Wildschweine mit GPS-Sender

In Bayern werden Wildschweine mit GPS-Sendern ausgestattet, um mehr über Laufwege und zurückgelegte Tagesstrecken zu erfahren.

Wildschweine sind nacht­aktiv und scheu. Tagsüber verbergen sie sich im Wald. Deshalb ist in den meisten Fällen nicht klar, wie sich die Wildschweinrotten im lokalen Gelände bewegen und wo sie sich aktuell bevorzugt aufhalten.

Im Bayerischen Wald sorgt man sich sehr um die Sicherheit der Wildschweine. Die gefährliche Afrikanische Schweinepest (ASP) bedroht nicht nur dort den Bestand. Wissenschaftler haben zum ­ersten Mal in Bayern Wildschweine mit GPS-Sendern ausgestattet, um deren Laufrouten und Aufenthaltsorte herauszufinden. Mit diesen Daten soll u. a. die Schweinepest besser in Schach gehalten werden.

Streifgebietsgröße und Tagesstrecken könnten auch bei der Festlegung der ASP-Sperrgebiete hilfreich sein. Denn bei der Umsetzung der EU-Vorgaben spielen Topografie, Nahrungsgrundlage oder Wetterlage kaum eine Rolle. Ob es künftig andere Wege bei der Festlegung der Sperrzonen gibt, darüber sprachen wir mit dem Wildtierökologen Prof. Marco Heurich von der Universität Freiburg.

Wie viele Tiere wurden im Projekt mit ­GPS-Trackern ausgestattet?

Insgesamt haben wir seit Oktober 32 Tiere mit Halsbandsendern ausge­stattet. Diese sind aus Spezialkunststoff, der zum einen sehr belastbar und witterungsbeständig ist und zum anderen auch die Tierhaut schont. Um die Halsbänder anlegen zu können, mussten wir die lebend gefangenen Tiere in einer Box separieren und fixieren. Die Prozedur dauerte nur wenige Minuten.

Haben Sie anhand der Daten bereits ­Migrationen beobachten können?

Der aktuelle Stand der Untersuchungen legt nahe, dass die Tiere nicht in die Täler wandern, sondern in den schneereichen Gebieten des Nationalparks bleiben. Um eine finale Antwort geben zu können, müssen wir zusätzlich den Frühling auswerten.

Welche Tagesstrecken können die Tiere zurücklegen?

Durch die hohe Schneelage Anfang des Jahres waren die Tiere stark eingeschränkt, sodass sie sich in einer Woche in einem Gebiet von weniger als 1 000 m Radius aufhielten. Im Herbst konnten wir aber auch schon eine Wanderung von über 20 km beobachten.

Haben die Wildschweine Lieblingsplätze?

Ja. Die Tiere bewegen sich nach unseren Erkenntnissen nur zwischen wenigen Plätzen hin und her. Dabei nutzen sie oft die gleichen ausgetretenen Wechsel.

Sind Modelle zur Berechnung der ­ASP-Restriktionszonen vorstellbar?

Aufgrund der halbstündlichen Peilungen der Tiere können wir genau deren Laufwege verfolgen. Um jede Position legen wir einen Radius einer bestimmten Größe und berechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Tier dieses Gebiet verlässt. So wissen wir, wie groß die Restriktionszone sein muss, wenn diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verlassen werden darf. Am Ende des Projektes werden wir entsprechende Rechenmodelle vorlegen können.

Hat der Wolf Auswirkungen auf den ­Aktionsradius?

Studien aus Italien zeigen, dass Wildschweine seine wichtigste Nahrung darstellen können. Auswirkungen auf das Bewegungsprofil sind aber nicht bekannt. Im Gegenteil: Bei der Beseitigung von infizierten Kadavern könnten Wölfe eine wichtige Rolle spielen, da die Tiere in der Lage sind, ein Wildschwein in kurzer Zeit aufzufressen. Studien an Wölfen zeigen, dass diese das Virus auch nicht weiter­tragen können, denn es konnten in Wolfsexkrementen keine Viren nachgewiesen werden.

Werden mithilfe der Trackingdaten ­Kadaver schneller gefunden?

Wenn Lieblingsplätze und Wanderrouten bekannt sind, kann dies auch bei der Suche nach Kadavern helfen. Allerdings können sich kranke Schweine anders verhalten. Bei Fieber werden möglicherweise gezielt Feuchtflächen aufgesucht, um sich abzukühlen, und die Bewegungsprofile unterscheiden sich u. U. von denen gesunder Tiere.

Lässt sich der Todeszeitpunkt exakt bestimmen?

Wir haben gezielt tote Wildschweine unter verschiedenen Umweltbedingungen im Wald ausgelegt und beobachtet, wie sich diese zersetzen. Daraus können wir ableiten, wie lange ein Kadaver bereits im Wald liegt. Das funktioniert im Sommer genauer als im Winter.

Liegt dies an den Temperaturen?

In den Sommermonaten folgen verschiedene Zersetzungsstadien schnell aufei­­nander und die Besiedlung findet durch unterschiedliche Insektenarten in einer bestimmten Reihenfolge statt. Die verwendeten Methoden sind ähnlich wie in der Kriminalistik, weshalb wir mit dem Landeskriminalamt zusammenarbeiten. Im Winterhalbjahr hingegen kann es sehr lange dauern, bis der Kadaver zersetzt ist. So haben wir im Oktober Kadaver ausgelegt, die im April keine äußerlichen Veränderungen zeigten. In solchen Fällen ist es kaum möglich, entsprechende Zeitfenster festzulegen.

Wird der Todeszeitpunkt bei den ­Modellkalkulationen berücksichtigt?

Grundsätzlich müssen wir alle relevanten Informationen bei den Modellrechnungen zum Restriktionsgebiet mit einfließen lassen. Ob dies praktikabel ist, wird sich zeigen.

Liefern die Sender Erkenntnisse zur ­effektiveren Jagd?

Aufgrund der regelmäßigen Peilungen können wir genau sehen, wie sich die Tiere verhalten. Dieses Wissen kann gezielt dazu genutzt werden, Bejagungsstrategien zu entwickeln. Allerdings se­­hen wir auch, dass die Tiere durch die scharfe Bejagung nur noch nachtaktiv sind und so das Risiko erlegt zu werden, minimieren.

Müssten diese GPS-Daten nicht überall dort erfasst werden, wo ASP droht?

Das wäre wünschenswert. Die Technik der GPS-Ortung ist ausgereift und die vor Ort erfassten Daten helfen uns bei der ASP-Bekämpfung.

Fazit

  • Im Rahmen eines Projektes im ­Bayerischen Wald wurden 36 Wildschweine mit GPS-Sendern aus­gestattet.
  • Die Trackingdaten helfen, die ASP besser in Schach zu halten und effektivere ASP-Schutzzonen fest­zulegen.
  • Neue Erkenntnisse zur Ermittlung des genauen Todeszeitpunktes sind ebenfalls zu berücksichtigen.
  • Entsprechende Rechenmodelle sollen aufgestellt und erprobt werden.


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