Manche Präparate zur Zyklussteuerung werden aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen. Es gibt Diskussionen um den Tierschutz. Geht es auch ohne PMSG?
Regina Imhäuser, SUS
In der Sauenhaltung wird mit festen Gruppen gearbeitet. Damit die Gruppen zusammenbleiben und auch Jungsauen passend eingegliedert werden können, wird der Zyklus der Tiere gezielt gesteuert. Für die Brunststimulation, -synchronisation und Zyklusinduktion kommt dabei u.a. das Sexualhormon Pferdeserum-Gonadotropin (PMSG: pregnant mare serum gonadotropin) zum Einsatz. Der aktuellere Begriff lautet eCG (equines Chorion Gonadotropin).
Beim Schwein wirkt eCG in erster Linie wie das körpereigene Hormon FSH, also das Follikel stimulierende Hormon. Folgende Tierarzneimittel mit eCG sind in Deutschland zugelassen: Pregmagon und Suigonan. Zugelassen sind zudem Intergonan, Gestavet und Fertipig, allerdings sind diese aktuell im Handel nicht verfügbar.
Produziert wird eCG von tragenden Stuten zwischen dem 40. und 130. Trächtigkeitstag (Tragedauer 320 bis 360 Tage). Es kann in dieser Zeit aus ihrem Blutserum extrahiert werden. Pony-Rassen bilden mehr eCG als Voll- oder Warmblüter.
Fragwürdige Methoden
In Südamerika deckten Tierschützer 2015 tierschutzwidrige, teils brutale Methoden der Blutgewinnung auf. Die Stuten waren nach den Wochen der Blutentnahme entkräftet, manche starben an Blutanämie. Nach der eCG-Gewinnung wurden teilweise Aborte eingeleitet, damit die Stute zügiger neu gedeckt werden kann.
Die Aufnahmen führten dazu, dass einige Pharmaunternehmen darauf verzichteten, eCG aus Südamerika zu importieren. Die Produktion hat sich seitdem vermehrt in die EU verlagert, vor allem nach Island. So soll es laut Animal Welfare Foundation (AWF) in Island aktuell rund 5000 sogenannte Blutstuten geben.
Aber auch dort sollen viele Stuten unter der Blutgewinnung leiden, wie der AWF Anfang 2022 anhand von Bildern und Videos aus Island gezeigt hat. Auf einer gefilmten Islandpferdefarm werden die trächtigen, häufig halbwilden Stuten in Boxen fixiert, der Kopf hochgebunden und eine etwa fingerdicke Kanüle in die Halsvene gesetzt. Rund fünf Liter Blut werden den Stuten so wöchentlich über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen entnommen.
Suisseporcs mit Verbot
In der Schweiz haben die Filmaufnahmen des AWF in den Medien hohe Wellen geschlagen. Der Schweizer Bauernverband hat auf Antrag des Schweineverbandes Suisseporcs deshalb entschieden, innerhalb des Basisprogramms QM Schweizer Fleisch ab 1. September 2022 auf eCG ganz zu verzichten.
Auch in Deutschland haben die Tierschutzorganisationen das Thema längst auf der Agenda. So haben der Deutsche Tierschutzbund und AWF Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir aufgefordert, sich für ein Verbot der Produktion, des Imports und der Anwendung von eCG einzusetzen. Und bereits im Oktober 2021 hatte das Europäische Parlament die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten aufgerufen, hier aktiv zu werden.
Befeuert wird die Diskussion auch dadurch, dass der Verkauf von eCG-haltigen Tierarzneimitteln in Deutschland gestiegen ist. Von Februar 2016 bis Ende Januar 2019 wurden laut den Auswertungen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) rund 6,4 Mio. Einzeldosen an Sauen in Deutschland verabreicht. In den drei Jahren zuvor waren es rund 4 Millionen Dosen gewesen.
Zootechnik ist Grundlage
Doch geht es auch ohne eCG in der Sauenhaltung? Dieser Frage sind Prof. Dr. Axel Wehrend von der Universität Gießen und Prof. Dr. Johannes Kauffold von der Universität Leipzig im Rahmen eines vom BMEL mit 123000 € geförderten Projekts nachgegangen. Dabei wurden neben einer wissenschaftlichen Betrachtung auch konventionelle Betriebe befragt, die schon jetzt auf eCG verzichten. Die Ergebnisse findet man unter www.mud-tierschutz.de/schweine/brunstsynchronisation
Grundsätzlich gibt es drei mögliche Vorgehensweisen beim Verzicht auf eCG:
- Gänzlicher Verzicht auf Hormongabe
- Gabe von Hormonen, welche eine ähnliche Wirkung wie eCG zeigen.
