Zuchttiere werden in der Eingliederung gegen zahlreiche Erkrankungen geimpft. Verkraften die Tiere das?
Dr. Hendrik Nienhoff, SGD Hannover
Mittlerweile bieten die meisten Zuchtunternehmen Jungsauen aus sogenannten Hochgesundheitsherden an. Typische Erkrankungen, auf die eine Unverdächtigkeit zugesichert wird, sind Schnüffelkrankheit (R.a.), Dysenterie, Mykoplasmen, APP und PRRS.
Lassen wir die meldepflichtigen Erkrankungen Dysenterie und Schnüffelkrankheit außen vor, so drehen sich die Verkaufsgespräche meist um die Zusicherung einer Unverdächtigkeit von Mykoplasmen, APP und PRRS.
Doch eine Vielzahl der Produktionsherden sind diesbezüglich positiv, auch was APP betrifft. In dieser Stufe werden deshalb die Ferkel gegen Mykoplasmen und häufig auch die Sauen gegen PRRS geimpft.
Hinzu kommt, dass es in der Regel für viele bakterielle Erkrankungen wie Streptokokken-Hirnhautentzündung oder Glässersche Krankheit (Hämophilus parasuis) eine Zusicherung einer Unverdächtigkeit nicht gibt. Das Gleiche gilt für Viren wie z.B. PCV2 oder Influenza.
Individuelles Impfprotokoll
Das heißt: Auch bzw. gerade hochgesunde Jungsauen müssen sich intensiv mit dem Keimmillieu des aufnehmenden Ferkelerzeugerbestandes auseinandersetzen. Nur so bauen sie eine belastbare Immunität auf.
Die Angleichung sollte direkt nach der Ankunft in einem abgetrennten Gebäude bzw. Gebäudeteil, dem so-genannten Eingliederungsstall, erfolgen. Gleichzeitig kommen Impfmaßnahmen ins Spiel, die einen zentralen Bestandteil der Eingliederung darstellen (siehe Übersicht).
Bezüglich der Impfungen gibt es keine pauschalen Empfehlungen, da es viele verschiedene Variablen innerhalb und zwischen den Betrieben gibt. Vielmehr ist ein betriebsindividuelles Eingliederungsprotokoll in Zusammenarbeit mit dem Hoftierarzt zu erarbeiten und konsequent umzusetzen.
Dabei spielen neben dem Erreger- und Impfstatus der Jungsauen das Spektrum an Erregern im Bestand, das Impfprogramm bei den Altsauen sowie der allgemeine Infektionsdruck auf dem Betrieb eine Rolle.
Auch frühere Leistungseinbrüche sollten berücksichtigt werden, wobei die richtigen Schlussfolgerungen ge-zogen werden müssen. Neben konkreten Untersuchungsergebnissen helfen dabei oftmals auch Beobachtungen von Landwirt und/oder Hoftierarzt, das Problem richtig einzuordnen.
Grund-Immunisierung
Doch um welche Impfungen geht es in Betrieben mit normalem Gesundheitsstatus? Zunächst ist an Parvo/Rotlauf zu denken, denn die Jungsauen werden heute nicht mehr mit einem entsprechenden Impfschutz ausgeliefert. Und die Grundimmunisierung sollte noch vor der Besamung bzw. Trächtigkeit abgeschlossen sein, weshalb in vielen Fällen die erste Parvo/Rotlauf-Impfung bereits am ersten oder zweiten Tag nach der Ankunft und die zweite Impfung zwei bis vier Wochen danach erfolgt.
Auch ein PRRS-Schutz ist anzustreben. Viele Produktionsherden sind PRRS-positiv, die Vermehrungsbetriebe jedoch meist negativ. Das heißt, die Jungsau wird ohne einen Schutz geliefert, weshalb auch hier die Impfung zeitnah nach Ankunft der Jungsauen erfolgen sollte. In der Regel reicht eine Impfung. Ist die aufnehmende Sauenherde nicht PRRS-stabil und es treten klinische Anzeichen auf, sollten die Jungsauen nach drei bis vier Wochen eine zweite PRRS-Impfung erhalten.
Es schließen sich Auffrischungen von Impfungen gegen M.hyo oder Circo an. Diese sind zu empfehlen, da der Schutz aus der Ferkelimpfung mit zunehmendem Alter abnimmt.
