Andreas Vogel füttert seine Schweine mit Kräutern und Luzerneheu. Das Fleisch vermarktet er unter der Marke „Saalower Kräuterschwein“ an die Berliner Gastronomie.
Michael Werning, SUS
Das Saalower Kräuterschwein ist eine regionale Spezialität. Die Tiere werden mit Wildkräutern gefüttert. Diese verleihen dem Fleisch seinen unvergleichlich würzigen und aromatischen Geschmack.“ So oder so ähnlich werben Händler und Restaurants im Großraum Berlin für Andreas Vogels Schweinehaltung. Der 56-Jährige hat es geschafft, seine konventionelle Erzeugung so auszurichten, dass er jährlich rund 5000 Schlachtschweine über eine hochpreisige Direktvermarktungsschiene verkaufen kann. „Das sich für mich einmal solch ein Markt öffnet, hätte ich zu Beginn meiner Betriebsleiterkarriere nicht für möglich gehalten“, blickt der Landwirt zurück.
Ungeplante Selbstständigkeit
Vor rund 30 Jahren übernahm er als junger Agraringenieur in Saalow am Mellensee, rund 30 km von Berlin entfernt, den Vorsitz der dortigen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). „Der Fokus lag auf dem Ackerbau. Die Schweinehaltung mit 360 Sauen, inklusive Aufzucht, lief untergeordnet mit“, erzählt der Ostdeutsche.
Lange sollte er die Leitung des Staatsbetriebes allerdings nicht innehaben. Denn wenige Monate nach seinem Antritt fiel die Mauer. Die DDR war Geschichte und mit ihr das System einer gemeinschaftlichen Agrarproduktion. „Das veränderte alles. Wir wussten von heute auf morgen nicht, wie es weitergeht“, schildert Vogel die damalige Situation.
Während viele LPG-Anlagen kurz nach dem Mauerfall liquidiert wurden oder in Konkurs gingen, schaffte es Andreas Vogel zusammen mit anderen Führungskräften den Betrieb am Laufen zu halten. Dafür gründeten sie gemeinsam mit den ehemaligen Anteilseignern der LPG eine Nachfolgegenossenschaft. „Der Übergang war sehr schwer, da viele unserer besten Mitarbeiter in den Westen abwanderten“, blickt der Landwirt zurück.
Allzu lange sollte die neue Genossenschaft nicht Bestand haben. Immer mehr Mitglieder wollten das finanzielle Risiko nicht mehr tragen oder gingen in Rente. Am Ende waren nur noch Vogel und sechs weitere Eigner übrig und die Genossenschaft wurde in eine GmbH umgewandelt.
Der größte Einschnitt folgte im Jahr 1998, als sich die Unternehmer dazu entschieden, einen Stall für gut 2500 Mastschweine zu bauen. Ziel war es damals, die eigenen Ferkel komplett selbst zu mästen. „Das war der richtige Schritt – nur zur falschen Zeit“, resümiert Vogel heute.
Denn kurz darauf rauschten die Erzeugerpreise in den Keller. Am Ende wollten sich auch die verbliebenen Gesellschafter aus dem Unternehmen zurückziehen. Er wollte dagegen weitermachen. „So bin ich letztlich eher ungeplant selbstständig geworden“, schmunzelt Andreas Vogel.
Die Entscheidung hat der 56-Jährige nicht bereut. Heute betreibt er auf gut 1200 ha ökologischen Ackerbau und auch der Schweinehaltung ist er treu geblieben. Die Ferkelproduktion wurde allerdings aufgegeben. „Die alte Sauenanlage und der Ferkelaufzuchtstall aus DDR-Zeiten entsprachen nicht mehr den Ansprüchen einer modernen Tierhaltung“, erzählt der Betriebsleiter. Um in der Tierhaltung dennoch einen zweiten Angestellten auszulasten und Arbeitsspitzen und Urlaubsvertretungen besser organisieren zu können, entschied sich Vogel 2013, einen zweiten Maststall mit gut 2100 Plätzen zu bauen.
Gegenwind beim Stallbau
Als das Antragsverfahren aufgrund der angestrebten Tierplatzzahlen unter Beteiligung der Öffentlichkeit anlief, brach über den Landwirt ein regelrechter Sturm ein. Gegen seine Wachstumsbestrebungen formierte sich sogar eine Bürgerinitiative. In vielen Gesprächsrunden versuchte er deutlich zu machen, dass der neue Stall für die Wettbewerbsfähigkeit seines Betriebes wichtig ist und er auf mehr Tierwohl setzen will. „Ich habe versucht, offen mit den Bedenken der Kritiker umzugehen. Doch als einige Mitglieder der Bürgerinitiative sehr persönliche Kampagnen gegen mich fuhren, war eine Grenze überschritten“, blickt Vogel nur ungern auf diese Zeit zurück.
