Wer Nebenprodukte im Schweinetrog einsetzt, kann sich in den letzten Monaten über eine äußerst günstige Marktentwicklung freuen. So haben sich die Bezugspreise für wichtige Nebenerzeugnisse seit dem Hochpreisjahr 2022 praktisch halbiert. Insbesondere seit Beginn dieses Jahres ist der Markt stark unter Druck, sodass die Händler ihre Preise fast im Wochentakt zurücknehmen mussten.
Fazit
Die Kosten wichtiger Nebenprodukte haben sich seit dem Preishoch 2022 etwa halbiert.
Der Hebel zur Senkung der Futterkosten ist derzeit besonders groß.
Jedoch schlägt die Lager- und Pumptechnik flüssiger Nebenprodukte mit bis zu 30.000 € zu Buche.
Durch das große Angebot erwarten Vermarkter weiter eine hohe Preiswürdigkeit im Vergleich zu Getreide.
Das Thema Nachhaltigkeit fördert den Einsatz von Nebenprodukten.
Wie stark der Preisverfall ist, zeigen u. a. aktuelle Auswertungen des niederländischen Fachmagazins Boerderij. Die Erhebungen spiegeln auch die Marktsituation in Deutschland gut wider. Denn viele Nebenprodukte werden unter ähnlichen bzw. denselben Produktnamen grenzüberschreitend vermarktet.
Bezugspreise halbiert
Ein wichtiges Nebenprodukt in der Schweinefütterung ist flüssige Weizenstärke. Sie fällt bei der Gewinnung von Stärke an und zeichnet sich durch ihren hohen Energiegehalt und ihre Schmackhaftigkeit aus (siehe Übersicht 1).
Aus Weizen gewonnene Stärke wird in der Lebensmittelindustrie aber auch bei der Herstellung von Verpackungskartons verwendet. Und weil Amazon und Co. immer mehr davon benötigen, wurde die Produktion stark ausgebaut.
Im Sommer 2022 lag der Bezugspreis von flüssiger Weizenstärke eines größeren Anbieters noch bei 4,65 € je Tonne und Prozent Trockensubstanz. Im vergangenen Jahr brach der Preis bereits um rund 30 % auf etwa 3 € ein. Ab Januar dieses Jahres kam es dann zu einem regelrechten Preissturz bei Weizenstärke. Seither stagniert der Kurs bei 1,90 € je Tonne und Prozent TS (siehe Übersicht 2).
Ähnlich rasant ist der Preisverfall bei Weizenschlempe, die ebenso einen hohen Stellenwert im Schweinetrog hat. Weizenschlempe entsteht bei der Gewinnung von Bioethanol und zeichnet sich durch hohe Proteingehalte von 25 % bei 88 % Trockensubstanz aus. Aufgrund des Geschmacks sind die Einsatzmengen aber insbesondere bei jüngeren Schweinen zu begrenzen.
Im Herbst 2022 mussten Landwirte für Weizenschlempe eines namhaften Anbieters noch mehr als 4 € je Tonne und Prozent Trockensubstanz bezahlen. Im letzten Herbst fiel der Preis für das Produkt bereits zeitweise unter die 3 €-Marke. Ab Februar 2024 ging es nochmal steil bergab. Bei der jüngsten Preiserhebung im Mai kostete Weizenschlempe dieses Anbieters nur noch 1,75 € je Tonne und Prozent TS.
Noch früher begann der Preisrutsch bei Kartoffeldampfschalen. Von Januar bis März dieses Jahres brach der Preis bei wichtigen Anbietern von 2,50 € auf 1,60 € je Tonne und Prozent TS ein (siehe Übersicht 3). Seither verharrt er auf diesem Niveau, was etwa die Hälfte des Spitzenpreises aus dem vorletzten Jahr markiert. Kartoffeldampfschalen zeichnen sich durch einen hohen Anteil aufgeschlossener Stärke aus und können das Flüssigfutter über längere Zeit homogen halten.
Mischprodukte gefragt
Im Sog der mengenmäßig wichtigen Produkte aus der Weizen- und Kartoffelverarbeitung sind weitere Nebenerzeugnisse wie Molke oder Brot- und Schokomehle deutlich billiger geworden.
