Ferkel mit vorgeburtlichen Wachstumsverzögerungen weisen häufig eine delfinähnliche Kopfform auf. Unter anderem über die Sauenfütterung kann gegengesteuert werden.
Dr. Svenja Sudeick, Hipra
Intrauterine Wachstumsverzögerungen bei Ferkeln sind bereits seit längerer Zeit als Problem in sauenhaltenden Betrieben bekannt. Deren Auswirkungen sollte nicht unterschätzt werden. Dadurch, dass der Fokus bei der Selektion von Jungsauen auf möglichst große Würfe gelegt wurde, hat sich die Problematik zusehends verstärkt. Sind die Beeinträchtigungen schwerwiegend, kommt es sogar zum embryonalen Frühtod oder zur Totgeburt.
Mangelernährung
Intrauterine Wachstumsverzögerungen oder Intrauterine Growth Restrictions (IUGR), wie sie fachlich auch genannt werden, beschreiben die Beeinträchtigung der Entwicklung der Ferkel während der Trächtigkeit. Diese wird maßgeblich von der Sau gesteuert.
Die Weitergabe der Nährstoffe, welche die Sau mit dem Futter oder mit dem Wasser aufnimmt, ist essenziell für die Versorgung der Ferkel im Uterus. Treten IUGR-Ferkel im Wurf auf, ist dies ein Hinweis auf eine Unterversorgung während der Trächtigkeit.
Bei der Versorgung der Ferkel übernimmt die Plazenta eine zentrale Rolle. Über sie wird das Ferkel in der Gebärmutter ernährt. Eine Mangelernährung kann einen irreversiblen Effekt haben und sich negativ auf die Stoffwechselvorgänge des Ferkels, den Darm und die Enzymsekretion auswirken. Viele dieser Ferkel schaffen es nicht, zu überleben.
Uterus: Platz limitiert
Der Platz in der Gebärmutter ist auch bei sehr fruchtbaren Sauen mit über 14 lebend geborenen Ferkeln pro Wurf limitiert. Die Anzahl der Ferkel mit einem geringen Geburtsgewicht ist daher höher als bei Würfen mit einer geringeren Ferkelanzahl. Bis zu 30% der Ferkel eines großen Wurfes können unter Umständen von einer intrauterinen Wachstumsverzögerung betroffen sein.
Oft kommt es zu einer Minderversorgung, weil ein Versorgungsgefäß abgeklemmt ist oder die Entwicklung der Versorgungsgefäße nicht adäquat stattgefunden hat. Auch kann es vorkommen, dass nicht genügend Nährstoffe vorhanden sind oder dass eine Infektion die Entwicklung beeinträchtigt hat.
Als Folge sind eine hohe Saugferkelsterblichkeit, geringere tägliche Zunahmen sowie eine schlechtere Futterver-wertung im Vergleich zu physiologisch normal entwickelten Ferkeln wirtschaftlich von Bedeutung. Zudem weisen die Schlachtkörper von IUGR-Ferkeln einen geringeren Magerfleisch- und höheren Körperfettanteil auf, sodass auch hier mit wirtschaftlichen Einbußen gerechnet werden muss.
IUGR-Status nach Kopfform
Die IUGR tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf. Anhand der Kopfform der Ferkel kann eine Einteilung vorgenommen werden. Hierbei werden normal entwickelte, geringgradig wachstumsverzögerte und hochgradig wachstumsverzögerte Ferkel differenziert. Zur Beurteilung können drei Kriterien herangezogen werden.
Hochgradig im Wachstum verzögerte Ferkel weisen im Vergleich zu normal entwickelten Ferkeln alle drei folgenden Charakteristika voll ausgeprägt auf:
- Delfinähnliche Kopfform,
- Vorgewölbte Augen,
- Falten senkrecht zum Mund (siehe Übersicht 1).
Hält man gezielt nach IUGR betroffenen Ferkeln Ausschau, so eignet sich dafür die Beurteilung der Kopfform als solches, aber auch die Proportion von Kopf und Körper zueinander. IUGR-Ferkel besitzen im Vergleich zum restlichen Körper einen überdimensional großen Kopf.
Anhand ihres geringen Körpergewichtes und ihres Verhaltens sind die Ferkel ebenfalls zu erkennen. Sie sind tendenziell weniger vital und zeigen ein reduziertes Such- und Säugeverhalten, was die Kolostrumaufnahme erschwert (Übersicht 2). Die Glukosereserven sind zudem begrenzt.
Extraportion Biestmilch
Vor allem die geringe Aufnahme von Kolostrum wirkt sich negativ auf den Gesundheitsstatus und die Überlebenschance der betroffenen Ferkel in den ersten fünf Tagen nach der Geburt aus.
