Der Niederländer Herbert Noordman hat einen Pilotstall für 25 Sauen inklusive Aufzucht und Mast gebaut. Im Vordergrund stehen das Tierwohl und die Öffentlichkeitsarbeit.
Michael Werning, SUS
Beim ersten Blick in den neuen Schweinestall der Landwirtsfamilie Noordman aus Lemerveld (NL) wird man unweigerlich an ein Tropenhaus im Zoo erinnert. „Wir wollten bei diesem Stall völlig neue Wege gehen und das sieht man auch“, so Herbert Noordman. Dabei stellen die auffälligen Grünanlagen zwischen den Buchten nur die offensichtlichsten „Stilbrüche“ dar. Auch an vielen anderen Stellen sind der Betriebsleiter, seine Frau Anne-Marie und Sohn Niels von der konventionellen Stallbauweise abgerückt.
Folienstall selbst entwickelt
Die Familie hält seit Jahrzehnten erfolgreich Schweine, sodass der Stammbetrieb mittlerweile verteilt auf zwei Standorte 400 Sauen im geschlossenen System umfasst. Der Großteil der Mastschweine wird in Folienställen gehalten, die Herbert Noordman zusammen mit seinem Bruder Marco entworfen hat. In halbrunder Bauweise überzeugen die aus der Rinderhaltung bekannten Ställe durch geringe Baukosten, viel Licht und ein gutes Klima. Ein über die Dachhaut gespanntes Netz bricht die Sonnenstrahlen und sorgt so dafür, dass sich der Stall im Sommer nicht aufheizt.
Auch der auf dem Stammbetrieb entstandene Neubau für 25 Sauen im geschlossenen System wurde so konzipiert. Dadurch, dass die Gebäudehülle weitestgehend aus einem mit Folie überspannten Stahlgerippe besteht, betrug die Bauzeit nur knapp zwei Monate. „Ende Mai dieses Jahres konnten wir bereits die ersten hochtragenden Sauen und Absetzferkel aufstallen“, erklärt Herbert Noordman.
Pflanzen im Hochbeet
Mittlerweile ist der Stall voll in Produktion. Rund 25 Sauen inklusive aller vor- und nachgeschalteten Produktionsbereiche werden hier in einem 3-Wochenrhytmus geführt. Erste Auffälligkeit: Zwischen den Tiergruppen sind keine Abteilwände, sondern große Grünanlagen eingesetzt. Die dienen nicht allein der räumlichen Trennung, sondern sind Teil des Lüftungskonzeptes. Genauer gesagt der Abluftführung, denn entsprechende Öffnungen im Stalldach sucht man vergebens.
„Als Absaugpunkte haben wir hochkant PVC-Rohre in die Grünanlagen eingesetzt, die bis in die darunterliegenden Abluftkanäle ragen. Dort sorgen zwei Ventilatoren für den nötigen Unterdruck“, klärt der Betriebsleiter auf. Im Zusammenspiel mit den Zuluftklappen in beiden Stallaußenseiten wird so ein sehr guter Luftaustausch gewährleistet.
Und die Grünanlagen haben noch einen tollen Nebeneffekt. Denn die Nussbäume und verschiedenen Gewürzpflanzen in den Beeten sorgen bei den Schweinen für Beschäftigung. „Die Tiere fressen gerne die herunterhängenden Äste und Blätter. Quasi als nachwachsendes Raufutter“, freut sich der Niederländer.
Tiefergelegter Strohbereich
Stufenübergreifend ähneln sich alle Buchten in ihrem Grundaufbau. Zentrales Element ist dabei der tiefergelegte und planbefestigte Aktivitätsbereich. Hier bekommen die Tiere nicht nur Stroh und Grassilage. Mit Ausnahme der säugenden Sauen wird hier über Rohrkettenförderer und Volumendosierer auch das Futter vorgelegt.
Im Vorfeld hatte der Seniorchef Sorgen, dass mit der Bodenfütterung hohe Futterverluste verbunden sind. Das hat sich bislang aber nicht bestätigt. „Sind die Volumendosierer bedarfsorientiert eingestellt, durchwühlen die Schweine so lange das Stroh, bis kein Futter mehr übrig ist“, zeigt sich Herbert Noordman zufrieden.
Allerdings muss der Mist im Aktivitätsbereich mehrmals in der Woche per Hand zu einem Entsorgungsschacht unterhalb des Kotbereiches geschoben werden. Dieser verläuft an einer Längsseite des Gebäudes und ist voll unterkellert. „Ein Anliegen war uns eine geringe Ammoniakkonzentration im Stall. Das gelingt, indem ein Mistschieber mehrmals täglich die Gülle in eine Sammelgrube außerhalb des Stalles schiebt“, erläutert Noordman. Dadurch, dass die Tränken und die Kontaktgitter zu den anderen Buchten im Kotbereich angeordnet sind, bleibt die Liegefläche verhältnismäßig sauber.
