SUS 3/2021

Praxisfall: Influenza schlug voll ein

In einem Sauenbestand traten Gesundheitsprobleme auf. Die Influenzainfektion machte die Anpassung des Impfkonzeptes nötig.

Der betroffene Ferkelerzeugerbetrieb mit 280 TN 70-Sauen war in puncto Tiergesundheit immer sehr umsichtig aufgestellt. Die zugekauften Jungsauen erhielten in der Eingliederung eine Impfung gegen PRRSV, Mycoplasma hyopneumonie, PCV2, Parvovirose, Rotlauf, APP und Influenza. Daran schloss sich die Bestandsimfpung für die Altsauen gegen PRRSV, Parvovirose, Rotlauf und Influenza an.

Abgerundet wurde das Impfschemata von einer stallspezifischen Mutterschutzimpfung. Diese wird sechs bzw. drei Wochen vor der Geburt gesetzt und sorgt für eine gute Immunität der jungen Ferkel gegen die im Bestand verbreiteten Erreger E. Coli, Clostridien und Streptokokken.

Plötzliche Leistungseinbrüche

Die hohe Tiergesundheit drückte sich auch in einer erfreulichen Leistungsentwicklung aus. So wurden im Jahr 2019 mehr als 30 Ferkel pro Sau und Jahr abgesetzt. Die Leistungen in der Aufzucht waren ebenfalls ansehnlich. Durch Verbesserungen im Management, eine geänderte Futterstrategie und die bauliche Erweiterung des Flatdeckstalles wurden die Tageszunahmen auf 450 g gesteigert.

Angesichts dieser Ausgangssituation blieben die ersten Anzeichen für ein beginnendes Krankheitsgeschehen im Abferkelstall nicht lange unentdeckt. Einzelne Sauen nahmen kein Futter mehr auf und wiesen mit bis zu 41°C eine deutlich erhöhte Körpertemperatur auf. Gleichzeitig gab es zum ersten Mal seit Monaten wieder Probleme mit Saugferkeldurchfall.

Dr. Thomas Nolte schilderte den Praxisfall in der SUS 3/2021. (Bildquelle: Privat)

Der sich verschlechternde Gesundheitszustand der Muttertiere hatte sich innerhalb kürzester Zeit auf die Milchproduktion und -qualität niedergeschlagen. Besonders stark betroffene Ferkelwürfe fielen, verglichen mit den anderen Würfen in der Abferkelgruppe, in ihrer Entwicklung deutlich ab.

Leicht zeitverzögert kam es dann auch in anderen Produktionsbereichen zu Leistungseinbrüchen und gesundheitlichen Problemen. So verzeichnete der Schweinehalter im Deckzentrum einen sprunghaften Anstieg der Umrauschquote von sehr guten 5% auf mehr als 10%. In der Aufzucht mussten ungewöhnlich viele Ferkel gegen diverse Erkrankungen, wie Streptokokken und Atemwegserkrankungen, behandelt werden. Und obwohl teils ganze Gruppen antibiotisch behandelt wurden, waren deutlich mehr Verluste zu beklagen.

Beschwerden vom Mäster

Der Betrieb vermarktet seine 30 kg-Ferkel zu rund 80% an einen naheliegenden Mastbetrieb. Die restlichen Tiere werden über einen Viehhändler regional verkauft. Als der gesundheitlich gebeutelte Ferkeldurchgang in die Mast wechselte, blieb eine Reaktion des Stammabnehmers nicht lange aus. Auch er klagte über gesundheitliche Probleme speziell in den jüngsten Lieferpartien. So beobachtete er bei den Tieren unter anderem Symptome wie Fieber, Fressunlust, Atemwegsinfektionen und plötzliche Verluste. Zeitweise mussten ganze Gruppen fiebersenkend und antibiotisch behandelt werden.

Gute vier Wochen nach dem Auftreten der ersten Symptome ebbten die Probleme im Abferkel- und Deckbereich ab. Auch in der Aufzucht präsentierten sich die Ferkel in den ersten Wochen deutlich gesünder. Zum Ende wandelte sich das Bild allerdings wieder. Regelmäßig fand der Landwirt in einzelnen Abteilen auffällige Tiere mit erhöhter Körpertemperatur, schlechter Futteraufnahme und verstärkter Atmung.

Wirklich Ruhe kehrte erst wieder ein, als alle Ferkel aus den ersten Problemwürfen verkauft waren. Im nachgeschalteten Mastbetrieb zog sich das Krankheitsgeschehen sogar noch länger hin. Selbst die erste Ferkelgruppe, die beim Ferkelerzeuger wieder problemlos die komplette Aufzucht durchlaufen hatte, bereitete zu Mastbeginn große Probleme.

Verdachtsdiagnose bestätigt

Aufgrund der Klinik im Sauen- bzw. Mastbetrieb lag der Verdacht einer Influenzainfektion nahe. Deren Symptome sind zwar sehr variabel. Doch zu den typischen Anzeichen bei einem schweren Verlauf zählen plötzlich hohes Fieber und sekundäre bakterielle Atemwegsinfektionen durch die virusbedingte Immunschwäche. Bei milderen Erscheinungsformen kommt es zu leicht verschlechterten Fruchtbarkeitsleistungen und Husten.

