Das Angebot an verschiedenen Eberlinien auf den KB-Stationen hat sich vergrößert. Der Fokus der Züchter liegt auf Wuchs, Futtereffizienz und Robustheit.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Mit dem immer rascher ablaufenden Strukturwandel schwindet die Anzahl der Sauenhalter. Viele Zuchtunternehmen haben erkannt, dass neben dem Jungsauengeschäft für sie auch der Ebermarkt immens wichtig ist. Dabei wollen die Anbieter für jeden Ferkelerzeugerbetrieb den passenden Eber anbieten können.
Nach wie vor ist die Vaterrasse Piétrain in Deutschland sehr populär. Folglich sind die bewährten Pi-Eberlinien weiterentwickelt worden, wie uns die Zuchtunternehmen bei einer Umfrage versichern. Gleichzeitig bieten viele Unternehmen mittlerweile Alternativeber an. Das kann ein Duroc oder ein Vertreter einer weißen Linie sein. An der internen Befragung nahmen BHZP, EGZH München, German Genetic, Hypor, PIC und Topigs Norsvin teil.
Piétrain liegt vorn
Zunächst zum Piétrain: Gemessen an der Stückzahl der KB-Eber hat sich die PIC mit dem Eber 408 zum Schwergewicht entwickelt. Immerhin sind es nach Angaben des Unternehmens 1530 Vatertiere, die über die KB in der Produktionsstufe eingesetzt werden.
Dann folgen BHZP mit ca. 900 db.77er-Ebern und German Genetic mit 880 German Piétrain-Ebern. Das Unternehmen Topigs Norsvin schickt den TN Select ins Rennen. Hiervon sind zurzeit 750 Vatertiere auf KB-Stationen. Der regional stark eingesetzte aber auch über die Landesgrenzen hinaus gekannte und geschätzte Bavarian Piétrain ist mit 500 KB-Ebern vertreten. Doch der am schnellsten wachsende Piétraineber ist laut Hypor ihr Eber Maxter, von dem bundesweit etwa 60 Vatertiere auf den Besamungsstationen stehen.
In der Summe sind dies 4620 Piétraineber auf bundesdeutschen Besamungsstationen, die uns die sechs Teilnehmer der Umfrage gemeldet haben. Das entspricht etwa 90% der Eber, die insgesamt von den sechs Zuchtunternehmen zur Verfügung gestellt werden (s. Übersicht).
Duroc im Aufwind
Es kommen jedoch die Duroceber hinzu, die in Dänemark aufgezogen und von Danish Genetics und DanBred vermittelt werden. Rechnet man diese etwa 600 Vatertiere mit ein, vermindert sich der Anteil der Piétrains auf knapp 81%.
Unterm Strich hat in den letzten Jahren die Bedeutung des Durocs deutlich zugenommen. Aus diesem Grund haben PIC, BHZP, Hypor und auch German Genetic eigene Duroclinien oder -kreuzungen entwickelt. Zusammen kommen die Unternehmen auf immerhin knapp 300 Duroc-Vatertiere auf KB-Stationen.
Schätzungsweise 15% der Sauen werden bereits heute mit Duroc-Sperma belegt. Ob dieser Trend anhält, wollten wir von den Zuchtexperten der an der Befragung teilnehmenden Unternehmen wissen. Sie sollten angeben, ob der bundesweite Duroc-Anteil bis 2023 stagniert, leicht oder deutlich zunimmt. Einige schätzen, dass dieser auf 20 bis 25% steigt, wenn Ferkelerzeuger und Mäster weiter bessere Futterverwertungen und Wuchs und der Ferkelaufzüchter robuste und vitale Tiere wünschen.
Andere sehen nur ein geringes Wachstumspotenzial, gerade auch im Hinblick auf eine möglicherweise längere Phase der ASP-Krise mit schlechten Preisen und Exportschwierigkeiten. Auch die schlechtere Ausschlachtung spricht mit einem Preisnachteil von 2 bis 3 € je Schlachtschwein eher für ein moderates Wachstum der Duroc-Fraktion.
Weiße Eber mischen mit
Um die Alternativeber nachhaltig und in größerem Umfang zu etablieren, wären Anpassungen des Bezahlsystems bzw. der Masken vonnöten, warf ein Teilnehmer ein. Ein anderes Unternehmen bestätigte den Hype auf die wachstumsbetonten Alternativeber und stellte fest, dass dies keine Frage der Farbe ist. Demnach haben auch weiße, auf Wuchs selektierte Endprodukteber gute Chancen.
Zu nennen sind hier der TN Tempo, der Wuchs und Vitalität mitbringen soll. Nach Unternehmensangaben stehen bereits 170 Vatertiere auf bundesdeutschen Besamungsstationen. Hinzu kommen weitere 50 PIC 410-Eber. Der Leistungsunterschied zwischen Piétrain und den weißen Vaterlinien wird mit 40 bis 60 g höheren Zunahmen, aber auch etwas schlechter bewerteten Schlachtkörpern angegeben. Entscheidender ist die Robustheit der Masttiere, was sich beim Einsatz der weißen Vaterlinien in geringeren Verlustraten widerspiegeln soll.
Auch der aus der Schweiz kommende Eber Premo (Suisag) würde in diese Kategorie passen. Neben Wuchs und Vitalität wirbt das Unternehmen auch damit, dass reinerbig ColiF18-resistente Premo-Eber im Angebot sind.
Zuchtziele anpassen
Weiter wollten wir von den Unternehmen wissen, welche Zuchtziele künftig an Bedeutung gewinnen und welche eventuell sogar in der Gewichtung zurückgenommen werden. Hier war man einhellig der Meinung, dass es bei Piétrain die Merkmale Futtereffizienz und Wuchs sind, die an Bedeutung gewinnen.
