Bis zu 8% der Sauen brachten zwei bis drei Tage nach der Geburt noch tote Ferkel zur Welt. Welche Ursache dies hatte, zeigt der Praxisfall.
Franziska Feicht, Tierärzte Wonsees
Manchmal ist die Lösung eines Problems naheliegend, doch der Blick darauf verstellt. In einem SPF-Betrieb fielen hohe Totgeburtenraten auf. Die Sauenanlage in Alleinlage wirtschaftet im doppelten Wochenrhythmus, wobei die Hauptabferkeltage Dienstag und Samstag sind. Die Säugezeit beträgt durchschnittlich 23 bis 24 Tage. Wöchentlich ferkeln über 200 Sauen.
Die benötigten Jungsauen werden selbst nachgezogen und vor Belegung gegen PCV2, Glässerella parasuis, Influenza, Rotlauf und Parvovirose immunisiert. Die Sauenherde wird halbjährlich bestandsweise gegen Influenza und reproduktionsorientiert gegen Parvo/Rotlauf geimpft. Zudem werden die Sauen im Wartebereich mit zwei verschiedenen bestandsspezifischen Impfstoffen sechs und drei Wochen (Jungsauen) bzw. drei Wochen vor der Geburt (Altsauen) geimpft.
Zur Erleichterung der Geburtsüberwachung wird das Abferkeln am 115. Trächtigkeitstag mit dem Wirkstoff Cloprostenol eingeleitet. Im Stall arbeiten hauptsächlich Fremdarbeitskräfte.
Gestörte Nachgeburtsphase
Der Betrieb wechselte im Juni 2019 zu unserer Tierarztpraxis. Bei einem der ersten Besuche fielen einige Sauen mit übelriechendem, gelb-flockigem Ausfluss, schlechtem Allgemeinbefinden, Fieber und stark verminderter Futteraufnahme auf. Laut dem Betriebsleiter brachten bis zu 8% der Sauen zwei bis drei Tage nach der Geburt nochmals ein oder mehrere tote Ferkel zur Welt. Dabei waren Alt- wie Jungsauen gleichermaßen betroffen.
Um infektiöse Ursachen auszuschließen, wurden Cervixtupfer zur bakteriologischen Untersuchung von betroffenen Sauen gezogen und totgeborene Ferkel zur Diagnostik eingesendet. Außerdem empfahlen wir, Futterproben zu untersuchen, um eine mangelnde Wehentätigkeit aufgrund einer Calcium-Phosphor-Imbalance auszuschließen.
Parallel dazu werteten wir zusammen mit dem Betriebsleiter den Sauenplaner aus, um eventuelle Muster festzustellen. Außerdem wurden die Mitarbeiter zum Arbeitsablauf im Deck- und Wartebereich sowie in der Abferkelung zum Ablauf der Geburten an sich befragt und wann welche Aufgaben durch wen erledigt wurden.
Mitarbeiterinnen befragt
Das Geburtsmanagement selbst wurde von zwei festen Mitarbeiterinnen übernommen. Bei jedem Eingriff wurde ein neuer Einmalhandschuh mit ausreichend Gleitgel verwendet. Bei Sauen, die durch recht enge Geburtswege auffielen, wurde mit Vetrabutin zur Erweiterung der Geburtswege gearbeitet. Zumeist erhielten die Sauen nach Abschluss der Geburt Oxytocin, um den Abgang der Nachgeburt zu verbessern.
Die Hauptbesamungstage waren Sonntag und Mittwoch. Dabei fanden die meisten Erstbesamungen der Gruppe, die samstags ferkeln sollte, am Mittwochmittag, die zweite Besamung am Donnerstagmorgen statt.
Nach einigem Nachfragen stellte sich heraus, dass die Geburten der Sauen der späteren Wochengruppe nicht wie vereinbart am Samstag, dem 115. Trächtigkeitstag, eingeleitet wurden, sondern – um so wenig wie möglich Geburten am Wochenende zu haben – teils bereits am Donnerstagnachmittag, dem 113. Trächtigkeitstag. Das konnte auch bei der Überprüfung der Stallkarten und der Daten im Sauenplaner nachvollzogen werden.
Da das verwendete Präparat den Wirkstoff Cloprostenol, der zur Gruppe der Prostaglandin-F2α-Agonisten gehört, beinhaltet, wirkt es luteolytisch – löst also den trächtigkeitserhaltenden Gelbkörper am Eierstock auf – und kontraktil auf die Muskulatur der Gebärmutter.
Es ist zugelassen für die Anwendung ab dem 114. Trächtigkeitstag, gerechnet ab dem Tag der letzten Besamung. Der Betrieb belegte seine Sauen maximal zweimal im Abstand von 12 bis 18 Stunden, das Datum der zweiten Besamung entspricht dem ersten Trächtigkeitstag.