In viehdichten Regionen spielt die Influenza mittlerweile ebenfalls eine große Rolle; eine entsprechende Impfung in der Eingliederung ist quasi Pflicht. Bei den verwendeten Vakzinen handelt es sich um Tot-Impfstoffe, sodass die Tiere zweimal im Abstand von zwei bis vier Wochen gegen Influenza geimpft werden müssen.
Mutterschutz optimieren
Werden weitere Sauen- oder Ferkelimpfungen im Sauenbestand umgesetzt, kann es sinnvoll sein, die Jungsauen auch hier bereits in der Eingliederung zu impfen. Ein gutes Beispiel wären Mutterschutzimpfungen gegen E.Coli/Clostridien.
Eigentlich werden die Impfstoffe erst vor der Geburt zweimalig verimpft. Jedoch bildet sich eine bessere Immunität bei den Jungsauen aus, wenn sie die Erreger schon frühzeitiger kennengelernt haben. Die routinemäßige Impfung vor der Geburt wirkt dann wie ein Booster. Diese Zusammenhänge gelten übrigens auch für die stallspezifischen Mutterschutz-Vakzinen.
Bei all den Maßnahmen sollte der einzugliedernde zugekaufte Jung- bzw. der selbst nachgezogene Stimuliereber nicht vergessen werden. Auch eine gezielte Entwurmung und Räudebehandlung sollte während der Eingliederung erfolgen, wenn der Status der Jungsauenherde nicht bekannt ist.
Impfungen kombinieren
Fasst man alles zusammen, so kommt ein Betrieb mit normalem Gesundheitsstatus in einer viehdichten Region auf zwei Parvo/Rotlauf-, eine PRRS-, eine Myko/Circo-, zwei Influenza- und zwei Coli/Clostridien-Impfungen. Das sind in der Summe acht Injektionen. Einzelne Betriebe impfen sogar noch mehr.
Da in der Eingliederungsphase aber nur ein relativ kurzes Zeitfenster zur Verfügung steht, ist es wichtig, die Impfmaßnahmen zu kombinieren. Dadurch kann die Belastung durch die Injektion beim Tier gering gehalten werden.
Achtung: Kombinieren heißt hier zeitgleich und ortsgetrennt. Niemals sollte man die Impfstoffe mischen. Welche Impfungen konkret kombiniert werden können, sollte mit dem Hoftierarzt besprochen werden. Beim individuellen Konzept ist u.a. auch zu be-rücksichtigen, wie die Sauen einzelne Impfungen vertragen.
Keine Überforderung
Bei den vielen Impfungen innerhalb kurzer Zeit stellt sich natürlich die Frage: Können die Tiere das überhaupt verkraften und eine Immunität aufbauen? Die Antwort ist eindeutig „Ja“. Dies ist möglich, da das Schwein wie auch andere Tierarten in der Lage ist, auf zig unterschiedliche Antigene gleichzeitig mit einer Immunantwort zu reagieren und einen Schutz aufzubauen.
Die zweite Frage, die sich stellt: Warum so früh so viele Impfungen? Kann man die Termine nicht auf die erste Trächtigkeit verteilen? Die Antwort hierauf ist „Nein“. Die Jungsauen müssen die bestandseigenen Erreger bereits in der Eingliederung kennenlernen und eine Immunität aufbauen. Sonst kann es sein, dass sie sehr früh an eben diesen Erregern erkranken und z.B. nicht rauschen, Ausfluss oder Husten bekommen und letztendlich nicht tragend werden.
Ob es sich um zugekaufte oder selbst nachgezogene Jungsauen handelt, ist in den meisten Fällen nicht entscheidend. Auch bei der eigenen Aufzucht müssen die Ferkelimpfungen aufgefrischt sowie Impfungen gegen gängige Erkrankungen wie Parvo/Rotlauf, PRRS und andere durchgeführt werden.
Was festzuhalten bleibt
- Jungsauen sind bereits in der Eingliederung mit Impfungen dem Betriebsstatus anzugleichen. Dadurch werden die Leistungen im ersten Wurf sowie die Herdenstabilität abgesichert.
- Das Impfschema ist in Absprache mit dem Hoftierarzt festzulegen und lückenlos umzusetzen. Dies bedeutet, dass die Jungsauen während ihrer Eingliederungszeit acht Mal und mehr geimpft werden müssen.
- Die Impfmaßnahmen sollten kombiniert werden, das heißt zeitgleich, aber ortsgetrennt erfolgen. Trotz mehre-rer Impfungen gleichzeitig sind die Jungsauen immunologisch nicht überfordert.