Wobei dies eindeutig auch vom erreichten Stand abhängig ist. Ein Unternehmen wies auf die wichtige Frage der N-/P-Ausscheidungen hin, die insgesamt reduziert werden müsse. Und die Erfassung der Nährstoffeffizienz erfordere Kapazitäten auf Prüfstationen.
Gleichzeitig, da waren sich wiederum alle einig, müsse man die Vitalität und Robustheit der Tiere züchterisch verbessern. Der züchterische Fortschritt in Bezug auf gesundheits- und robustheitsrelevante Merkmale soll beschleunigt werden, auch wenn es sich um Merkmale ohne direkte ökonomische Bewertung handelt.
Ein anderes Merkmal mit nicht direkter ökonomischer Bewertung ist die Fleischbeschaffenheit bzw. -qualität. Dieses Zuchtmerkmal könnten ebenfalls an Bedeutung gewinnen. Unterschiedliche Meinung gab es, ob der Geschmack und die Saftigkeit oder die Verarbeitungseigenschaften im Fokus stehen sollten.
Beim Fleischanteil waren sich die Befragten wiederum einig: Dieser sollte auf dem jetzigen Niveau gehalten werden können. Das Zuchtunternehmen Hypor will mit hochwertigen, uniformen Schlachtkörpern überzeugen, weshalb aus deren Sicht ein Kreuzungseber auszuschließen ist.
Neue Zuchtwerkzeuge
Andere Unternehmen nannten ebenfalls die Uniformität im Zusammenhang mit den Schlachtkörperqualitäten und verweisen auf die genomische Selektion, die in dieser Hinsicht Fortschritte gebracht hat. Das Potenzial des neuen Zuchtwerkzeugs ist seit langem bekannt. Die meisten Unternehmen sind bereits vor sechs bis sieben Jahren eingestiegen.
Die Implementierung in die Zuchtprogramme wurde jedoch anfangs nicht so konsequent umgesetzt wie in der Rinderzucht. Deshalb wollten wir wissen, welche Bedeutung die genomische Selektion heute insgesamt hat und wie hoch der Anteil Ebermütter ist, der genomisch typisiert ist.
Das Ergebnis hat uns überrascht: Alle sechs Unternehmen gaben an, dass mittlerweile 100% des Nukleus typisiert wird bzw. man auf den Weg nach 100% ist. Das heißt, dass nicht nur die potenziellen Besamungseber beprobt werden, sondern auch die zu remontierende Jungsau, die später eine Ebermutter werden soll.
Die genomische Typisierung in Kombination mit anderen neuen Techniken werden die Möglichkeiten der Zucht auf Resistenzen gegen Krankheiten verbessern, ist man sich unter den Züchtern sicher. Die Zucht auf die E.Coli F18- und F4-Resistenz ist z.B. wichtiger Bestandteil der Zuchtarbeit der EGZH, da Marker bekannt sind. Auch German Genetic ist es innerhalb der Piétrain-Population gelungen, Coli-resistente Tiere herauszufiltern. Bei dem TN Tempo-Eber wird der Marker WUR SNP zur besseren Resistenz gegenüber PRRS-Virus genutzt.
Langfristig bieten aber auch Merkmale zur Verbesserung der Resilienz Potenzial. Die psychische Widerstandsfähigkeit ist durch entsprechende Selektion verbesserbar. Diese Philosophie vertreten PIC und BHZP. Auch könnten neue Zuchtmethoden wie Gene Editing in Sachen echter Resistenzzüchtung effizient genutzt werden. Sie sind aber in Europa nicht zugelassen.
Label für Langschwanz & Co.
Die Erfahrungen zeigen, dass der Spermakunde Orientierung sucht und Zusatzqualifikationen schätzt. Innerhalb der Pi-Linien wurden zunächst Eber ausgezeichnet, die besonders viel Wuchs oder überdurchschnittliche Schlachtkörperqualitäten vererben. EGZH und German Genetic verfolgen weiterhin sehr konsequent diesen Weg.
Doch heute kommen weitere Eigenschaften hinzu, z.B. die Vererbung von weniger Ebergeruch. Hier sind BHZP, EGZH und German Genetic aktiv. Ein anderes Thema ist die Eignung der Vatertiere für die Langschwanzmast. BHZP mit dem db.77 Teamplayer sowie German Genetic mit dem Piétraineber Gentleman sind hier unterwegs.
Wer mit Fleischqualität punkten will, sollte auf das Zusatzlabel Gourmet von German Genetic achten. Dies wird vergeben, wenn in puncto pH-Wert 45, Tropfsaftverlust und IMF-Gehalt eine Vorzüglichkeit festgestellt wird.
Wie bereits erwähnt, zeichnen EGZH und German Genetic Eber aus, die resistent gegen E.Coli sind. Weitere Label sollen eingeführt werden, z.B. bei German Piétrain das Label Hermes. Dieses ist Endproduktebern mit großem Futteraufnahmevermögen vorbehalten.
Künftig könnten sich Nischenmärkte entwickeln, die besonders hohe IMF-Gehalte von 3 bis 4% im Endprodukt honorieren. Topigs Norsvin bzw. Hypor stellen hierfür mit Duroc IMF und Kanto spezielle Duroc-Eber zur Verfügung. Die Anzahl KB-Eber der ursprünglich für die Serranoschinken-Produktion entwickelten Durocs ist aber noch überschaubar.
Dazu würde sich auch der Eber Avenir von German Genetic gesellen, der unter Nutzung einer speziell selektierten Duroclinie entwickelt und 2021 eingeführt werden soll. Die Betonung liegt auf Wuchs in Verbindung mit ausgeprägter Robustheit und sehr guter Fleischbeschaffenheit.