Der dänische Betrieb Larsen kastriert seit Mitte 2018 mit lokaler Betäubung. Wie reagieren die Ferkel? Was lässt sich verbessern?
Fred Schnippe, SUS
Wir produzieren für den englischen Markt. Seite Mitte 2018 müssen wir daher mit lokaler Betäubung kastrieren“, erklärt Zhanna Ostapchuk. Die ukrainische Tierärztin ist im dänischen Betrieb von Frans Larsen für die Sauen verantwortlich.
Der 2007 neu gebaute Betrieb hält in Skjern, südwestlich von Herning rund 800 Sauen plus Mast. Da Larsen mit seinem Schlachthof einen Vertrag für den Export nach England hat, musste er als einer der ersten Dänen die Lokalbetäubung starten. Seit 2019 ist dies für alle dänischen Ferkelerzeuger Pflicht.
Schulung mit Hoftierarzt
Das Rüstzeug für die Lokalbetäubung erhalten die dänischen Landwirte von ihrem Hoftierarzt. So hat Kopenhagen Fachtierärzte für das Unterrichten ihrer Kundenbetriebe zertifiziert. Die mehrstündige Schulung umfasst die Theorie zur Anwendung und rechtlichen Fragen zur Lokalanästhesie.
Dann folgen praktische Übungen im Stall. „Die Schulung vor Ort ist hilfreich, da ich mit der Lokalanästhesie auch die Arbeitsabläufe neu strukturieren musste“, erklärt Zhanna Ostapchuk. Die Tierärztin kastriert die Ferkel am dritten Lebenstag. Der erste Schritt ist die Gabe eines Schmerzmittels an alle Ferkel. Auch die weiblichen Ferkel erhalten das Präparat, um Schmerzen beim Schwänzekürzen zu vermeiden.
Etwa 30 Minuten nach der Schmerzmittelgabe setzt Ostapchuk die Ferkel eines Wurfes getrennt nach Geschlecht in Kisten auf dem Behandlungswagen. Dann beginnt sie mit der Gabe des Lokalanästhetikums. Hierzu kommen die Ferkel in den Kastrationsbock. Die Landwirtin appliziert je 0,2 ml des Anästhetikums Procamidor (Procain) in die Hoden. Hierzu nutzt sie eine sehr feine Nadel mit 0,5 x 16 mm Größe.
Injektion mit Feingefühl
Bei der Injektion zieht die Tierärztin die Kanüle langsam zurück, damit sich das Betäubungsmittel gleichmäßig verteilt. „Für die Injektion muss das Ferkel ganz ruhig sein und ich muss voll konzentriert sein. Ich mache die Arbeit daher bewusst allein“, betont die Praktikerin. Aufgrund der hohen Ansprüche ist die Applikation des Anästhetikums auch einer der Schwerpunkte in der Schulung.
Um die Wartezeit bis zur Wirkung des Lokalanästhetikums zu überbrücken, kümmert sich Ostapchuk dann um die weiblichen Ferkel des Wurfes. Sie kürzt die Schwänze, verabreicht das Eisenpräparat und gibt ein orales Mittel zur Vorbeuge von Durchfall. Nach fünf Minuten kann die Kastration beginnen. Dies hat der schulende Hoftierarzt als Mindest-Wartezeit festgesetzt.
Zur Kastration öffnet die Tierärztin den Hodensack mit zwei kleinen Schnitten und trennt die Hoden vorsichtig ab. „Man sollte die Hoden so kurz wie möglich herausziehen. Denn gerade das Ziehen und Trennen des Samenleiters schmerzt“, unterstreicht die Sauenexpertin.
Tierschutz verbessert?
Ob die Ferkel durch die Betäubung weniger Schmerz empfinden, kann die Praktikerin schwer beurteilen. So sind manche Tiere während der Kastration ruhig. Andere zappeln und schreien bereits, wenn sie auf dem Rücken in den Kastrationsbock kommen. Allein die Rückenlage löst bei vielen Ferkeln starke Abwehrrekationen aus.
Zhanna Ostapchuk wünscht sich daher Studien, welche die Wirkung der lokalen Betäubung näher beleuchten. So ist sich die Tierbetreuerin bewusst, dass allein die Gabe des Betäubungsmittels zusätzlichen Stress für die Ferkel bringt. „Nur mit wissenschaftlichen Studien können wir zeigen, dass die neue Kastrationsweise den Tierschutz verbessert“, betont die Tierärztin.
Zhanna Ostapchuk denkt, dass die Betäubung zumindest den Schmerz nach der Kastration lindert. So zeigen die Ferkel nicht mehr das typische Scheuern der Hautschnitte am Boden. Das vermindert das Infektionsrisiko. Auch gibt es bei den betäubten Ferkeln keine Einschränkungen beim nächsten Säugeakt oder erhöhte Verluste.
Zeitbedarf verdoppelt
Allerdings ist der Zeitaufwand für die Lokalanästhesie enorm. So hat der Betrieb früher für das Kastrieren, Schwänzekürzen und die Eisengabe rund fünf Minuten pro Wurf kalkuliert. Durch die Betäubung hat sich die Zeit mehr als verdoppelt. Zhanna Ostapchuk rechnet mit rund zwölf Minuten pro Wurf: „Vor allem das zusätzliche Aufnehmen und Fixieren der Ferkel und die Applikation in die Hoden sind zeitaufwendig.“ Dagegen fallen die Kosten für das Betäubungsmittel mit umgerechnet 10 Cent je Ferkel kaum ins Gewicht.
Neben der Mehrarbeit sieht die Praktikerin das Manko, dass sich die Lokalanästhesie schwer kontrollieren lässt. So müssen die Betriebe nur die tierärztlichen Abgabebelege des Betäubungsmittels vorweisen. Zudem ist die Lokal- anästhesie im Behandlungsbuch zu dokumentieren. „Hier besteht Verbesserungsbedarf. Die Betäubung wird nur zum Erfolg, wenn alle mitmachen“, resümiert Zhanna Ostapchuk.
Fazit
Der Däne Frans Larsen hat mehr als 6000 Ferkel mit Lokalbetäubung kas- triert. Die aus der Ukraine stammende Tierärztin Zhanna Ostapchuk führt die Behandlung durch. Ihre Erfahrung:
- Das Schulungskonzept durch den Hoftierarzt hat sich bewährt.
- Die Ferkel vertragen die Lokalanästhesie sehr gut.
- Ob die Betäubung wirkt, lässt sich im Praxiseinsatz schwer überprüfen.
- Mit der Lokalbetäubung dauert die Kastration mehr als doppelt so lang.