Der Agraringenieur hielt trotz dieser Widrigkeiten an seinen Bauplänen fest und als von der Genehmigungsbehörde keine Einwendungen kamen, wurde Mitte 2014 mit dem Stallbau begonnen. Im darauffolgenden Sommer wurden die ersten Tiere aufgestallt.
Die „Kräuterschwein“-Marke
Trotz des glücklichen Ausganges hinterließen die heftigen Reaktionen auf seinen Stallbau Spuren bei dem Saalower. „Ich stehe voll hinter der konventionellen Haltung. Doch wir müssen sie weiterentwickeln. Für die Tiere, für mehr gesellschaftliche Akzeptanz und für unsere eigene Wertschöpfung“, erklärt der Schweinemäster.
Ihm war von Anfang an klar, dass sich eine Haltung über den Standard hinaus nur durch eine gesonderte Vermarktung finanzieren lässt. Und genau an dieser Stelle kommt eine Idee ins Spiel, die ihm bereits vor über 20 Jahren kam – das „Saalower Kräuterschwein“.
Damals war gerade der erste große Maststall in Produktion gegangen, als der Eigenmischer frisch geerntetes Getreide einlagern wollte. Die Unkrautbekämpfung war in dem Anbaujahr schwierig und das Getreide wies einen hohen Fremdbesatz auf. „Wenn die Schweine früher viel Getreide fraßen, nannten wir sie Getreideschweine. Als ich mir diese Ernte anschaute, sagte ich spontan zu meinem Mitarbeiter, dass Kräuterschweine besser passen würden“, erzählt Vogel.
Der Name blieb ihm im Kopf hängen und er ließ sich kurzerhand beim Patentamt die Wort- und Bildmarken für das „Saalower Kräuterschwein“ schützen. Als erstes Logo entwickelte er ein gezeichnetes Schwein mit einer Blume in der Schnauze. Danach dümpelte die „Kräuterschwein“-Idee aber lange vor sich hin, bis er sie vor einigen Jahren wieder aus der Schublade holte.
GVO-freies Futter
Zentrales Element seiner heutigen „Kräuterschwein“-Vermarktung ist die besondere Fütterung. Bewusst Getreide mit hohem Fremdbesatz zu verfüttern ist auch aus tiergesundheitlichen Gründen kein Ansatz. „Wir nehmen zwar gerne Getreide an, welches begrenzt Samen und Pflanzenreste von Korn- und Mohnblumen oder Kamille enthält. Die eigentliche Kräuterkomponente bringt aber ein Futterzusatz von der Firma Vilofoss in die Ration“, erklärt Andreas Vogel.
Dieser wird dem Futter mit circa 0,25% beigemischt und enthält neben verschiedenen Kräuterextrakten auch ätherische Öle. Vogel sieht den Einsatz dieses Futterzusatzes nicht als reinen Marketinggag. „Der Zusatz regt den Appetit an und fördert den Stoffwechsel der Tiere. Letzteres sorgt für eine bessere Nährstoffverwertung und hohe Leistungen“, so Vogel. Seine Tiere kommen auf eine Futterverwertung von 1:2,67 und die Tageszunahmen liegen bei gut 900 g. Außerdem verbessern die zugesetzten Futteraromen die Stallluft.
Diese positiven Effekte haben ihn dazu bestärkt, noch einen Schritt weiterzugehen. Für rund 7000 € hat der Betriebsleiter Heuraufen gekauft und diese auf die Abtrennungen der Kleingruppenbuchten geschraubt. Darin bietet er den Schweinen jetzt täglich frisches Luzerne- und Wiesenheu aus eigenem Anbau an.
Abgerundet wird Vogels besonderes Fütterungskonzept dadurch, dass er ausschließlich Getreide von den eigenen Flächen und von Nachbarbetrieben einsetzt. Außerdem achtet er bei den Komponenten Soja, Raps und Erbsen, die er überregional einkaufen muss, auf die GVO-Freiheit. „Das entspricht meiner Überzeugung als Öko-Ackerbauer und lässt sich auch sehr gut dem Endkunden als Mehrwert verkaufen“, erklärt der Ostdeutsche.
Bald 100% Langschwänze
Vogels Schweinehaltung hebt sich auch an anderen Stellen vom Standard ab. So macht er bereits seit Jahren bei der Initiative Tierwohl mit. Seine Tiere erhalten 10% mehr Platz, organisches Beschäftigungsmaterial und saufen aus offenen Wasserstellen. Dafür erhält der Landwirt vier Cent pro kg Schlachtgewicht.
