Ein Sauenbetrieb hatte massive Probleme mit Streptokokken. Eine gezielte Diagnostik und eine Bestandsvakzine brachten den Erfolg.
Regina Kröger und Ralf Stuhldreier, Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Büren
Der Tiergesundheit wird auf dem betroffenen Ferkelerzeugerbetrieb große Bedeutung beigemessen. Für die Herdenimmunität der 1000 Sauen wird ein umfangreiches Impfprogramm gefahren. Die zugekauften Jungsauen werden in einem separaten Quarantänestall gegen eine Reihe von Erregern grundimmunisiert. Nach der Integration in den Bestand erhalten diese Tiere und die Sauen zum zweiten Wurf zur Vermeidung von Saugferkeldurchfällen reproduktionsorientiert eine Impfung mit einer kommerziellen Mutterschutzvakzine.
Zusätzlich wird auf eine hohe Betriebshygiene geachtet. Von Vorteil ist hier, dass die Ferkelaufzucht auf einen separaten Standort ausgelagert und hygienisch getrennt von der Sauenherde bewirtschaftet wird. Die Läufer werden in langjährigen Lieferbeziehungen an regionale Mäster vermarktet. Die biologischen Leistungen liegen bei über 31 abgesetzten Ferkel pro Sau und Jahr.
4% Verluste in der Aufzucht
Trotz dieser guten Produktionsbedingungen erkannten wir im Zuge unserer tierärztlichen Bestandsbetreuung seit Jahresbeginn 2018 eine zunehmende Streptokokken-Problematik. Der Landwirt berichtete bereits von erhöhten Behandlungsintensitäten im Abferkelstall. Hier traten insbesondere in der zweiten Lebenswoche vermehrt Gelenksinfektionen auf.
Zudem kam es in der Aufzucht zu gehäuften Fällen von Hirnhautentzündungen bei Einzeltieren.Trotz vermehrter und zeitintensiver Kontrollen stieg die Verlustrate an. Partieweise lag sie in der Aufzucht bei über 4%. Es mussten mehr Jungtiere notgetötet oder als nicht marktkonforme Läufer abgegeben werden.
Parallel dazu erhöhte sich der Antibiotika-Einsatz. Sobald es in der ersten Absetzwoche zu übermäßigen Ausfällen kam, wurde eine siebentägige orale Antibiose mit Amoxicillin angewandt. Ab dem dritten Behandlungstag traten häufig keine weiteren Infektionen auf. Dennoch musste der Landwirt seine hohe Kontrollfrequenz aufrechterhalten, um rückfällige Einzeltiere frühzeitig nachzubehandeln.
Erkrankte Tiere seziert
Zur Verifizierung der Problematik wurden wiederholt perakut erkrankte, nicht behandelte Einzeltiere seziert. Die Euthanasie erfolgte erst kurz vor der Sektion, um die relevanten Erreger in Reinkultur isolieren zu können. Sowohl aus den vermehrt gefüllten und warmen Gelenken als auch von den Hirnhäuten der in Seitenlage festliegender Ferkel, gemeinhin als Ruderer bezeichnet, wurde jeweils das Bakterium Streptococcus suis isoliert.
Insgesamt sind über ein halbes Jahr mehrfach vier verschiedene Streptococcus suis-Serotypen identifiziert worden. In den Gelenken handelte es sich dabei um den Serotyp 1 und im zentralen Nervensystem um die Serotpyen 3, 9, 23. Anteilig wurde der Serotyp 9 am häufigsten von den Hirnhäuten isoliert.
Die wichtigsten differenzialdiagnostisch auszuschließenden Erreger Glaesserella parasuis (Glässer’sche Krankheit), Staphylococcus hyicus (Ferkelruß) und E.coli (Coli-Sepsis bzw. Ödemkrankheit) wurden kulturell und mittels PCR wiederholt ausgeschlossen.
Sauen als Erregerquelle
Im Betrieb sind seit langem wichtige Hygienemaßnahmen, wie z.B. Schwarz-Weiß-Trennung oder das Rein-Raus-Verfahren, etabliert. Um den Streptokokken-Infektionen entgegenzuwirken, wurden diese weiter ergänzt:
- Duschen der Sauen vor Einstallung in den Abferkelbereich;
- Einsprühen der Gesäuge mit einem Jod-haltigen Desinfektionsmittel;
- Hygienische Optimierung der zootechnischen Maßnahmen. Dazu zählte z.B. der Kanülenwechsel zwischen den Würfen und die Drei-Messer-Methode zur Kastration;
- Einsatz eines Langzeitantibiotikums am ersten und dritten Lebenstag;
- Kontrolle der Absetzqualitäten und Merzen chronisch kranker Tiere;
- Duschen der Aufzuchtferkel vor Aufstallung in der Aufzucht;
- Wurfweise Aufstallung in die Aufzucht;
- Einsatz mittelkettiger Fettsäuren im Ferkelfutter.
Dennoch stellte sich keine Besserung ein. Gleichzeitig waren andere Infektionserreger, wie Circovirose, PRRS oder Influenza durch Routineproben ausgeschlossen worden. Ein Futter- und Tränkewasser-Check brachte ebenfalls keine neuen Erkenntnisse.
So erhärtete sich der Verdacht, dass es sich um eine primäre Streptokokken-Infektion bei den Sauen handeln könnte. Bestätigung brachten Tonsillengeschabsel, die den Jungsauen noch vor Auslieferung auf dem Zuchtbetrieb entnommen wurden. In den Proben war eine Besiedlung mit Streptokokken, u.a. auch Streptococcus suis Serotyp 9, festzustellen. Das veranlasste den Betrieb auch in einer ersten Reaktion dazu, die Jungsauenherkunft zu wechseln.