Ähnliche Preistendenzen zeigen sich bei den Mischerzeugnissen aus mehreren Nebenprodukten, die eine wachsende Marktbedeutung einnehmen. Die Kombiprodukte sollen die Vorteile verschiedener Nebenprodukte vereinen und mit vergleichbar geringem Aufwand für die Lager-, Rühr- und Pumptechnik größere Getreidemengen in der Ration ersetzen.
Viele Mischerzeugnisse durchlaufen eine Fermentation, um vergleichbar mit den Einzelkomponenten eine höhere Lagerstabilität zu ermöglichen
Mehr Ware am Markt
Dass die Preise für Nebenprodukte so stark eingebrochen sind, führen Marktkenner auf das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse zurück. Als Hauptfaktor gilt die deutlich gestiegene Angebotsmenge. Insbesondere der Markt für flüssige Weizenstärke ist hierdurch stark unter Druck geraten. Großen Einfluss hat dabei der US-Konzern Cargill, der letztes Jahr ein neues Weizenstärke-Werk für fast 200 Mio. € im rheinländischen Krefeld in Betrieb genommen hat.
Allein dieser Standort produziert eine zusätzliche Jahresmenge von 250.000 t flüssiger Weizenstärke. Nach dem vollständigen Hochfahren der neuen Kapazitäten kann sich der Anfall dieses Nebenproduktes in Krefeld auf 500.000 t verdoppeln.
Eine weitere Angebotserhöhung um etwa 200.000 t flüssige Weizenstärke er-warten Insider beim Mühlenbetrieb Jäckering, der seine Kapazitäten im westfälischen Hamm ebenfalls ausbaut.
Ein erheblich größeres Angebot gibt es auch bei Kartoffeldampfschalen. Dies hat damit zu tun, dass viele Kartoffeln relativ feucht geerntet wurden und nun schnell verarbeitet werden müssen. Zudem ist die Kartoffelqualität geringer, sodass bei der Verarbeitung in diesem Jahr größere Mengen an Abschnitten anfallen. Zudem hat u. a. die Pommesindustrie ihre Produktion kräftig hochgefahren, um für die Großereignisse um die Fußball-EM und die Olympischen Spiele in Paris gerüstet zu sein.
Die Beschaffung der Rohwaren ist für die Industrie unproblematisch. So sind aufgrund der vergleichsweise guten Erlösmöglichkeiten weitere Landwirte in den Kartoffelanbau eingestiegen. Der Bezug von Weizen gestaltet sich aufgrund des florierenden Welthandels ebenfalls einfach. Zumal die Mischfutterindustrie aufgrund des Abbaus der Tierbestände in Deutschland weniger Getreide benötigt.
Nachfrage schwächelt
Auch auf der Nachfrageseite gibt es momentan mehrere Faktoren, die die Preise purzeln lassen. So trifft das große Angebot an Nebenprodukten derzeit auf einen begrenzt aufnahmefähigen Markt. Ähnlich wie beim Mischfutter leidet der Absatz von Nebenprodukten darunter, dass die Schweinebestände in Deutschland aber auch in den Niederlanden stagnieren bzw. weiter rückläufig sind.
Hinzu kommen größere Mastbetriebe insbesondere in den neuen Bundesländern, die ihre Ställe aufgrund der Ferkelknappheit nicht voll auslasten. Außerdem verkaufen einige Kombibetriebe ihre Ferkel lieber teuer als sie selbst zu mästen.
Neben dem Ungleichgewicht aus Angebot und Nachfrage hat der Preisrutsch bei den Nebenprodukten auch mit den gesunkenen Getreide- und Mischfutterpreisen zu tun. Denn beide Futterschienen konkurrieren um den Einsatz im Schweinetrog. So ist seit Jahren eine enge Kopplung zwischen den Preisen für Getreide und denen für Nebenprodukte zu verzeichnen.
Allerdings scheint die Preiskopplung seit Anfang dieses Jahres unterbrochen. So konnten sich die Getreidekurse in den letzten Monaten stabilisieren und zogen zuletzt sogar wieder leicht an. Im Gegensatz dazu ging es für die Nebenprodukte aufgrund des hohen Angebotsdrucks preislich weiter steil bergab.
