EU-Parlament lehnt Veto-Empfehlung zu Antibiotika ab

Eine weitere Einschränkung der Verwendung ganzer Antibiotikawirkstoffgruppen hat keine Mehrheit gefunden.

Das vom Umweltausschuss eingebrachte Veto gegen den delegierten Rechtsakt der EU-Kommission zur Antibiotikanutzung ist mit großer Mehrheit von den Europaabgeordneten abgelehnt worden. Insgesamt 450 Parlamentarier stimmten am vergangenen Mittwoch in Straßburg gegen die Zurückweisung des Kommissionspapiers, womit die neue EU-Tierarzneimittelverordnung zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten kann. Für das unter dem Berichterstatter, dem grünen Agrarsprecher Martin Häusling, erstellte Veto votierten 204 Abgeordnete. Enthaltungen gab es 32. Mit dem Rechtsakt werden neue Kriterien für die Anwendung von Antibiotika in der Human- und der Veterinärmedizin festgelegt, denen zufolge die anwendbaren Reserveantibiotika bei der Behandlung von Tieren bestimmt werden sollen. Als Kriterien für die Reserveantibiotika nennt die Kommission die „hohe Bedeutung für die menschliche Gesundheit“, die Gefahr der Resistenzübertragung sowie ein „nicht wesentliches Erfordernis der Tiergesundheit“.

Begründet wurde dies unter anderem mit einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellten Liste von für den Humanbereich besonders essentiellen Antibiotika. Ausdrücklich davon ausgenommen sein sollten die Behandlungen von Einzeltieren sowie Haustieren. In diesem Zusammenhang wies der Umweltausschuss darauf hin, dass im Jahr 2015 in der Europäischen Union 33 000 Menschen aufgrund antimikrobieller Resistenzen (AMR) gestorben seien. Dies entspreche einem Anstieg um mehr als 30 % gegenüber den geschätzten 25 000 Todesfällen im Jahr 2007.

Nach der Ablehnung des von ihm verfassten Vetos beklagte Häusling, dass das Europaparlament der EU-Kommission für die Erarbeitung der Liste derjenigen Antibiotika, die ab Januar 2022 als Reserveantibiotika allein der Behandlung von Menschen vorbehalten sein sollen, grünes Licht gegeben habe. Alle Stoffe, die auf dieser Liste landeten, seien dann radikal für alle Tiere, egal welcher Spezies und welcher Haltungsform, gesperrt. „Dieser Ansatz kann nicht allen gerecht werden - Tiere oder Menschen, eine Seite wird auf der Strecke bleiben“, so der Agrarsprecher der Grünen/EFA. Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im Europaparlament, Norbert Lins, hatte sich dagegen mit Nachdruck für die Ablehnung des Einspruchs gegen den delegierten Rechtsakt ausgesprochen. Laut Lins sind Reserveantibiotika sowohl für Menschen als auch für Tiere wichtige Medikamente, die Leben retten können. Ein Verbot, wie vom Umweltausschuss für viele Wirkstoffgruppen gefordert, würde nach Auffassung des CDU-Politikers dazu führen, dass kranke Tiere nicht mehr behandelt werden könnten, obwohl es wirksame Medikamente für sie gäbe. Das weltweit zunehmende Problem von Antibiotikaresistenzen könne so nicht gelöst werden.

Besonders erleichtert zeigte sich der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt). Er hatte mehrfach unterstrichen, dass die im Resolutionsentwurf geforderten Verbote für fünf Wirkstoffklassen abzulehnen seien, da gerade diesen in der Veterinärmedizin eine besondere Bedeutung zukomme. bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder erklärte, dass der jetzt mehrheitlich beschlossene Kommissionsvorschlag es den Tierärzten ermögliche, kranke Tiere weiterhin angemessen zu behandeln und den Antibiotikaverbrauch dennoch wirkungsvoll zu senken. Auch die Europäische Plattform für einen verantwortungsvollen Umgang mit Tierarzneimitteln (EPRUMA) begrüßte das Votum. Damit sei für Tierärzte der Zugang zu spezifischen lebensrettenden Behandlungen sowohl für Nutz- als auch Haustiere weiter sichergestellt. Das Parlament habe die Kriterien, um Antibiotika für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen zu reservieren, wie von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) empfohlen, als geeignet angesehen, stellte EPRUMA fest. Die Ablehnung des Entschließungsantrags habe gezeigt, dass die Abgeordneten die Bedeutung der Tiergesundheit und ihre Folgewirkungen auf die öffentliche Gesundheit, Lebensmittelsicherheit, Nahrungsmittelversorgung und die Umwelt verstanden hätten.

Zufrieden zeigte sich auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN). Es sei zu begrüßen, dass eine weitere Einschränkung der Verwendung ganzer Antibiotikawirkstoffgruppen in der Tierhaltung im Europaparlament keine Mehrheit gefunden habe. Gerade die Schweinehalter und ihre Tierärzte hätten gezeigt, wie sie gemeinsam „sehr verantwortungsvoll“ mit dem Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung umgingen. Seit Jahren belegten sowohl amtliche als auch wirtschaftsseitig erhobene Daten sehr eindrucksvoll einen sehr stark rückläufigen Einsatz von Antibiotika - und auch der Reserveantibiotika - in der Schweinehaltung, hob der ISN hervor. AgE