Geburtseinleitung zu früh
Somit werden die Sauen zu früh eingeleitet. In den Nebenwirkungen ist bei der Anwendung vor dem 114. Trächtigkeitstag eine erhöhte Sterblichkeit sowie verminderte Vitalität der Neugeborenen beschrieben.
Wenig vitale Ferkel wiederum nehmen weniger Kolostrum auf und stimulieren somit das Gesäuge weniger. Dadurch ist die körpereigene Oxytocin-Ausschüttung vermindert, und es kommt durch die reduzierte Wehentätigkeit zu verlängerten Geburten, mehr Eingriffen und mehr tot geborenen Ferkeln.
Diese Faktoren wiederum können auch Ursache für eine gestörte Nachgeburtsphase mit anschließendem Ausfluss sein.
Fütterung überprüft
Wie bereits erwähnt, muss bei längeren Geburten auch immer die Fütterung überprüft werden. Besonderes Augenmerk legten wir dabei auf:
- Versorgung mit Mengenelementen: Das Ca/P-Verhältnis sollte im Wartebereich bei 1,6 bis 1,3:1 liegen.
- Ausreichende Energieversorgung der hochtragenden Tiere: Die Empfehlung liegt bei 39–43 MJ ME pro Tag kurz vor der Geburt.
- Gute Kotqualität: Auf genügend Rohfaser und geschmacklich gut aneinander angepasste Trage- und Säugefutter achten.
- Hygienisch und geschmacklich einwandfreies Wasser!
Die Futteranalyse ergab keine besonderen Auffälligkeiten. Auch eine sicherheitshalber eingeleitete Wasseruntersuchung war hinsichtlich Mikrobiologie und Inhaltsstoffen unauffällig. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Alt- und Jungsauen gut konditioniert im geburtsnahen Zeitraum.
Im Rahmen eines weiteren Beratungstermins wurden die Mitarbeiterinnen zum Geburtsmanagement geschult. Bei Geburtsbeginn wird seitdem die Sauenkarte gewendet und quer gehängt, die Uhrzeit mit Ferkelanzahl auf der Rückseite vermerkt und ein Geburtseingriff mit „E“ kenntlich gemacht. Außerdem verbleibt der Geburtshandschuh über der Buchtenwand, sodass für jedermann Problemsauen schon beim Betreten des Abteils erkennbar sind.
Deutlich weniger Problemfälle
Den Mitarbeitern wurden die Folgen einer zu frühen Geburtseinleitung verständlich erklärt. Außerdem wurden Jungsauen der nachfolgenden Gruppen ab sofort nicht mehr eingeleitet.
Zur Verbesserung des Nachgeburtsabgangs bekommen nun alle Sauen nach dem vermeintlich letzten Ferkel 1 ml Oxytocin intramuskulär verabreicht.
Außerdem erhalten alle Sauen 24 bis 36 Stunden nach der Geburt einmalig 2 ml eines Dinoprost-Präparats. Dieses führt zum Zusammenziehen der Gebärmutter und unterstützt so die Sau in der Nachgeburtsphase.
Bereits zwei bis drei Wochen später, nachdem alle Mitarbeiter das neue System korrekt umgesetzt hatten, zeigte sich eine deutliche Verbesserung. Ein Jahr später wurde per Monatsauswertung geprüft, wie sich das neue Management auf die Leistungen auswirkte. Auffallend waren die um 0,6 bei Altsauen und um 1,0 Tage bei Jungsauen höhere Trächtigkeitsdauer. Bei den tot geborenen Ferkeln scheinen die Veränderungen nicht allzu groß (5,5 vs. 6,0%). Doch bei den Saugferkelverlusten waren die Unterschiede deutlicher (8,4 vs.13,0%, siehe Übersicht).
Jede Sau, die unproblematisch ferkelt, startet besser in die Säugezeit und frisst eher durchgehend. Die Voraussetzungen für eine stabilere Milchleistung sind damit gegeben und die Sau zieht ihre Ferkel besser auf. All das beeinflusst nicht nur die Leistung des Betriebs positiv, sondern spart auch Arbeitszeit.
Fazit
- Der Leiter einer größeren Sauenanlage klagte über gestörte Nachgeburtsphasen.
- Nach intensiver Recherche wurde die hormonelle Geburtseinleitung angepasst. Heute werden u.a. die Jungsauen nicht mehr eingeleitet.
- Die Mitarbeiter wurden geschult und die Abläufe kontrolliert, damit sich keine Fehler einschleichen.
- Kleinere Ferkel sind heute fitter und die Sauen fressen eher durch. Dadurch steigt die Leistung und der Arbeitsaufwand sinkt.