Darüber hinaus hat er vor einem Jahr mit der Haltung unkupierter Tiere begonnen. Im engen Austausch mit seinem Ferkelerzeuger aus dem rund 20 km entfernten Machnow liegt seine „Langschwanz-Quote“ fast bei 100%. Diesen Erfolg schreibt er vor allem der ausgefeilten Fütterungsstrategie und der hohen Tiergesundheit zu. „Wir setzen seit Jahren Antibiotika nur noch ganz sporadisch beim Einzeltier ein“, erklärt der Agraringenieur.
Kooperation mit Metzger
Die aufwendige Haltung hat allerdings ihren Preis. Allein die Mehrkosten für die GVO-freie Fütterung beziffert Vogel auf über 5 € pro Schwein. Weil er diese Kosten im anonymen Massenmarkt nicht reingespielt bekommt, ist der 56-Jährige bereits vor über 16 Jahren eine Kooperation mit der Metzgerei Lehmann aus dem Nachbarort Trebbin eingegangen. „Wer sein Schweinefleisch besonders vermarkten möchte, braucht einen Partner, der voll auf Qualität und Regionalität setzt“, ist Vogel überzeugt.
Jede Woche holt der Metzger rund 100 Schweine ab. Da sich die frühere JSR- und jetzt Genesus-Genetik durch hohe Magerfleischanteile auszeichnet, kann Vogel die Tiere ohne Probleme etwas schwerer mästen. Das durchschnittliche Verkaufsgewicht liegt bei ca. 130 kg. Geschlachtet bzw. zerlegt werden diese in der eigenen Schlachterei, wodurch lange Transportwege entfallen.
Neben dem Direktvertrieb in den zwei eigenen Filialen werden mehrere Fleischereien in der Umgebung beliefert. Die Nachfrage ist da, weil viele Metzger nicht mehr selber schlachten, aber trotzdem Fleisch aus der Region anbieten wollen. Auch in einigen Fleischtheken inhabergeführter Supermärkte ist das Fleisch der Kräuterschweine zu finden. „Weil es ein paar Cent teurer ist als die Standardware, kommt es darauf an, dass den Kunden der Mehrwert vermittelt wird“, so Vogel. Deswegen ist er regelmäßig unterwegs, um das Verkaufspersonal mit Informationen aus erster Hand zu versorgen.
Einer der wichtigsten Kunden der Käuterschwein-Kooperation ist die Havellandexpress Frischdienst GmbH aus Berlin. Das Unternehmen beliefert viele Spitzengastronomen in der Hauptstadt mit Lebensmitteln, darunter auch Fleisch vom Saalower Kräuterschwein. 30 € mehr pro Schwein
„Wir profitieren natürlich davon, dass mit Berlin ein großer Markt mit zahlungskräftigen Abnehmern direkt vor der Tür liegt“, so der Schweinemäster. So verkauft er derzeit die Hälfte seiner jährlich gut 10000 Schweine an die Metzgerei. Dabei erlöst er ungefähr 30 € mehr pro Tier als in der herkömmlichen Vermarktung. Die restlichen Tiere werden zu den marktüblichen Preisen zum Tönnies-Schlachthof Weißenfels geliefert.
Mittelfristig möchte Vogel alle seine Schweine unter der Kräuterschwein-Marke verkaufen. „Das ist auch für die Wirtschaftlichkeit sehr wichtig. Denn um gegenüber den Kunden glaubhaft zu wirken, füttere ich aktuell alle meine Mastschweine gentechnikfrei und mit Kräutermixen. Das bekomme ich aber nur für die Hälfte des Bestandes bezahlt“, gibt der Unternehmer zu bedenken.
Das Potenzial dafür sieht er auf jeden Fall. Deshalb will er jetzt das Marketing in Form von Werbebannern, Flyern und im Internet ausbauen. Zusätzlich zu seiner Homepage www.saalower-kraeuterschwein.de, lässt Vogel gerade einen Onlineshop entwickeln. So sollen die Kunden in naher Zukunft das Fleisch der Kräuterschweine per Mausklick kaufen können.
Fazit
Andreas Vogel bewirtschaftet einen ehemaligen LPG-Betrieb mit knapp 3600 Mastschweinen. Als Reaktion auf die Proteste gegen seinen Stallbau hat er die Erzeugung auf mehr Tierwohl ausgerichtet.
Neben den Kriterien, die er als ITW-Betrieb einhalten muss, mästet Vogel fast ausschließlich unkupierte Tiere. Außerdem verfüttert er einen besonderen Kräutermix und Heu.
Unter der Marke „Saalower Kräuterschwein“ vermarktet er die Hälfte seiner Schlachtschweine an einen Metzger in der Region. Der Mehrerlös liegt bei rund 30 € pro Tier.