Fitte Ferkel und mütterliche Sauen sind das Ziel jedes Ferkelerzeugers. Was die Zucht dafür leistet, erklärt Hans Faber, Zuchtleiter im Hybridzuchtprogramm bei German Genetic.
Regina Imhäuser, SUS
Fruchtbarkeit, Ferkelvitalität, Langlebigkeit, Mütterlichkeit: Die Liste der Anforderungen an die Sauengenetiken ist lang. Besonders das mütterliche Verhalten ist in den vergangenen Jahren durch die Bewegungsbuchten und das freie Abferkeln in der Biohaltung in den Fokus gerückt.
Vor einem Jahr hat German Genetic den sogenannten Maternal-Faktor eingeführt, um die Mütterlichkeit zu verbessern. Wofür er steht und was er leistet, berichtet Hans Faber im Interview.
Was bedeutet der Maternal-Faktor und wie setzt er sich zusammen?
Der Maternal-Faktor ist als spezifisches Maß für Aufzuchteffizienz in der Mutterrassenzucht definiert. Dabei werden die Merkmale abgesetzte Ferkel und Aufzuchteffizienz im Verhältnis von 40% zu 60% gewichtet. Aufzuchteffizienz beschreibt das Verhältnis von abgesetzten zu lebend geborenen Ferkeln. Bei beiden Merkmalen unterscheiden wir zwischen dem ersten Wurf und den Folgewürfen.
Warum ist diese Unterscheidung wichtig?
Die differenzierte Betrachtung der Würfe geht auf Ergebnisse einer Forschungsarbeit zum Thema Fruchtbarkeit zurück. Die dort gefundenen, vergleichsweise niedrigen Korrelationen zwischen dem ersten Wurf und den Folgewürfen legten nahe, die Würfe als unterschiedliche Merkmale zu betrachten und in der Zuchtwertschätzung differenziert zu modellieren.
Der erste Wurf scheint also immer eine besondere Situation zu sein: Hat die Sau hier beispielsweise hohe Verluste, muss das nicht zwangsläufig in den Folgewürfen auch so sein.
Welche Tiere werden mit dem Maternal-Faktor ausgezeichnet?
Wir ermitteln den Maternal-Faktor für jedes Zuchttier unserer Mutterrassen Deutsches Edelschwein (DE) und Deutsche Landrasse (DL) im Rahmen der Zuchtwertschätzung. Der Maternal-Faktor von Jungsauen beruht auf dem Pedigree-Zuchtwert der Eltern für die Merkmale abgesetzte Ferkel und Aufzuchteffizienz unter Berücksichtigung der vorhandenen Informationen aus der genomischen Zuchtwertschätzung, bei Sauen natürlich auch auf der jeweiligen Eigenleistung.
Wie wird der Maternal-Faktor ausgewiesen und wo liegen sehr gute Werte?
Der Mittelwert ist bei 0 definiert. Das heißt, dass Sauen mit einer unterdurchschnittlichen Mütterlichkeit einen negativen Maternal-Faktor haben und Sauen mit einer überdurchschnittlichen einen positiven. Bezogen auf die aktive Zuchtpopulation liegen sehr gute Werte bei den Mutterrassen DL und DE bei mehr als +20 Punkten.
Mit dem Mittelwert 0 grenzen wir den Maternal-Faktor eindeutig vom Gesamtzuchtwert ab. Das erleichtert, die beiden Werte zu unterscheiden. Der Gesamtzuchtwert hat ein mittleres Niveau von 100 Indexpunkten.
Welche Erfahrungen haben die Züchter gemacht?
Den Maternal-Faktor haben wir im Frühjahr 2021 eingeführt. Im Verlauf des Sommers 2021 wurden das Zuchtbuch und die Sauenplaner der Betriebe angepasst bzw. erweitert. Seitdem wird der Maternal-Faktor neben dem Gesamtzuchtwert und anderen Faktoren als zusätzliches Kriterium herangezogen, um Eber und Sauen zur Remontierung auszuwählen und um Hybridsauen zu selektieren. Die ersten Erfahrungen sind sehr vielversprechend.
Was heißt das konkret?
Tiere mit einem überdurchschnittlichen Maternal-Faktor haben etwas mehr lebend geborene Ferkel, deutlich mehr abgesetzte Ferkel und geringere Verluste. Diese Zusammenhänge lassen sich sehr schön grafisch darstellen. Eine Steigerung von 10 Punkten im Maternal-Faktor bedeutet, dass die Ferkelverluste um 1,6 Prozentpunkte sinken.
Gilt das auch bei Hybridsauen?
Ja. Von Hybrid-Jungsauen mit deutlich positivem Maternal-Faktor erwarten wir in erster Linie eine verbesserte Aufzuchtleistung und verringerte Verluste gegenüber Jungsauen mit unterdurchschnittlichem Maternal-Faktor.
Und wie profitieren Eigenremontierer?
Eigenremontierer können gezielt Vorstufeneber auswählen, die beim Maternal-Faktor überdurchschnittliche Werte aufweisen. So können sie ihre Sauenherde auf diesem Wege hinsichtlich Aufzuchtleistung und Mütterlichkeit verbessern.
Ist damit zu rechnen, dass sich auch die Wurfqualität verbessert?
Möglicherweise wirkt sich die Selektion nach Maternal-Faktor auch positiv auf die Milchleistung und damit auf die Wurfqualität aus. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir das allerdings noch nicht quantifizieren.
Gibt es auch negative Korrelationen?
Zuchtplanungsanalysen deuten darauf hin, dass eine züchterische Berücksichtigung des Maternal-Faktors mit einem relativen Rückgang im Merkmal lebend geborene Ferkel einhergeht. Relativer Rückgang bedeutet, dass der Anstieg bei den lebend geborenen Ferkeln weniger deutlich ausfällt als der Anstieg bei den abgesetzten Ferkeln, was letztlich die positiven Effekte bei den Verlusten bedingt.
Wie bewerten Sie das?
Aufgrund der Problematik der großen Würfe und den daraus resultierenden höheren Verlusten sehen wir hierin eine richtige und notwendige neue Weichenstellung. Auch aus Sicht des Tierschutzes und der Tierethik. Weitere negative Korrelationen zu anderen, insbesondere auch ökonomisch relevanten Merkmalen sind nicht bekannt und nach aktueller Datenlage auch nicht zu erwarten.
Soll der Maternal-Faktor auch weiterentwickelt werden und wenn ja, wie?
Wir überlegen, weitere Merkmale zu integrieren, mit dem Ziel, eine Zuchtwertschätzung Mütterlichkeit zu entwickeln. Vorstellbar wäre auch ein separater Index Mütterlichkeit, gegebenenfalls auch ein Wurfqualitätsindex mit neuen bzw. anderen Merkmalen. Aus Sicht des EIP-Projekts ZSH2V zählen dazu einzeltierbezogene Geburts- und Absetzgewichte, Wurfqualitätsmerkmale sowie verschiedene Verhaltensmerkmale, z.B. das Vorabliege- und das Abliegeverhalten.