Hierbei ist zu beachten, dass der Preis der Nebenprodukte keine Steuerungsfunktion hat. Das heißt, selbst sehr niedrige Erlöse für die Nebenerzeugnisse sorgen nicht dafür, dass das Angebot zurückgeht. Denn allein die Hauptprodukte wie Pommes oder Stärke bestimmen, wie viele Nebenprodukte anfallen. Und hier sind sich alle Marktbeteiligten einig: Das Aufkommen an Nebenprodukten bleibt hoch und steigt er weiter.
Rationsanteil erhöhen?
Hinzu kommt die geringe Transportwürdigkeit von Nebenprodukten aufgrund ihrer niedrigen TS-Gehalte. Bei knappem Frachtraum bzw. den deutlich gestiegenen Logistikkosten ist das ein gravierender Nachteil.
Ein wichtiger Ansatz für die Anbieter von Nebenprodukten ist es daher, den Absatz anzukurbeln. Doch neue Abnehmer zu finden ist schwierig. Denn viele Schweinehalter scheuen auch vor dem Hintergrund der unsicheren politischen Rahmenbedingungen vor Investitionen zurück. Je nachdem, ob auch gebrauchte Komponenten zur Verfügung stehen, sind für den Lagertank sowie für die Misch- und Pumptechnik für ein flüssiges Nebenprodukt überschlägig Investitionen zwischen 15.000 und 30.000 € zu kalkulieren.
„Um den Einstieg zu erleichtern, stellen wir Neukunden Leihcontainer bereit. So können sie testen, wie die Komponenten und die Technik bei ihnen funktionieren“, erklärt Friederike Oberhaus, Fütterungs- und Vertriebsberaterin bei Agravis.
Ein weiterer Hebel ist die Einsatzmengen der Nebenprodukte bei den bestehenden Kunden zu erhöhen. Der deutlich vergrößerte Preisvorteil gegenüber Getreide bzw. Mischfutter ist dabei ein wichtiges Argument. Allerdings sind bei den Rationsanteilen der Nebenprodukte die Obergrenzen der Fütterungsberatung einzuhalten, um die Mast- und Schlachtleistungen nicht zu gefährden. Bei manchen Nebenerzeugnissen sind auch Geschmacksnachteile zu beachten, was insbesondere die Einsatzmöglichkeiten bei jungen Schweinen begrenzt.
Auch aufgrund der gestiegenen Preiswürdigkeit sehen Anbieter von Nebenprodukten aber noch Luft nach oben. Dazu Ronny Seidler, Vertriebsleiter von Dieckmann Futtermittel im westfälischen Dülmen: „In den Niederlanden und Belgien sind Nebenprodukte länger etabliert und hohe Einsatzmengen von 30 bis 50 % in der Gesamtration üblich. In vielen deutschen Betrieben liegen wir erst bei 15 % Rationsanteil und verschenken Potenzial.“
Mit Nachhaltigkeit punkten
Rückenwind können Nebenprodukte auch durch das Thema Nachhaltigkeit erlangen. Denn viele Lebensmittelerzeuger und LEH-Ketten wollen ihren CO2-Fußabdruck verbessern. Und mit den Neben- bzw. Restprodukten gehen erhebliche CO2-Mengen aus der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln in Richtung Landschaft.
„Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft spielt das Schwein als Resteverwerter eine große Rolle. In den kommenden Jahren wird dies noch wichtiger und kann den Einsatz von Nebenerzeugnissen fördern“, betont Maarten Boerrigter, Fütterungsberater bei ForFarmers. Wie sich die Nachfrage nach Nebenprodukten entwickelt, hängt letztlich auch von den Bezugspreisen ab. Vermutlich bleibt die hohe Preiswürdigkeit von Nebenerzeugnissen auch in den nächsten Monaten bestehen wird. Denn das Angebot aus der Lebensmittelindustrie dürfte insbesondere bei wichtigen Produkten aus der Weizenverarbeitung sogar noch zulegen. Während die Abnahme bei stagnierenden oder sinkenden Schweinezahlen begrenzt ist.
Der Marktdruck ist enorm. So muss die Industrie bereits erhebliche Mengen an Nebenerzeugnissen mit Preisabschlägen an Biogasanlagen abgeben.