Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind außerdem die professionell geführten Mega-Betriebe. So verfügen die zehn größten Produzenten des Landes über knapp 2,8 Mio. Sauen plus Mast. Die Top 10 kontrollieren damit rund 45% des US-Bestandes. Die Großbetriebe betreiben oft auch eigene Schlacht- und Zerlegekapazitäten.
So wundert es nicht, dass sich das Wachstum in der Schweinehaltung vor allem in den Großanlagen abspielt. Allein die zehn größten Konzerne haben im letzten Jahr zusammen um mehr als 110000 Sauen aufgestockt (siehe Übersicht 2). Mit den Sauen wuchsen auch die Mast- und Schlachtkapazitäten. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Branchenführers Smithfield. Der zur chinesischen WH-Gruppe gehörende Großbetrieb hat vier seiner zehn Schlacht- und Zerlegebetriebe im letzten Jahr erweitert. Smithfields Kapazitäten stiegen damit auf gut 130000 Schweine pro Tag.
Beachtlich ist zudem der Ausbau bei Triumph Food, das seine Schlachtungen auf 20400 Tiere pro Tag verdoppelt hat. Die Aufnahmekapazität aller US-Betriebe stieg damit auf 2,69 Mio. Schweine pro Woche. So kamen 2018 in den USA in Summe rund 125 Mio. Schweine an den Haken.
Marktexperten erwarten, dass sich das Wachstum dieses Jahr fortsetzt und die täglichen Schlachtkapazitäten um 12000 Schweine bzw. rund 2,5% zulegen. Auf das Jahr hochgerechnet könnten über 3,3 Mio. Schweine zusätzlich an den Haken kommen.
Voraussetzung ist, dass die Fleischbetriebe genug Mitarbeiter finden. Denn in den USA herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Und die Arbeit in der Fleischindustrie ist wenig attraktiv. Es könnte daher insbesondere im nächsten Herbst zu Engpässen kommen. Vermutlich lässt sich das erwartete hohe Schlachtaufkommen nur mit Zusatzschichten an Samstagen abfangen.
Über 120% Selbstversorgung
Die riesige Produktion von 12 Mio. t Schweinefleisch erhöht zudem die Abhängigkeit vom Export. So mussten die USA im letzten Jahr bei rund 120% Selbstversorgungsgrad mehr als 2,7 Mio. t Schweinefleisch exportieren. 2019 und 2020 kann der Exportbedarf laut Landwirtschaftsministerium USDA sogar noch etwas steigen. Der Handelsstreit mit wichtigen Abnahmeländern wurde daher von der Agrarbranche heftig kritisiert. So erhöhte Mexiko als größter Abnehmer für US-Schweinefleisch seine Zölle Mitte letzten Jahres von 0 auf 20%. Das drückte sofort den Umfang und die Wertschöpfung der Exporte. Mit dem im Oktober geschlossenen Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko hoffen die USA auf Entspannung.
Risiken im China-Export
Herbe Exporteinbußen gab es zudem in China, dem drittgrößten Markt für US-Fleisch. Im Zuge des Handelskrieges erhöhte Peking die Zölle für Schweinefleisch aus den USA im April von 12 auf 37% und im Juli sogar auf 62%. Hierdurch verlor Fleisch aus den USA trotz der geringen Produktionskosten stark an Konkurrenzkraft. Im letzten Jahr brach der Absatz von US-Schweinefleisch nach China um 29% ein. Ein Ende des Handelskrieges ist unklar.
Deutlich besser läuft dagegen der Inlandsabsatz. So verzehrte jeder US-Bürger im letzten Jahr nochmals 700 g mehr Schweinefleisch. Mit 23,4 kg stieg der Pro-Kopf-Verzehr auf einen neuen Rekord. Im laufenden Jahr könnte der Verzehr nach USDA-Prognosen um weitere 900 g pro Kopf zulegen. Der Inlandskonsum ist damit das wichtigste Ventil für die wachsende US-Fleischerzeugung.
Allerdings essen die Amerikaner vor allem deshalb mehr Schweinefleisch, weil es vergleichsweise billig ist. So hat die stark gestiegene Produktion bereits 2018 zum spürbaren Einbruch der Erzeugererlöse auf umgerechnet 83 ct/kg Lebendgewicht geführt. Das ist eines der schlechtesten Ergebnisse des letzten Jahrzehnts.
Seit März 2019 ziehen die US-Erzeugererlöse wieder spürbar um mehr als 40 Dollar je Tier an. Motor ist der weltweite Fleischabsatz nach China, dessen Nachfrage ASP-bedingt stark gestiegen ist. Auch die USA konnten zuletzt trotz der anhaltend hohen Importzölle wieder mehr Fleisch in die Volksrepublik liefern. Denn das stark gestiegene Preisniveau in China macht die US-Ausfuhren trotz der Zölle rentabel.
Wie lange die Erholung der Erzeugerpreise anhält, ist aber unklar. Denn die US-Erzeugung von Schweinefleisch soll 2019 nochmals um bis zu 5% zulegen. Neben dem heimischen Markt will man das zusätzliche Fleisch insbesondere in Mexiko platzieren.
Fazit
- Die US-Schweinefarmer haben in fünf Jahren um fast 20% aufgestockt.
- Hauptmotor sind die niedrigen Produktionskosten und der Expansionsdrang der Großanlagen.
- Handelskriege hemmen die Fleischexporte in wichtige Zielländer.
- Seit 2018 stehen die Erzeugererlöse zunehmend unter Druck.
- Die Produktion soll 2019 zulegen. Der steigende Inlandskonsum ist das wichtigste Absatzventil.