Die Schlaitzer Tierzucht GmbH setzt seit Anfang 2020 auf wachstumsbetonte Endprodukteber. Das erleichtert den Umgang mit den Tieren und bringt rund 100 g mehr Tageszunahme.
Fred Schnippe, SUS
Wir hatten immer wieder Druck, weil unsere Mastanlage die anfallenden Ferkel nicht schnell genug aufnehmen konnte. Deshalb suchten wir einen Endprodukteber, der mehr Zunah- me bringt,“ schildert Albert Willemsen. Der aus den Niederlanden stammende Betriebsleiter bewirtschaftet in Sachsen und Sachsen-Anhalt mehrere Betriebe mit Sauen und Mast.
2150 Sauen plus Mast
Am Stammbetrieb in Schlaitz bei Bitterfeld stehen 1600 Topigs-Sauen (TN 70), die Mastferkel erzeugen. Hinzu kommen 200 Reinzuchtsauen zur Nachzucht. Zu- dem umfasst der Standort 5000 Aufzuchtplätze. Von dort werden die Tiere verkauft. Die übrigen Ferkel aus Schlaitz bringt Willemsen direkt nach dem Absetzen in seine Mastanlage im knapp 50 km entfernten Langenreichenbach. Dieser Standort umfasst 4000 Aufzucht- und 8000 Mastplätze.
Zum Unternehmen gehören zudem ein 350er-Sauenbetrieb mit Mast, eine Biogasanlage sowie ein Pferdebetrieb. Die Gülle aus dem Stammbetrieb kann Willemsen auf seinen 450 ha Acker- und 250 ha Grünland verwerten. Um die Schweine im Stammbetrieb kümmern sich elf Mitarbeiter und zwei Azubis. Insgesamt beschäftigt der Betrieb 32 Mitarbeiter. „Unsere Tierbetreuer kommen alle aus der Region und sprechen deutsch“, stellt Willemsen heraus.
Seit Anfang dieses Jahres werden die Sauen in Schlaitz mit dem Tempo-Eber von Topigs besamt. „Zuvor haben wir den wachstumsbetonten Eber knapp ein Jahr in unserer kleineren Sauenanlage getestet“, schildert der Praktiker.
Besonders wichtig ist dem Betrieb, dass die Tiere auch bei hohen Außentemperaturen weiter gut fressen. Denn während der heißen Sommer der letzten Jahre hatte Albert Willemsen wiederholt Probleme, dass die Piétrain-Tiere langsamer gewachsen sind. So kam es in den Hitzeperioden vermehrt zu Engpässen in seinen Mastbetrieben.
Zunahmen kräftig gesteigert
Mit dem Wechsel zum wachstumsbetonten Endprodukteber hat sich die Mastdauer spürbar verkürzt. So erzielten die Piétrain-Nachkommen früher Tageszunahmen von rund 800 g. Hingegen liegen die Nachkommen des Tempo-Ebers im Mittel bei rund 900 g Tageszunahmen. „Vor allem bei Hitze fressen die Tiere jetzt besser durch. Oft können wir die Mastabteile gut zehn Tage eher räumen als früher“, schildert Willemsen.
Die verbesserten Wachstumsleistungen wirken sich auch positiv auf die Futterverwertung aus. So erzielte der Betrieb mit seiner früheren Genetik im Schnitt eine Futterverwertung von 1:2,86. Mit dem wachstumsbetonten Eber hat sich der Futterbedarf je kg Zuwachs um rund 0,2 Punkte verbessert. „Wir sparen pro Tier rund 18 kg bzw. im ganzen Unternehmen pro Jahr mehr als 500 t Futter“, rechnet Willemsen vor.
Der Betrieb hat auch beobachtet, dass die Masttiere seit der Umstellung der Genetik ruhiger sind. So treten Probleme mit Schwanzbeißen seltener auf. Für Albert Willemsen ist dieser Punkt sehr wichtig, da er mit 1% seiner Tiere Erfahrung zum Kupierverzicht sammelt. Die Vitalität und Ruhe der wüchsigen Ferkel spiegelt sich auch in den Verlusten wieder. Diese sind nach der Umstellung der Genetik von rund 3 auf 2% gesunken.
