Das pandemische Influenzavirus breitet sich in deutschen Beständen aus. Oft ist die Klinik unspezifisch und der Nachweis schwierig, wie ein Praxisfall zeigt.
Dr. Torsten Pabst, Dülmen
Influenza spielt beim Schwein eine große Rolle. Ursprünglich kam nur ein Subtyp (klassisch H1N1) vor. Seit den 70er-Jahren sind jedoch weitere Stämme hinzugekommen, sodass heute eine Reihe verschiedener Subtypen (H1N1, H1N2, H3N2) existiert.
Seit 2009 treten in Deutschland vermehrt pandemische Influenzaviren bei Schweinen auf. Dieses Virus wurde im gleichen Jahr in Mexiko erstmalig beim Mensch nachgewiesen und tauchte in den Medien als sogenanntes „Schweinegrippevirus“ auf. Dabei handelt es sich um das pandemische H1N1 sowie das kurze Zeit später entdeckte pandemische H1N2.
Sommergrippen nehmen zu
Bei der Influenza-Erkrankung werden zwei Verlaufsformen beobachtet. Die klassische Influenza geht mit hohem Fieber und einer starken Lungenentzündung einher. Die Grippe zieht schnell durch den Bestand und ist meist nach einem Zeitraum von sieben Tagen überstanden.
Wesentlich schwieriger zu diagnostizieren ist die persistierende Form, da es hier keine eindeutige Symptomatik gibt. So zeigen die Tiere nicht immer eine erhöhte Temperatur oder Appetitlosigkeit. Dennoch kommt es häufig zu Reproduktionsstörungen. Diese „endemische“ Form verbleibt wesentlich länger im Betrieb.
Anders der pandemische Virustyp: Diese Form geht mit plötzlichen Todesfällen bei Sauen einher und es treten Aborte auf. Die Sauen können, aber müssen nicht, fiebern und Atemwegsprobleme zeigen. Außerdem ist häufig ein Rückgang der Milchleistung zu beobachten, sodass die Ferkel eine verzögerte Entwicklung zeigen.
In Ferkelaufzucht und Mast präsentiert sich die pandemische Influenza mit Atemwegsproblemen in unterschiedlichster Ausprägung. Die Verläufe können sowohl recht schwerwiegend wie auch unterschwellig mit geringer Symptomatik sein. Ein generelles Merkmal der pandemischen Influenza sind die sich über Monate erstreckenden Krankheitsverläufe. So können andere Erreger wieder „hochkochen“, da durch die pandemische Influenza das Immunsystem stark geschwächt wird.
Wie beim Menschen treten Influenza-Infektionen beim Schwein wellenförmig auf. Während im Humanbereich das Frühjahr und der Herbst die Höhepunkte bilden, werden in den Schweinebeständen mit Einzug der pandemischen Viren zunehmend auch im Sommer Influenza-Infektionen beobachtet (siehe Übersicht). Wobei hier oft alle Subtypen nachgewiesen werden können. Für die schweinehaltenden Betriebe bedeutet dies, dass ein Influenza-Schutz durch eine Impfung während des ganzen Jahres eine Rolle spielt.
Prophylaxe verstärken
Wird Influenza diagnostiziert, ist zum einen die Fiebersenkung und Entzündungshemmung mittels Medikamenten der Gruppe der NSAID (z.B. Acetylsalicylsäure oder Paracetamol) das Ziel der Behandlung.
Zum anderen sollte gegen die bakterielle Sekundärbesiedelung gezielt ein Antibiotikum verwendet werden, um weiteren Schaden zu minimieren. Hierbei muss jedoch der aktuellen Diskussion um den Antibiotika-Einsatz Rechnung getragen werden. Das heißt, dass eine effektive Prophylaxe, zu der angepasste Maßnahmen der Biosicherheit sowie Impfmaßnahmen gehören, der Schlüssel zum Erfolg ist.
Die effektivste Prophylaxe ist somit die Impfung gegen Influenza, wobei aktuell zwei unterschiedliche Impfstoffe auf dem deutschen Markt vorhanden sind. Bei dem Respiporc®Flu3 wird eine Immunität gegen H1N1, H1N2 und H3N2, bei dem Respiporc®FlupanH1N1 wird eine Immunität gegen panH1N1 aufgebaut. Der Schutz ist spezifisch für die entsprechenden Stämme und es existiert keine Kreuzprotektivität.
Diagnostik schwierig
Bei einer Influenza-Infektion kommt es zunächst zu einer Besiedelung der Zielzellen im Epithel des Atmungstraktes. In diesem vermehrt sich das Virus und macht die Tiere krank. Während die ersten Krankheitssymptome auftreten, findet bereits die maximale Virusausscheidung aus dem Atmungstrakt statt.
Das Virus kann dann direkt in Nasentupfern, Kaustricken, Lungenspülungen oder Sektionsmaterial nachgewiesen werden. Nach ca. einer Woche werden Antikörper gebildet, welche im Blut nachgewiesen werden können. Generell sollte immer eine Kombination mehrerer Diagnostikverfahren stattfinden, um ein möglichst umfassendes Bild zu bekommen.
Der direkte Erregernachweis hat den Vorteil, dass ein Ergebnis recht zeitnah vorliegt. Jedoch findet die Virusausscheidung nur über ein recht kurzes Zeitfenster statt, sodass möglicherweise kein Virus mehr nachgewiesen werden kann. In einer solchen Situation bietet der Nachweis von Antikörpern im Blut einen Vorteil.