Um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen und andere Ursachen auszuschließen, wurden in beiden Betrieben verschiedene Diagnoseverfahren eingesetzt. Die bei den Sauen, Ferkeln und Mastschweinen gezogenen Blutproben waren unauffällig für PRRSV und APP. Kaustricke, die in betroffenen Aufzuchtgruppen und in der Mast aufgehängt wurden, waren wiederholt negativ für PRRSV.

Kaustrick

Im Zuge der Diagnostik wurden mithilfe von Kaustrickproben andere Krankheiten, wie z. B. PRRSV, als Ursache für den Leistungseinbruch ausgeschlossen. (Bildquelle: Heil)

Die bei fieberhaften Aufzuchtferkeln durchgeführten Nasentupfer waren dagegen in der PCR positiv für Influenzaviren. Bei der Sektion von verendeten Mastschweinen wurde derselbe Nachweis erbracht. Letzte Gewissheit brachten die sehr hohen Influenza-Antikörpertiter bei den Sauen, die wenige Wochen nach dem Infektionsgeschehen gemessen wurden. Somit bestätigte sich der Verdacht einer Influenzainfektion in allen Altersklassen.

Weil sich die Probleme im Mastbetrieb nicht legen wollten und zwei weitere Durchgänge teils starke Symptome zeigten bzw. antibiotisch behandelt werden musste, war der Handlungsdruck groß. Zumal auch die durch den Mäster ergriffenen Hygienemaßnahmen wie eine strikte Kontrollreihenfolge von jung nach alt, kein Zurückstallen von Tieren oder eigene Stiefel für jeden Stall nicht die erhoffte Wirkung zeigten.

Verschiedene Subtypen

Therapeutisch ist es wichtig zu wissen, welcher Subtyp für die Infektion verantwortlich ist. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass zeitgleich zwei Subtypen im Bestand verbreitet sein können. Aktuell wird zwischen vier dominierenden Influenzasubtypen unterschieden. Neben dem in der Schweinepopulation weit verbreiteten pandemischen Subtyp H1N1pdm sind dies H1N1, H1N2 und H3N2.

Für die Impfung gegen die drei zuletzt genannten Subtypen steht ein Dreifach-Impfstoff für Sauen zur Verfügung, der auch schon länger im betroffenen Betrieb eingesetzt wird. Für den erst seit ungefähr zehn Jahren auftretenden Subtyp H1N1pdm gibt es ebenfalls seit geraumer Zeit einen Impfstoff. Allerdings kann eine Impfung eine Infektion nicht sicher verhindern, sondern nur die Krankheitsverläufe spürbar abmildern.

Überarbeitete Impfstrategie

Im geschilderten Fall lieferte die weiterführende Virusdiagnostik allerdings keinen eindeutigen Subtyp-Nachweis. Somit konnte nicht geklärt werden, ob aus einer schlechten Immunitätslage heraus die Dreifach-Impfung der Sauen nicht den erhofften Schutz aufbaute oder der pandemische Influenza-Erreger H1N1pdm in den Bestand gelangt war. Ohne die Möglichkeit einer gezielten Impfstoffauswahl entschied sich der Betrieb dazu, dass die Ferkel mit beiden verfügbaren und gegen unterschiedliche Subtypen immunisierenden Impfstoffe geimpft werden.

Bei der Wahl des richtigen Impfzeitpunktes waren vor allem zwei Dinge zu beachten. Zum einen nehmen die Jungtiere über das Kolostrum Antikörper auf und entwickeln so eine mehrwöchige Immunität. Zum anderen vergehen circa drei Wochen bis sich nach der Impfung ein belastbarer Schutz aufgebaut hat. Um den Impfstoff effektiv einzusetzen und die Infektionskette in der Mast zu durchbrechen, wurde die Impfung folglich zur Mitte der Ferkelaufzucht gesetzt.

Auch das Impfkonzept der Muttertiere erfuhr eine Anpassung. So wurde die Herde zeitgleich zum Start der Ferkelimpfungen gegen den pandemischen Influenza-Subtyp grundimmunisiert. Diese Impfung erfolgt bis heute im Abstand von zwei Monaten zu der etablierten Impfung, um eine Kreuzimmunität aufzubauen.

Während die Tiergesundheit auf dem Ferkelerzeugerbetrieb bereits vor der Anpassung der Impfstrategie wieder stabil war, klang das Krankheitsgeschehen in der Mast erst ab, als nach rund vier Monaten alle aufgestallten Tiere einen entsprechenden Impfstatus aufwiesen. An diesem Punkt wurde die Ferkelimpfung auch aufgrund der nennenswerten Kosten, die sich Sauenhalter und Mäster teilten, wieder eingestellt.

Fazit

  • Sauenhalter und Mäster klagten plötzlich über Krankheitssymptome und Leistungsdellen im Bestand.
  • PCR-Untersuchungen, Sektionen und Antikörpertests bestätigten eine schwere Influenzainfektion.
  • Die im Mastbetrieb ergriffenen Hygienemaßnahmen brachten nicht den Durchbruch.
  • Erst nach der Ausweitung bzw. Einführung der Influenzaimpfung bei den Sauen und Ferkeln stellte sich ein Behandlungserfolg ein.