Leichte Einbußen am Haken
Erwartungsgemäß schneiden die Tiere am Haken etwas schlechter ab. „Wichtig ist, dass Tiere nicht zu schwer und gut sortiert sind“, stellt Eric Salmans von Topigs Norsvin heraus. Bei der AutoFOM-Vermarktung am Schlachthof Weißenfels erzielte die Schlaitzer Tierzucht bei den letzten Partien gut 0,97 Indexpunkte pro kg SG. Dabei ist zu beachten, dass die SG teils über 100 kg lagen, weil es im Schlachtunternehmen wegen Corona zu Verzögerungen kam. „Bei üblichen Gewichten liegen die Indexpunkte meist beim Schlachthof-Mittel“, so Martin Schlüter von Topigs Norsvin. Der Berater wertet die Schlachtdaten regelmäßig aus.
Im Vergleich zu den Piétrains ist der Schlachterlös bei aktuellen Marktverhältnissen rund 3,50 € pro Tier niedriger. „Das nehme ich gern in Kauf, weil wir jetzt deutlich schneller und ruhiger durch die Mast kommen“, betont der Landwirt.
Hoher gesundheitsstatus
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist für die Schlaitzer Tierzucht der hohe Gesundheitsstatus. So ist der Betrieb frei von PRRS und Mykoplasmen. Und bei den Ferkeln ist lediglich eine Schutzimpfung gegen Circoviren notwendig. Zu Gute kommt dem Standort dabei, dass es im Umkreis von 12 km keine weiteren Schweine gibt.
Um den hohen Gesundheitsstatus zu halten, setzt der Betrieb auf strikte Hygiene. Wichtigste Maßnahme ist die Eigenremontierung. „2007 haben wir die Sauenherde ausgetauscht. Seither kommt kein fremdes Tier mehr in die Anlage. Dies hat uns in Sachen Gesundheit am meisten gebracht“, betont Willemsen.
Mit seiner 200er-Kernherde erzeugt der Betrieb im Jahr etwa 1300 weibliche F1-Nachkommen. „Nach der Selektion bleiben rund 900 zuchtfähige Jungsauen. Dies reicht bei 45% Remontierung, um beide Sauenanlagen des Unternehmens mit Jungtieren zu beschicken“, erklärt Eric Salmans von Topigs Norsvin.
Um die Risiken des innerbetrieblichen Tierverkehrs zu minimieren, nutzt der Landwirt einen eigenen Transport-LKW. Beim Tierverkauf hat der Betrieb vereinbart, dass der Spediteur die Anlage morgens als ersten Termin anfährt.
Strikte Abschottung
Auch der Personenverkehr ist strikt geregelt. So ist der gesamte Stall eingezäunt. Besucher gelangen erst nach Anmeldung in die Anlage. Das Tor ist Kamera-überwacht und wird vom Büro aus geöffnet.
Betriebsfremde Personen müssen 48 Stunden schweinefrei sein und vor dem Betreten der Ställe einduschen. „Wir haben den Sanitärbereich großzügig, sauber und komplett mit Fußbodenheizung ausgestattet. Nur so werden die Duschen effektiv genutzt“, weiß der Betriebsleiter.Die strikten Hygieneregeln gelten auch für den Hoftierarzt. Albert Willemsen hat mit dem Veterinär vereinbart, dass er jeweils montagsfrüh als erster Termin zum Bestandsdurchgang in die Anlage kommt. Die einzelnen Stallbereiche bzw. Standorte werden dann nach einem festen Plan von den Sauen über die Ferkelaufzucht bis zur Mast abgearbeitet.
