Ein Mastbetrieb klagte über wiederkehrenden Husten, Leistungseinbußen und plötzliche Todesfälle. Lungenchecks am Schlachthof deckten eine APP-Infektion auf.
Dr. Josefine Hagn, Pfeffenhausen
Für den Schweinehalter aus Niederbayern war es ein Rätsel. Immer wieder traten in seinem Betrieb mit 200 Dänensauen im geschlossenen System Hustenprobleme auf. Insbesondere die Aufzucht und Mast waren betroffen. Dazu kam regelmäßig vom Schlachthof die Rückmeldung, dass bei einer Schlachtpartie vermehrte Lungenveränderungen und Brustfellverklebungen festgestellt wurden.
Dabei setzt der Betrieb schon seit Jahren auf ein umfassendes Impfmanagement. Die zwei Wochen alten Ferkel erhalten eine PRRS-Lebendimpfung. In der dritten Lebenswoche folgen Impfungen gegen Mycoplasma hyopneumoniae (M. hyo) und das porzine Circovirus (PCV2). Eine bestandsspezifische Vakzine, welche unter anderem auf die bakteriellen Erreger Actinobacillus pleuropneumoniae (APP) und Glaeserella parasuis (Glässersche Krankheit) abzielt, ergänzt den Impfschutz.
Plötzliche Todesfälle
Vor diesem Hintergrund war eigentlich ein Krankheitsgeschehen mit Beteiligung von APP-Erregern unwahrscheinlich. Dennoch ging mein Anfangsverdacht als betreuende Hoftierärztin in diese Richtung, da sich die Klinik und die Beobachtungen des Landwirtes zu stark mit den bekannten Symptomen der Krankheit deckten.
Neben wiederkehrendem Husten klagte er nämlich über gestiegene Verlustzahlen und mäßige Tageszunahmen. Zudem berichtete er über fast schlachtreife Tiere, die plötzlich und ohne vorherige Klinik verenden und blutigen Schaum vor den Rüsselscheiben haben. Zwar zeichnen sich die perakuten und akuten Verläufe einer APP-Infektion häufig durch hohes Fieber, Apathie und einer schweren Atmung aus. Todesfälle ohne vorherige Klinik sind aber ebenfalls charakteristisch für diese Erkrankung.
Um die Verdachtsdiagnose APP abzusichern, entschieden wir uns zusammen mit dem Landwirt dazu, am Schlachthof zwei Lungenchecks nach dem Ceva Lung Program durchzuführen. Nach einem festen Protokoll werden hier die Lungen aller Schlachttiere der Lieferpartie auf pathologische Veränderungen untersucht. Die Untersuchungen waren in diesem Fall kostenlos für den Landwirt.
Lungen Begutachtet
Eine APP-Infektion verursacht eine Pleuropneumonie, die sich beim Lungencheck durch hämorrhagisch-nekrotisierende Lungengewebsveränderungen auf den Hauptlappen nachweisen lässt. Dazu gesellt sich häufig eine Pleuritis (Rippenfell- bzw. Brustfellentzündung), die an der Lungenoberfläche auftritt und zu Verklebungen der Lunge bzw. Teilen davon mit der Brustwand führen kann. In Extremfällen bindet sich das Brustfell so stark an die Brusthöhle, dass sich die Lunge später kaum aus dem Schlachtkörper lösen lässt.
Wie viele Lungen bzw. Lungenoberflächen von einer Pneumonie bzw. Pleuritis betroffen sind, wird im Lungencheck in Prozentwerten darstellt. Das Ausmaß der Brustfellverklebungen wird nach einem Schulnotensystem von 0 bis 4 bewertet und als APP-Index ausgewiesen.
Außerdem wird ein Index zur enzootischen Pneumonie (EP-Index) berechnet. Hier gilt M.hyo als Hauptverursacher. Das Tier erkrankt an einer Lungenentzündung und das Atmungsorgan verhärtet sich insbesondere im vorderen Abschnitt. Die Ausheilung der betroffenen Areale dauert lange und hinterlässt Vernarbungen, die auch als EP-like Läsionen bekannt sind und beim Lungencheck schnell erkannt werden.
Die nach dem SPES (Slaughterhouse Pleurisy Evaluation System) standardisierte Erfassung von Lungenläsionen bietet nicht nur einen objektiven Überblick über die Lungengesundheit auf Herdenbasis. Das Indexsystem ermöglicht auch einen überbetrieblichen Vergleich mit den Ergebnissen von rund 60000 Lungenchecks, die bislang in deutschen und österreichischen Beständen erfolgten.
Auffälliger APP-Index
Der erste Lungencheck ergab, dass 27% der Liefertiere in unterschiedlichen Ausprägungen an einer Pleuropneumonie bzw. Pleuritis erkrankt waren. Beim zweiten Check lag der Wert bei 37%. Während der EP-Index keine Auffälligkeiten zeigte, lag der APP-Index mit 0,98 bzw. 1,02 über dem Median der Datenbasis.
Für eine abgesicherte Diagnose war es wichtig, dass wir bei mindestens zwei Lieferpartien des Betriebes Lungenchecks durchgeführt haben. Denn einerseits stellt ein Check nur eine Momentaufnahme dar. Andererseits kann ein Ergebnis auch davon beeinflusst werden, welche Tiere eines Mastdurchganges untersucht werden. So weisen in der Regel die zuerst ausgestallten Tiere geringere Lungenläsionen und damit bessere Indexzahlen auf, als die zuletzt ausgestallten Tiere.
Impfkonzept überarbeitet
Im betroffenen Betrieb ergaben beide Checks einen nennenswerten Anteil an Lungenbefunden und einen auffälligen APP-Index. Also entschieden wir uns dazu bei einem Durchgang von 300 Ferkeln das etablierte Impfprogramm um einen APP-Impfstoff zu ergänzen.
Die Wahl fiel auf eine kombinierte Vakzine aus den APP-Serotypen 1 und 2, die die APX-Toxoide I, II und III bilden. Da zwischen den unterschiedlichen Serotypen kaum Kreuzimmunitäten bestehen, bietet diese Zusammenstellung einen möglichst umfänglichen Schutz. Die Impfung wurde in der siebten und zehnten Lebenswoche der Ferkel gesetzt.
Bereits während dieser geimpfte Durchgang die Aufzucht und Mast durchlief, kam vom Landwirt die Rückmeldung, dass sich hier das Hustengeschehen deutlich beruhigt hätte. Auch traten keine plötzlichen Todesfälle auf.
Diese Beobachtung deckte sich mit den Ergebnissen des anschließenden Lungenchecks. So wurden nur noch bei 2% der Tiere eine Pleuropneumonie bzw. Pleuritis nachgewiesen. Der APP-Index sank mit 0,04 praktisch auf Null.
Warum der stallspezifische Kombi-Impfstoff gegen Glässer/APP nicht wirkte, könnte mehrere Gründe gehabt haben. Möglicherweise erfolgte die Impfung zu früh. Allerdings gab es in der Aufzucht massive Probleme mit Glässer, weshalb die Verabreichung bereits in der vierten bis fünften Lebenswoche notwendig war. Andererseits war der stallspezifische Impfstoff zwar mit dem APP-Serotyp 2 versehen worden. Im Handelsimpfstoff ist aber meistens wesentlich mehr Antigen vorhanden und er ist dadurch potenter. Als Konsequenz hat der Landwirt jetzt den APP-Impfstoff fest in sein Impfprogramm integriert.