Die betroffene Mastanlage in Thüringen ist in puncto Tiergesundheit sehr gut aufgestellt. Der Betrieb gilt als PRRSV-unverdächtig, setzt eine strikte Schwarz-Weiß-Trennung mit Einduschen um und produziert im Rein-Raus-Verfahren. Darüber hinaus wird die Mastanlage durch regelmäßige diagnostische Maßnahmen von uns engmaschig tierärztlich überwacht.
So blieb auch nicht lange unbemerkt, dass in der Endmast ab circa 75 kg LG vermehrt schwerer, trockener Husten auftrat. Die Tiere erschienen in ihrer Agilität eingeschränkt und lagen vermehrt in Brust-Bauchlage oder hundesitziger Stellung. Die Futteraufnahme war gruppenübergreifend gut, in einzelnen Buchten aber leicht rückläufig.
Neben Abteilen bzw. Tiergruppen mit einem erhöhten Hustenindex gab es auch solche mit einer nicht so ausgeprägten Klinik. Die Verlustrate von durchschnittlich 1,5% veränderte sich kaum. Im Gesamten kristallisierte sich aber schnell heraus, dass sich im Betrieb ein Atemwegsgeschehen mit zunehmender Verschlechterung der Lungengesundheit aufbaute.
Verdachtsdiagnose M.hyo.
Der ostdeutsche Schweinemäster bezieht schon seit längerer Zeit über zwei feste Sauenbetriebe Mastläufer, die im Schnitt zwischen 18 und 26 kg wiegen. Obwohl in beiden Herkunftsbetrieben in der zweiten Lebenswoche neben PCV-2 auch im One-Shot-Verfahren gegen M. hyopneumoniae (M.hyo.) geimpft wird, deutete die Klinik in der Endmast auf die weit verbreitete Atemwegserkrankung hin. Sie zählt hier zu den wichtigsten pathogenen Primärerregern und verursacht die Enzootische Pneumonie (EP). Durch die Schädigung der Lunge ebnet sie vor allem bakteriellen Erregern den Weg und sie ist durch die typischen Spitzenlappenpneumonien zu erkennen.
Aufgrund des zunehmenden Hustenindex und der sich auch in den Schlachtbefunden niederschlagenden respiratorischen Klinik im Bestand wurden Blutproben gezogen. Damit wollten wir Differentialdiagnosen ausschließen und den PRRSV-Unverdächtigkeitsstatus bestätigen. Denn eine Influenza-Beteiligung kann die Klinik einer M.hyo.-Infektion deutlich verschlimmern. Im aktuellen Fall war dies aber nur ein serologischer Nebenbefund mit sehr niedrigen Werten und nicht für die Probleme ursächlich.
Feldstamm beteiligt
Bei der serologischen Untersuchung von Blutproben muss berücksichtigt werden, dass nicht zwischen Impf- und Feldantikörpern unterschieden werden kann. Auch die Titerhöhe ist kein Indiz für die Wirksamkeit eines Impfschutzes. Gepaarte Blutproben, sprich Proben, die über einen längeren Zeitraum demselben Tier entnommen werden, können dagegen Infektionen aufzeigen. Letztlich bleibt aber die Sektion und die Auswertung von Schlachtbefunden der goldene Standard.
Die unterschiedlichen und teilweise sehr hohen Titer bei Tieren derselben Altersgruppe und aus demselben Sauenbetrieb gaben den Hinweis auf Beteiligung eines Feldstammes, was auch immer in Bezug zur Klinik gesetzt werden muss. Hier konnte derweil ein weiter ansteigender Hustenindex beobachtet werden. Daher entschieden wir uns für eine weiterführende Diagnostik, um den Mykoplasmeninfektionsdruck im Bestand zu bestimmen und um die Fragestellung einer tatsächlich klinisch manifesten EP bei geimpften Tieren zu beantworten.
Lungencheck durchgeführt
Um den Beweis der enzootischen Pneumonie zu erbringen, ist der direkte Erregernachweis aus verändertem Lungengewebe, sprich Histomorphologie und Immunhistochemie, im Zusammenhang mit entsprechender Klinik bei den Schweinen notwendig.
Dies gelang uns nach aufwendiger Mosaikdiagnostik. So wurden Lungen vom Schlachthof ins Labor verbracht, um Proben der Spitzenlappenpneumonien auf M.hyo.-bedingte Veränderungen zu untersuchen. Diese waren jeweils naiv entnommen, danach in Formalin fixiert und nach positivem PCR-Test histologisch und immunhistochemisch untersucht worden.