Ferment für junge Ferkel
Zum Gesundheitsprogramm gehört auch ein spezielles Fütterungskonzept für die jungen Ferkel. So bietet die Anlage in der letzten Woche vor dem Absetzen sowie in der ersten Woche in der Ferkelaufzucht zusätzlich flüssiges Fermentfutter in Schalen an. Dies soll Durchfälle vermeiden und die Tiere leichter durch die kritische Absetzphase bringen.
Das Fermentfutter stellt eine kleine Fütterungsanlage täglich frisch her. Basis ist ein Granulat mit konzentrierten Kulturen aus Milchsäurebakterien. „Wir mussten uns zunächst an die optimale Herstellung des Fermentfutters herantasten. Inzwischen ist das Ferment ein wichtiger Baustein für den soliden Start in die Aufzucht“, schildert der Landwirt.
Um zu kontrollieren, wie sich die Ferkel in der Aufzucht entwickeln, hat der Betrieb in einer Bucht eine automatische Tierwaage aufgestellt. Die Ferkel können die nur wenige Zentimeter hohe Waage frei betreten. Aufgrund des Spieltriebs werden mehrere Hundert auswertbare Tiergewichte pro Tag erfasst. So lässt sich früh erkennen, wenn das Wachstum z.B. wegen gesundheitlicher Probleme oder bei einem Futterwechsel stockt.
Ferkelbucht mit waage
Die Waage zeigt auch eindrucksvoll, den Vorteil des wachstumsbetonten Endproduktebers in der Aufzucht. So entwickeln sich die Nachkommen des Tempo-Ebers vor allem ab ihrem 40. Lebenstag schneller als die Piétraintiere. Am 60. Lebenstag hatten die Tempo-Tiere in einer längerfristigen Auswertung bereits einen Vorsprung von rund 5 kg Lebendgewicht erzielt.
Auch bei den Sauen strebt Albert Willemsen hohe Leistungen an. Dabei musste er insbesondere im Deckzentrum große Herausforderungen meistern. So forderten die Behörden nach dem Magdeburger Urteil u.a. mehr Platz in den Kastenständen. Die Schlaitzer mussten ihr Deckzentrum mehrfach umbauen.
Nur sieben tage fixiert
Die Anlage hat die Fixierung im Deckbereich stark verkürzt. Nach dem Absetzen kommen die Sauen für 36 Stunden in eine großzügige Arena, wo sich eine erste Rangordnung bilden kann. Dann stehen die Sauen für die Besamung sieben Tage lang in Selbstfangkastenständen.
Nach Abschluss der Besamung kommen die Sauen für drei Wochen in spezielle Buchten für die Gruppenhaltung. Hier haben sie viel Platz. Zudem werden die 80er-Absetzgruppen anhand von Rückspeckmessungen in vier Konditionsklassen aufgeteilt. Dazu Willemsen: „Die Sauen müssen nach Kondition bzw. Gewicht in kleine Gruppen unterteilt werden. Sonst leiden die Ferkelzahlen.“
In der letzten Woche im großzügigen Gruppenhaltungsstall erfolgt die Um- rauschkontrolle. Hierzu gehen die Tierbetreuer durch die Buchten und suchen rauschige Tiere durch Abtasten. Erfolgreich besamte Sauen kommen in die Gruppenhaltung an der Abrufstation.
Die Schlaitzer Tierzucht hat eine Weile gebraucht, um den Umgang mit der kurzen Fixierung zu optimieren und hat hierbei auch Lehrgeld bezahlt. Inzwischen hat sich das Konzept für die abgesetzten Sauen etabliert. Im letzten Jahr wurden 90,8% Abferkelrate erzielt und 31,5 Ferkel pro Sau und Jahr abgesetzt.
stabile gesundheit sichern
Wesentlich höhere Ferkelzahlen strebt der Betriebsleiter derzeit nicht an. Wichtig ist ihm vielmehr, dass er den hohen Gesundheitsstatus seiner Herde bis hin zur Mast sichern kann. „Hochgesunde Tiere ermöglichen eine kostengünstige Produktion. Das ist unsere Stärke, um die schwere Zeit für die Schweinehaltung zu meistern“, resümiert Albert Willemsen.