In einer festen Kette zeigten PCV2-geimpfte Mastläufer plötzlich Circosymptome. Weitere Atemwegserreger hatten die Impffähigkeit der Ferkel stark beeinträchtigt.
Thomas Kornhoff, Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Dümmerland
Die Impfung gegen Circoviren (PCV2) erreicht in den meisten Fällen eine hohe Wirksamkeit. Die Ferkel werden in der Säuge- oder frühen Aufzuchtphase geimpft und sind in der Regel bis zum Ende der Mast zuverlässig geschützt.
In einer festen Produktionskette in Niedersachsen mit insgesamt 1700 Sauen traten bei PCV2-geimpften Tieren dennoch Probleme in der ersten Mastphase auf, die auf eine Circoinfektion deuteten. Im Frühjahr 2020 zeigten die Tiere das PMWS-Syndrom, das mit Kümmern, pumpender Atmung, erhöhten Verlusten, Blässe und vergrößerten Lymphknoten einherging. PMWS ist das häufigste Krankheitsbild bei Circoinfektionen.
Über den Sommer und Herbst besserte sich das Geschehen zunächst wieder. Doch im Winter 2020 klagten die Mastbetriebe erneut über PMWS-Probleme. Einige Tiere zeigten auch PDNS-Symptome mit den typischen dunkelroten Hautflecken im Flankenbereich. Zusätzlich litten stark erkrankte Mastläufer unter Durchfällen. Die Symptome begannen zwei Wochen nach dem Einstallen,. Rund 10% der Tiere waren betroffen.
Die Hoftierärzte der Mäster veranlassten daher in Abstimmung mit dem Veterinär des Ferkelerzeugers eine umfangreiche Diagnostik, die zunächst auf einen der Mastbetriebe fokussierte. Von den erkrankten Mastläufern wurden Gewebeproben aus der Lunge sowie Lymphknoten im Labor untersucht.
Hohe Viruslast
Die PCR-Analyse erbrachte einen positiven Nachweis auf Circoviren. Über die Sequenzierung ließ sich der Subtyp PCV2d festmachen. Auffallend war die hohe Viruslast mit CT-Werten von 4,2 bis 6,3. Stutzig machte zudem der PCV2-Nachweis in den Lymphknoten, der bei geimpften Ferkeln unüblich ist.
Die Untersuchung erkrankter Ferkel im zweiten Mastbetrieb bestätigte die Ergebnisse. Hier wurde eine noch höhere Viruslast nachgewiesen. Der zweite Mastbetrieb erhält seine Ferkel aus dem Aufzuchtstall, der aus einer hochgesunden Sauenanlage bestückt wird. Dass zeitgleich in zwei Sauenanlagen Fehler bei der Applikation auftraten, ist unwahrscheinlich. Der hohe Gesundheitsstatus allein hilft noch nicht.
Im nächsten Schritt weiteten die Tierärzte die Diagnostik auf die Ferkelaufzucht aus. Von den zehn Wochen alten Ferkeln wurden Blutproben entnommen und in 5er-Pools zusammengeführt.
Influenza nachgewiesen
Trotz mehrfacher Wiederholung ließ sich das Circovirus in der Ferkelaufzucht nicht nachweisen. Bei einigen Blutproben zeigte sich ein Virusnachweis auf PRRS. Allerdings waren in der Produktionskette schon früher positive PRRS-Blutproben aufgetreten, ohne dass klinische Symptome auftraten. Diesen Punkt stellten die Veterinäre daher zunächst zurück.
Aufhorchen ließ hingegen der Nachweis der Influenza in der Ferkelaufzucht. Der Atemwegserreger ließ sich bei Lungenproben von Sektionstieren mittels PCR-Analyse festmachen. An dieser Stelle standen drei Fragen im Raum:
- Ist die Applikation des Circoimpfstoffes korrekt? Dies wurde umgehend kritisch überprüft. Hier zeigten sich keine Auffälligkeiten.
- Treten Coinfektionen von PCV2 und PRRS auf?
- Wie ist die Impffähigkeit? Diese Frage liegt nahe, da die Ferkel beim Impfen am Absatztag weiterem Stress unterliegen.
Die Hoftierärzte beschlossen, die Impffähigkeit und das Krankheitsgeschehen um die Absetzphase näher zu beleuchten. Hierzu dehnten sie die Diagnostik auf die Saugferkel aus. Dort erfolgten Hodensaftscreenings und die Analyse von Blutproben und Nasentupfern. Hiermit ließen sich aber weder PCV2- noch PRRS-Erreger nachweisen. Hingegen brachte die PCR-Analyse von Nasentupfern bei den Saugferkeln den Nachweis von Influenza vom Typ A.