- Hormonelle Steuerung der Fortpflanzung mit Wirkstoffen, deren Wirkungen nicht dem Effekt von eCG ähneln.
Grundlage jeder Maßnahme sollte immer eine gesunde Sau sein. Denn weder die Bio- noch die Zootechnik können kranke oder unreife Tiere oder schlechtes Management ausgleichen.
Unter Zootechnik versteht man alle Fütterungs-, Haltungs- und Managementmaßnahmen, die die Furchtbarkeit der Sau positiv beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Eberkontakt, der Kontakt zu anderen rauschigen Sauen, Flushing-Fütterung, Lichtprogramme, Bewegung etc. Sie sind die Basis für ein erfolgreiches Belegmanagement.
Alternativen sind verfügbar
Aufbauend auf einer gesunden Sau und einem guten Belegmanagement gibt es im Bereich der Biotechnik drei Möglichkeiten, um auf eCG zu verzichten:
- Brunststimulation/-synchronisation durch Follikelstimulation,
- Ovulationsinduktion ohne vorherige Follikelstimulation,
- Kombination aus Rauschestimulation und Ovulationsinduktion.
Für die Follikelstimulation steht das synthetisch hergestellte Hormon Peforelin als Alternative zu eCG zur Verfügung. Es besitzt vor allem FSH-freisetzende Wirkung und wird einmalig intramuskulär bei Altsauen 24 Stunden nach dem Absetzen bzw. bei Jungsauen 48 Stunden nach der Zyklusblockade verabreicht.
Theoretisch wäre auch synthetisches eCG eine Alternative zu natürlichem. Allerdings gelingt es (bisher) nicht, eCG für die kommerzielle Nutzung synthetisch herzustellen. Knackpunkt sind die Zuckerseitenketten, die besonders wichtig für die biologische Funktion des eCG sind.
Drei Präparate zur Ovulation
Für die Ovulationsinduktion stehen in Deutschland drei Wirkstoffe zur Verfügung. Buserelin ist ein künstlich hergestelltes GnRH-Analogon und hundert- bis zweihundertfach stärker wirksam als natürliches GnRH. Es löst die Ovulation ovulationsbereiter Follikel aus. Buserelin verabreicht man einmalig intramuskulär oder subkutan bei Jungsauen 115 bis 120 Stunden nach Ende der Zyklusblockade und bei Altsauen 83 bis 89 Stunden nach dem Absetzen.
Ein weiterer Wirkstoff ist das hCG (humanes Chorion Gonadotropin), das während der Schwangerschaft im menschlichen Mutterkuchen gebildet wird. Durch die Extraktion aus dem Urin schwangerer Frauen ist die Gewinnung ethisch vertretbar. hCG zeigt vor allem LH-Wirkung in der Sau und führt so zur Ovulation. Es wird einmalig intramuskulär verabreicht bei Jungsauen 120 Stunden nach Ende der Zyklusblockade und bei Altsauen nach dem Absetzen, abhängig von der Dauer der Säugezeit.
Zur Ovulationsinduktion steht darüber hinaus Gonadorelin zur Verfügung. Es ist ein synthetisch hergestelltes Hormon und besitzt die gleiche chemische Struktur wie das natürliche GnRH. Es löst in der Sau die Ovulation aus und wird einmalig intramuskulär oder subkutan gegeben. Jungsauen erhalten Gonadorelin 120 bis 122 Stunden nach Ende der Zyklusblockade und Altsauen nach dem Absetzen, abhängig von der Länge der Säugezeit. So führt z.B. eine kürzere Säugezeit zu einem längeren zeitlichen Intervall zwischen Absetzen und Gonadorelin-Gabe.
In anderen Ländern kommt zur Ovulationsinduktion zudem Triptorelin zum Einsatz. Es ist ein dem GnRH ähnliches Hormon und wird als intravaginales Gel verabreicht. In Deutschland ist es jedoch nicht zugelassen.
Die Wirkstoffe zur Ovulationsinduktion können auch mit Peforelin zu vorgeschalteten Follikelstimulation kombiniert werden.