Neuer Bestandsimpfstoff
In Deutschland gibt es keinen zugelassenen konventionellen Streptokokken-Impfstoff. Aus dem benachbarten Ausland berichteten Tierärzte allerdings zunehmend positiv über eine in Frankreich hergestellte bestandsspezifische Streptokokken-Vakzine. In diesem Impfstoff sollen sich virulente Streptococcus suis Serotyp 9-Isolate so integrieren lassen, dass die immunogenen Oberflächenstrukturen trotz des Inaktivierungsprozesses während der Herstellung intakt bleiben.
Um das neue Impfverfahren auf dem Problembetrieb anwenden zu können, mussten wir zunächst beim zuständigen Veterinäramt eine Genehmigung für die Herstellung einer stallspezifischen Vakzine im Ausland einholen. Nachdem diese erteilt worden war, erfolgte die Primärproduktion des Impfstoffes mit sechs ausgewählten Streptokokken-Isolaten. Zu den Auswahlkriterien zählte der Serotyp, die Ausstattung mit Virulenzfaktoren und das Organ der Isolation.
Testweise Impfung
Nach der achtwöchigen Produktionsphase wurde der Impfstoff mit den Serotypen 1, 3, 9 und 23 im Oktober letzten Jahres zur Nutzung auf dem Betrieb freigegeben. Zum testweisen Vergleich der Wirksamkeit wurde die jeweils jüngere Hälfte einer Sauengruppe mit der neuen Vakzine grundimmunisiert. Dazu erhielten die Jungsauen und Sauen mit kleinen Wurfnummern reproduktionsorientiert sechs und drei Wochen vor Abferkelung eine Impfdosis von 2 ml. Die zweite Hälfte der Gruppe setzte sich aus Sauen mit höherer Wurfnummer zusammen und blieb ungeimpft.
Die Sauen ferkelten je nach Impfstatus in räumlich getrennten Abteilen ab, sodass die Behandlungsintensitäten beider Gruppen verglichen werden konnten. War ein Wurfausgleich notwendig, erfolgte dieser nur innerhalb der Sauen mit identischem Impfstatus.
Eine getrennte Betreuung der Gruppen war aufgrund des Arbeitsaufkommens nicht möglich. Eine Verschleppung des Erregers, z.B. durch das Betreuungspersonal oder Arbeitsutensilien, konnte generell nicht ausgeschlossen werden.
Sofortige Verbesserung
Der Sauenhalter berichtete unmittelbar nach dem Absetzen der ersten Versuchspartie über eine „wie abgeschnittene Problematik“ in den Würfen der geimpften Sauen. Die Häufigkeit der Gelenksinfektionen nahm signifikant ab, was sich positiv auf die Saugferkelverluste auswirkte.
Um die Impfwirkung in der Aufzucht nachhalten zu können, wurden die Absetzferkel getrennt nach dem Impfstatus der Muttertiere aufgestallt. Auch hier konnte der Landwirt seine Behandlungsintensität reduzieren, da sich die Streptokokken-Problematik klinisch deutlich verringerte. Die Verluste reduzierten sich in der Impfgruppe auf ein stabiles Niveau von 1 bis 1,5%. Dazu verringerte sich der Antibiotika-Einsatz und notwendige Behandlungen erkrankter Einzeltiere verliefen spürbar erfolgreicher.
Dagegen zeigten die Aufzuchtferkel aus ungeimpften Abferkelgruppen fortlaufend eine hohe bis mäßige Anfälligkeiten für eine Streptokokken-Infektion. Aus diesen Tieren wurden im Rahmen von Sektionen auch weiterhin die bekannten Stämme isoliert.
Im Impfregime integriert
Dieser reine Streptokokken-Impfstoff hat einen vergleichsweise hohen Preis und es können im Unterschied zu anderen stallspezifischen Vakzinen keine anderen Erregerspezies integriert werden. Dennoch hat der Landwirt diesen jetzt fest in sein Impfregime übernommen. Aktuell läuft die Grundimmunisierung der gesamten Herde. Für die Wiederholungsimpfungen wurde auf einen Intervall von drei Wochen vor der nächsten Abferkelung gewechselt.
Ob der Erfolg über einen längeren Zeitraum erhalten bleibt, ist weiterhin abzuwarten. Vier abgeschlossene Aufzuchtdurchgänge ohne übermäßige Streptokokken-Problematik stimmen uns als betreuende Tierarztpraxis aber positiv. Gegebenenfalls ist mit weiteren diagnostischen Maßnahmen sicherzustellen, dass die relevanten Streptokokken-Erreger identifiziert wurden.
Außerdem führen wir aktuell in einem weiteren Sauenbetrieb mit 3000 Sauen im Ein-Wochen-Rhythmus einen gleich gelagerten Impfversuch mit umfassender Dokumentation in der Aufzucht durch. Dabei werden im Wechsel wochenweise Absetzferkel von geimpften und ungeimpften Sauen aufgestallt und Daten zu Behandlungsintensitäten, Verlusten und Nottötungen erfasst. Hier erhoffen wir uns gefestigtere Erkenntnisse zur Wirksamkeit.
Fazit
- Ein gut strukturierter Sauenbetrieb mit hoher Betriebshygiene hatte bei den Saug- und Aufzuchtferkeln Probleme mit Streptokokken-Infektionen.
- Durch eine zielgerichtete Diagnostik wurde die Anwesenheit mehrerer Streptococcus suis-Serotypen aufgedeckt. Das primäre Infektionsgeschehen konnte dabei den angelieferten Jungsauen zugeordnet werden.
- Anhand der Serotypenbestimmung wurde ein neuartiger, bestandsspezifischen Impfstoff für die Sauen hergestellt. In der Testphase brachte die Impfung einen durchschlagenden Erfolg.