Seit Jahren wird an einem ASP-Impfstoff geforscht. Welche Hürden müssen die Wissenschaftler meistern?
Das Virus ist sehr komplex und noch dazu ein Meister der Immunmodulation. Es ist also in der Lage, die Schutzmechanismen des Wirtes zu seinen Gunsten zu verändern oder zu unterdrücken. Leider kennen wir bis heute nicht alle Faktoren, die für eine erfolgreiche Abwehr vonnöten sind. Außerdem haben wir das Problem, dass Antikörper alleine keine schützende Immunantwort ausmachen und damit keine Vorhersagekraft für die Wirksamkeit eines Impfstoffkandidaten haben. Ohne eine gute zelluläre Immunantwort ist bei der ASP kein Schutz zu erwarten. Ein letzter Punkt ist, dass sich das Virus am besten in Makrophagen vermehrt und jede Anpassung an Zellkulturen mit genetischen Veränderungen verbunden ist. Bislang haben ausschließlich abgeschwächte Lebendvakzine echtes Potenzial gezeigt.
Wurde der Impfstoffentwicklung zu lange zu wenig Aufmerksamkeit beigemessen?
Das kann man eigentlich nicht sagen. Die EU hat in mehreren Großprojekten die Impfstoffentwicklung gefördert. Es ist einfach nur sehr schwer, einen wirklich guten Impfstoff zu finden. Außerdem gibt es natürlich Einschränkungen, weil man mit so einem gefährlichen Impfstoff nicht überall arbeiten darf. Das ist nur in Hochsicherheitslaboren erlaubt bzw. möglich.
Wie ist das FLI an der Impfstoffentwicklung beteiligt?
Das FLI ist seit Jahren in nationale und internationale Projekte involviert und hat diverse Impfstoffkandidaten getestet. Dabei gab es unterschiedlichste Ansätze, von inaktivierten Präparationen mit modernen Wirkverstärkern (Adjuvanzien) über unterschiedlichste Vektorimpfstoffe bis hin zur vergleichenden Testung von Lebendimpfstoffen.
Als Ziel wird eine „Goldstandard-Impfung“ genannt. Was ist darunter zu verstehen?
Was wir benötigen, ist ein Impfstoff, der sowohl sicher als auch wirksam ist. Eine reine Unterdrückung der klinischen Anzeichen reicht für eine anzeigepflichtige Tierseuche nicht aus. Zudem muss er in großen Mengen produzierbar sein und sein Einsatz darf nicht zu starken Handelseinschränkungen führen. Wenn wir über eine Impfung der Wildschweine sprechen, muss es ein Lebendimpfstoff sein, den man über einen Köder verabreichen kann. Letztlich wird viel davon abhängen, wie man das Verhältnis von Nutzen und Risiko einschätzt. Es bedarf einer guten Kommunikation mit allen Beteiligten.
Sollten eher die Haus- oder Wildschweine geimpft werden?
Meiner Meinung nach brauchen wir in Zentraleuropa keinen Impfstoff für Hausschweine. Die Biosicherheitsmaßnahmen und Standardmaßnahmen der Tierseuchenbekämpfung reichen aus, um die Tierseuche in Hausschweinebeständen zu stoppen. Impfstoffe werden die Notwendigkeit von Biosicherheit, Verhaltensänderungen, verbessertem Management, diagnostischen Ansätzen und Keulungsmaßnahmen im Ausbruchsfall nicht ersetzen! Für mich liegt der Fokus auf einer Impfung der Wildschweine mit einem Lebendimpfstoff.
Welche Stärken weisen gentechnisch hergestellte Vakzine auf?
Der Einsatz von gentechnischen Methoden, bei Lebendimpfstoffen spricht man von der homologen Rekombination, erlaubt die rationale Veränderung des Virus. Man kann z.B. Gene für Faktoren herausschneiden, die die Abwehr des Wirtes schwächen oder krankmachende Eigenschaften vermitteln. Auf diese Weise entstandene Viren sind gut charakterisiert und auf die Fragestellung angepasst. Bevor man einen gentechnischen Impfstoff allerdings bei Wildschweinen einsetzen darf, müssen noch etliche Sicherheitsfragen geklärt werden. Dabei geht es u.a. um Überdosierungen, die Erfassung von Langzeitfolgen oder die notwendige Impfstoffmenge für einen effektiven Schutz.
Kann ein wenig erforschter Lebendimpfstoff zu einer Gefahr werden?
Dass es Probleme mit Lebendimpfstoffen geben kann, lehrt die Vergangenheit. Erste Impfstoffansätze gegen die ASP waren bereits in den 1960er-Jahren verfügbar. Die Lebendimpfstoffe basierten auf abgeschwächten ASPV-Stämmen und wurden in den 1960er-Jahren sowohl in Portugal als auch in Spanien tausendfach unter Feldbedingungen eingesetzt. Leider verursachten sie bei vielen geimpften Tieren noch Monate nach der Impfung schmerzhafte chronische Läsionen bis hin zu Totalverlusten. Schließlich wurde der Einsatz im Feld eingestellt. Die Sicherheitsaspekte der heutigen ASP-Lebendimpfstoffkandidaten müssen sehr genau geprüft werden. Gleichzeitig darf das aber nicht die weitere Forschungsarbeit ausbremsen.
Vietnam erklärte jüngst, den ersten sicheren, kommerziellen ASP-Impfstoff entwickelt zu haben. Wie ordnen Sie das ein?
Dieser Impfstoff ist definitiv ernst zu nehmen. Die Studien, die zu diesem Impfstoffkandidaten durch die amerikanischen Kollegen publiziert wurden, weisen auf eine hohe Sicherheit und Wirksamkeit hin. Allerdings wird der im Feld eingesetzte Impfstoff derzeit auf Makrophagen produziert. In der EU ist dieses Verfahren nicht etabliert, weil es u.a. nicht gut standardisierbar ist und Spendertiere benötigt.
Nehmen wir an, der vietnamesische Impfstoff wirkt. Wie sieht der Weg hin zu einer EU-Zulassung aus?
Da es sich um ein gentechnisch verändertes Virus handelt, muss eine zentrale Zulassung über die Europäische Arzneimittel-Agentur in Amsterdam erfolgen. Dazu muss ein Hersteller ein Dossier zusammenstellen, welches intensiv geprüft wird, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten nachzuhalten. Darüber hinaus ist der Produktionsprozess offenzulegen. Normalerweise dauert ein solches Zulassungsverfahren einige Jahre und bislang hat kein Hersteller einen entsprechenden Antrag gestellt.