Ferkel früh infiziert
Daraufhin wurde das Influenzageschehen auch in der Ferkelaufzucht näher beleuchtet. Hierzu ließ der Betrieb am dritten und siebten Tag nach dem Absetzen Kaustrickproben aus verschiedenen Aufzuchtbuchten untersuchen. Ergebnis: Bereits am dritten Tag nach dem Absetzen war eine Infektion mit Influenza eindeutig nachweisbar. Die Sequenzierung zeigte den Subtyp H1/N2.
Auffallend war, dass auch Ferkel aus der serologisch negativen Sauenherde betroffen waren, da hier noch nie Influenza gefunden wurde. Dies spricht für den hohen Influenzadruck in der Ferkelaufzucht. Wobei es möglicherweise zu einer Verschleppung zwischen den beiden rund 300 m entfernten Aufzuchteinheiten gekommen war.
Trotz des Influenzanachweises zeigten die Ferkel während der frühen Aufzuchtphase keine typischen Symptome wie Husten oder Nasenausfluss. Nur Einzeltiere hatten kurzfristig Fieber mit Temperaturen von bis zu 39,8°C.
Die umfangreiche Diagnostik ließ folgende Schlussfolgerung zu: Durch die frühe Infektion mit dem Influenzavirus im Abferkelstall bzw. den ersten Tagen der Aufzucht scheint die Wirkung der Circoimpfung am Absetztag herabgesetzt zu sein. Die verminderte Impffähigkeit lässt sich damit erklären, dass durch die Influenzainfektion wichtige Botenstoffe im Immunsystem bereits fokussiert sind. Die Impffähigkeit der Tiere war somit herabgesetzt.
Start der Sauenimpfung
Als Gegenmaßnahme wurden im vergangenen Frühjahr mehrere Schritte eingeleitet. Der wichtigste ist die Impfung der Sauen gegen Influenza. Der Betrieb startete mit einer Bestandsimpfung und stellte nach sechs Wochen auf eine reproduktionsbezogene Impfung um. Die Jungsauen sind in das Impfkonzept einbezogen.
Hingegen blieb die hochgesunde Sauenherde abseits der Aufzuchtstandorte auch aus Kostengründen bei der neuen Impfung außen vor. In Abwägung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses entschied sich der Betrieb auch gegen eine Influenzaimpfung bei den Ferkeln.
PCV2-Impfung jetzt früher
Der zweite wichtige Schritt ist das Vorziehen der PCV2-Impfung um sieben Tage vor den Absetztermin. Hierdurch müssen die Tiere zwar einmal mehr aufgenommen werden. Doch die Trennung von Absetzen und Impfung erleichtert den Aufbau des Immunschutzes. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass die Ferkel in dieser Phase noch durch die maternalen Antikörper gegen Influenza geschützt sind. In der Übergangsphase, bis die ersten Tiere von geimpften Sauen abgesetzt wurden, erhielten die Ferkel eine zweite PCV-2 Impfung.
Zudem hat der Betrieb die Biosicherheit in der Ferkelaufzucht verbessert. Der Fokus liegt auf der strikten Trennung des Personals zwischen den beiden Aufzuchtställen. Im Laufe dieses Jahres will der Landwirt eine Aufzuchteinheit leerfahren, reinigen und desinfizieren. Hiermit will er die wiederkehrenden Influenzanachweise in den Griff bekommen.
Mit diesem Maßnahmenpaket hat sich die Tiergesundheit wieder stabilisiert. So tritt das Kernproblem der Circodurchbrüche in der Mast nicht mehr auf. Und in der ersten Hälfte der Aufzucht sind keine Influenzaerreger mehr nachweisbar. In der Ferkelaufzucht wird das hohe Zunahmeniveau von 480 g pro Tag wieder erreicht. Auch die Verlustquote ist mit 2 bis 4% angesichts der früh abgesetzten Ferkel als niedrig einzustufen.
Um die hohen Leistungen abzusichern, wird der Betrieb die Influenzaimpfung bei den Sauen fortführen. Wobei die Fokussierung auf die Sauen in der Nähe zur Ferkelaufzucht als kostenoptimierte Strategie zu bewerten ist.