Die entnommenen Lungen wurden gescort und ein EP-Index anhand EP-typischer Läsionen erstellt. Die Klinik, der Erregernachweis und die Histologie konnten in diesem Fall den Ausbruch einer enzootischen Pneumonie bestätigen. Damit stand für uns fest, dass die Ferkelimpfung beim Sauenhalter dem Mycoplasmeninfektionsdruck in der Mastanlage nicht bis zur Endmastperiode Einhalt gebieten konnte.
Einstieg in die Impfung
Der Einsatz von Antibiotika, den die Schwere der Pneumonien notwendig machte, konnte hierfür natürlich keine dauerhafte Lösung sein. Zumal der Betrieb schnell den Therapieindex überschritt und in diesem Zuge dazu verpflichtet wurde, einen Maßnahmenplan zur Senkung des Antibiotikaeinsatzes durchzuführen.
Stattdessen suchten wir zeitnah den Kontakt zu den Ferkelerzeugern, um über deren Impfkonzepte zu sprechen. Beide Betriebe wollten aber weder den Impfstoff wechseln noch das Two-Shot-Verfahren erproben. Diese Ansätze gelten sonst als probates Mittel, um Lücken im Impfschutz zu schließen. Daher entschieden wir uns in Absprache mit dem betroffenen Betrieb für eine Nachimpfung in der Mast.
Als Impfzeitpunkt wurde der Folgetag nach der Einstallung der Läufer festgelegt. Für diese Terminierung sprach unter anderem, dass die Impfung so für das Personal am besten im Betriebsablauf umsetzbar war. Außerdem trat die Klinik immer erst in der Endmast auf, sodass ausreichend Zeit für den Immunitätsaufbau blieb.
Mit dem Einstieg in die Boosterung der Einstalltiere entschieden wir uns dazu, das Lungenscoring fortzuführen, um einen objektiven Überblick über die Lungengesundheit des Bestandes zu bekommen sowie die Wirkung der spezifischen Impfmaßnahme zu beurteilen.
Durch die Corona-Pandemie kam es zu organisatorischen Schwierigkeiten und wir beschränkten uns darauf, die Lungenproben auf je zwei Proben aufzuteilen und mit ausreichend Zeit und unter Schlachthofbedingungen im Labor zu untersuchen. Dabei wurden EP-ähnliche Veränderungen in einem EP-Index (ebenso für APP-typische Veränderungen) erfasst und die Lungen anhand des Bewertungsschemas von Madec beurteilt. Im Weiteren wurden die Schlachthofergebnisse für über 10000 Mastschweine ausgewertet und die Zunahmen anhand der Einstallungsgewichte und der Masttage berechnet.
Klinik lässt nach
In den Wochen nach Beginn der Impfungen konnten wir feststellen, dass die klinischen Anzeichen in den Tiergruppen immer weiter zurückgingen. Gleiches galt für den Einsatz von Antibiotika. Im Schlachthof zeigte sich anhand der untersuchten Lungen, dass der EP-Index von 0,76 auf 0,3 in der letzten Auswertungsreihe sank. Auch der Anteil von Lungen mit Bronchopneumonie verringerte sich deutlich, und zwar von knapp 24 auf gut 13% (siehe Übersicht). Die Impfung zeigte im Betrieb zudem eine positive Wirkung auf die biologischen Leistungen der Tiere. So legten die Tageszunahmen um gute 20 g auf über 782 g zu.
Neben der Entscheidung für die Impfung, die aus einer gezielten Diagnostik und Datenanalyse heraus getroffen wurde, leistete die Integrierte Bestandsbetreuung (ITB) einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Krankheitsthematik. Denn es ist sehr wichtig alle Einflüsse auf die Hustenproblematik zu verstehen und nach Möglichkeit abzustellen und vorzubeugen. So wird die enzootische Pneumonie durch negative Umwelteinflüsse begünstigt, sogenannte Faktorenkrankheit. Das bezieht sich vor allem auf das Stallklima, eine gute Betriebshygiene und eine strenge interne wie externe Biosicherheit.
Fazit
- In einem Mastbetrieb baute sich ein schweres Atemwegsgeschehen auf.
- Die Mosaikdiagnostik aus Klinik, Erregernachweis und Histologie deckte einen unzureichenden Impfschutz gegen M. hyo. auf.
- Der Betrieb führte eine Booster-Impfung bei den Einstalltieren ein.
- Die Klinik flachte ab und die Schlachtbefunde zeigten deutlich weniger Auffälligkeiten.
- Zudem stiegen mit dem Impfeinstieg die Tageszunahmen leicht an.