Bei diesem indirekten Erregernachweis werden Blutproben von erkrankten Tieren gezogen. Da die Antikörper erst nach zwei bis drei Wochen gebildet werden, sollten Serumpaarproben entnommen werden. Dies bedeutet, dass bei gleichen Tieren im Abstand von drei Wochen Blutproben gewonnen werden, um einen Anstieg von Antikörpern nachzuweisen.
Achtung: Bei der Interpretation der Ergebnisse muss gerade im Hinblick auf die Titer bei den pandemischen Viren berücksichtigt werden, dass es Kreuzreaktionen zwischen den einzelnen Subtypen gibt. Das macht die Diagnose mitunter schwierig.
Plötzlich tote Sauen
Ein Fall aus der Praxis: Hubertus Meier (Name geändert) hält 500 Sauen und mästet auf 6000 Plätzen. Die Sauen werden routinemäßig gegen Parvo/Rotlauf, PRRS, Circovirus, Coli/Clostridien und Influenza geimpft. Die Ferkel werden in der dritten Lebenswoche mit einem Circo/Mhyo Kombinationsimpfstoff behandelt.
Im September 2017 kam es zu vermehrten Aborten und plötzlichen Todesfällen bei den Sauen. Vereinzelt zeigten die Tiere Husten. Im Zuge der Diagnostik wurden zum einen Sauen zur Sektion gebracht, und es wurden zunächst 15 Blutproben auf Infektionserreger wie Chlamydien, Leptospiren, Influenza, PRRS und PCV-2 untersucht.
In zwei von drei zur Sektion gebrachten Sauen konnten Lungenentzündungen nachgewiesen werden. Die weiterführenden Untersuchungen auf Influenza, M. hyopneumoniae und PRRS verliefen negativ, ebenso die Blutuntersuchungen auf Chlamydien und Leptospiren. Fehlanzeige auch bei der direkten Erregersuche mittels PCR in Poolproben auf PRRS und PCV2.
Mittels ELISA konnten Antikörper im Blut gegen Influenza nachgewiesen werden. Da es sich um Respiporc Flu3-geimpfte Tiere handelte, wurden die Blutproben weiter im Hämagglutinationshemmungstest untersucht. Hierbei wird zwischen den unterschiedlichen Influenza-Subtypen unterschieden.
Stamm panH1N1 in der Mast
Bei dieser Untersuchung konnten zum einen Antikörper gegen die Stämme H1N1, H1N2 und H3N2 nachgewiesen werden. Im Verdacht standen jedoch auch die pandemischen Stämme panH1N1 und panH1N2. Doch es konnte keine Aussage getroffen werden, ob die Tiere tatsächlich Kontakt zu pandemischem H1N1-Virus hatten oder ob es sich um Kreuzreaktionen mit klassischer H1N1 handelte, hervorgerufen durch die Impfung.
Deshalb wurden ungeimpfte Tiere aus der Aufzucht und Mast einbezogen. Hier gab es immer wieder Probleme mit Atemwegsinfektionen. So wurden Blutproben von zehn Aufzuchtferkeln mit 25 kg und zehn Mastschweinen mit 60 kg auf Antikörper untersucht.
Bei diesen Untersuchungen waren keine Antikörper gegen H1N1, H1N2 und H3N2 nachzuweisen. Jedoch konnten in fünf von zehn Blutproben von Ferkeln und in sieben von zehn Blutproben aus der Mast Antikörper gegen panH1N1 bestimmt werden. Somit stand fest: Es handelte sich um eine Infektion mit einem pandemischen H1N1-Influenzavirus.
Das besondere Merkmal bei den pandemischen Influenza-Stämmen ist zum einen die unspezifischen klinischen Erscheinungen. Zudem wird das Immunsystem geschwächt, sodass andere Infektionserreger wie Streptokokken, Haemophilus parasuis etc. vermehrt Probleme bereiten. Mitunter treten auch schwere Verläufe mit vermehrt toten Sauen auf.
Da der klassische Dreifach-Impfstoff gegen Influenza keinen Schutz gegenüber pandemischen Influenzaviren bietet, wurden die Sauen zusätzlich zweimal im Abstand von drei Wochen gegen pandemische Influenza mit der Spezialvakzine Repsiporc®FLUPanH1N1 geimpft. Nach dieser Maßnahme traten keine Aborte mehr auf und es verendeten auch keine Sauen mehr. Des Weiteren waren die Atemwegsinfektion bei den Sauen deutlich vermindert. Der Zustand des Bestandes stabilisierte sich somit zügig.
Das bleibt festzuhalten
- Seit einiger Zeit treten pandemische Influenza-Virustypen auf, die oftmals eine unspezifische Klinik hervorrufen.
- Pandemische Influenzastämme produzieren meist nur geringere Antikörpertiter, welche bei mit dem klassischen Dreifachimpfstoff geimpften Tieren schwierig zu erkennen sind.
- Deshalb sind diagnostische Untersuchung bei ungeimpften Tieren in der Ferkelaufzucht und Mast erforderlich.
- Die Impfung der Sauenherde mit einer auf den panN1H1-Typ ausgerichteten Vakzine kann in der regel das Problem lösen.