Durch eine zusätzliche Kolostrumgabe, Ersatzmilch und hochenergiehaltige Ergänzungsfuttermittel, werden die IUGR-Ferkel gezielt unterstützt. Neben der Energie helfen die Zuführung von Wärme und die Minderung der Konkurrenz im Wurf. Für die Beurteilung, welche Ferkel intensiv versorgt werden müssen, eignet sich die Charakterisierung der Kopfform.
Die Versorgung von einzelnen Tieren ist immer mit einem enormen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden und wirtschaftlich auf Dauer nicht tragbar. Eine langfristige Lösung zur Vermeidung des gehäuften Auftretens von IUGR sollte das Ziel sein. Um präventiv agieren zu können, muss die Ursache für die Unterversorgung der Ferkel während der Tragezeit auf jedem Betrieb individuell ermittelt werden. Die Gründe hierfür sind häufig vielfältiger Natur und lassen sich nicht immer sofort eindeutig identifizieren.
Sauenfütterung überprüfen
Als Ursache für das Auftreten von intrauterin wachstumsverzögerten Ferkeln kommen mehrere Faktoren in Betracht. Die adäquate Versorgung der Sau und deren Gesundheitszustand sind dabei die Basis für eine bedarfsgerechte Versorgung der Ferkel über die Plazenta. Neben einer Erkrankung der Gebärmutter oder einer Dysfunktion der Plazenta sind fütterungsbedingte Ursachen oder Umwelteinflüsse, die auf die Sau einwirken, mögliche Ursachen für IUGR.
Bei der Fütterung sollte vor allem in zwei Zeiträumen auf eine adäquate Versorgung der Sauen geachtet werden:
- während der Einnistungsphase der Embryonen in der Frühträchtigkeit 12 bis 25 Tage nach der Besamung;
- um den 35. bis 75. Trächtigkeitstag.
Zu diesem Zeitpunkt finden Stoffwechselprozesse im Körper der Sau statt, die mit einem besonderen Bedarf der Aminosäuren Arginin, Leucin und Glutamin einhergehen. Stimmt die Versorgung, gelingt die Einnistung der Feten in der Gebärmutter, sodass sie sich entwickeln können.
Auch die Versorgung der Sauen während der Säugephase sollte bei der Ursachenfindung bei IUGR nicht außer Betracht gelassen werden. Ist der Bedarf nicht gedeckt, mobilisiert die Sau in der Säugephase Energie aus dem Rückenspeck. Eine Folge davon kann die reduzierte Entwicklung der Ferkel im nächsten Wurf sein.
Keine Infektionen und Stress
Ursache beim Vorliegen einer IUGR können beispielsweise auch Infektionen oder mütterliche Erkrankungen sein. Deshalb sind betriebsindividuelle Impfpläne in Absprache mit dem Hoftierarzt wichtig, die eine stabile Immunität der Sauen sowie der Ferkel über das Kolostrum sichern sollen. Auch sollten nur gesunde Jungsauen in die Muttertierherde eingegliedert werden. Inwieweit genetische Ursachen eine Rolle spielen, ist noch nicht genau geklärt. Zumindest kann über die Eberauswahl die Vitalität und Uniformität der Ferkel im Wurf gesteuert werden. Treten bei einer Sau wiederholt vorgeburtliche Wachstumsverzögerungen auf, sollte dieses Muttertier nicht erneut belegt werden.
Auch mögliche Umwelteinflüsse wie Hitze oder Kälte, schlechte Haltungsbedingungen und Stress können zu einer Beeinträchtigung der Entwicklung und somit zur IUGR führen. Vor allem im letzten Drittel der Trächtigkeit gilt es, mögliche Stressoren und Belastungen der Sau zu vermeiden, um die Ferkel zu schützen.
Fazit
Ferkel, die mit einer intrauterinen Wachstumsverzögerung geboren werden, haben schlechte Überlebenschancen. Sie erreichen auch später nicht die Endgewichte und Tageszunahmen, wie ihre normal entwickelten Wurfgeschwister.
Um einer intrauterinen Wachstumsverzögerung von Ferkeln entgegenzuwirken, muss eine adäquate Versorgung der Ferkel über die Plazenta sichergestellt sein. Der Gesundheitszustand der Sau steht dabei im Vordergrund.
Durch eine bedarfsgerechte Fütterung der Sauen und eine ausreichende Versorgung betroffener neugeborener Ferkel kann sowohl der embryonale Frühtod und die Totgeburtenrate minimiert als auch die Saugferkelsterblichkeit reduziert werden.