Außerdem sperren Noordmans zu Beginn der Aufzucht einen Teil der Bucht ab. „Die jungen Schweine lernen am besten, wo sie fressen, saufen, liegen und koten sollen, wenn sie erst nach und nach mehr Platz bekommen“, so die Erfahrung des Schweinehalters.
Frühe Gruppenhaltung
Obwohl Noordmans auf das Kupieren verzichten, hatten sie zumindest bislang keine Probleme mit Schwanzbeißen. Neben reichlich Beschäftigung führt die Familie das auf die frühe Gruppenzusammenführung zurück. Denn die Tiere lernen sich schon als Saugferkel kennen. „Die Freilauf-Abferkelbuchten öffnen wir zwei Tage nach der Geburt. Dann laufen jeweils vier Sauen und ihre Ferkel in einer Gruppe“, erläutert Herbert Noordman.
Während die Sauen zum Fressen immer wieder in ihre angestammten Buchten gehen, sind die Ferkel weniger wählerisch. Zur Milchaufnahme suchen die Ferkel sowohl die Muttersau als auch fremde Sauen auf. Das geht nach Aussage des Chefs nicht immer gut: „In der aktuell jüngsten Gruppe ist eine Sau, die die fremden Ferkel nicht duldet. Dieses Tier wird nach dem Durchgang wieder zurück in unsere konventionelle Haltung wechseln.“
Dem Betriebsleiter ist schnell klargeworden, dass allein stallbauliche Sicherheitsmaßnahmen, wie nicht für die Sau zugängliche Ferkelnester oder Abstreifbügel an den Seitenwänden im Aktivitätsbereich, das Gruppensäugen nicht praxistauglich machen. „Wir müssen für solche Haltungssysteme die Zucht und Selektion stärker auf Mütterlichkeit ausrichten“, ist er überzeugt.
Schauraum für Feste mieten
Ansätze wie das Gruppensäugen zunächst im kleinen Rahmen erproben zu können, um sie eventuell später im gesamten Betrieb zu integrieren, war einer der Hauptbeweggründe für den Bau des Pilotstalles. Denn zumindest aktuell vermarkten Noordmans alle Tiere konventionell.
Im Gegenzug dafür, dass die Familie in dem Stall sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betreibt, gab es aber beim Bau Zuschüsse von der Provinz Overijssel, dem Wirtschaftsministerium und dem Bauernverband LTO. Das machte auch den Einbau eines Besucherraumes mit angeschlossenem Besichtigungsgang im Dachraum des Stalles möglich. So können Besucher schnell und unkompliziert einen Blick in den Stall werfen. „Ausgestattet mit einer Küche, sanitären Anlagen sowie WLAN und Präsentationstechnik soll der Raum außerdem für Fortbildungen oder Feste vermietet werden“, erklärt Herbert Noordman.
Fertig mit dem Stallbau ist die Familie aber noch nicht. Sie möchte durch den Einbau von zusätzlichem Spielzeug wie Scheuerbürsten und Schweineduschen das Tierwohl weiter erhöhen. Zudem sollen Besucherraum und Laufgang durch einen Rollstuhllift auch für körperlich behinderte Menschen zugänglich gemacht werden.
Weil diese Maßnahmen rund 22500 € kosten sollen, hatte die Familie vor einigen Monaten eine Crowdfunding-Kampagne im Internet gestartet. Dabei spenden Menschen ohne Gegenleistung für ein soziales oder gemeinnütziges Projekt. „Wir haben auf allen Kanälen, vom Radio bis hin zu Facebook und Co., ordentlich die Werbetrommel gerührt und tatsächlich das Geld zusammenbekommen“, so Noordman stolz.
Fazit
Der niederländische Landwirt Herbert Noordman hat einen Stall der besonderen Art gebaut. Der eigens konzipierte Folienstall beherbergt 25 Sauen im geschlossenen System. Neben großflächigen Grünanlagen und Stroheinstreu weicht Noordman auch durch das Gruppensäugen im Abferkelstall von konventionellen Haltungssystemen ab.
Beim Bau wurde auch ein besonderes Augenmerk auf die Öffentlichkeitsarbeit gelegt. Aus diesem Grund hat der Praktiker im Dachraum einen Empfangsraum mit Blick in den Stall installiert und einen Laufgang eingebaut. Mithilfe von Spendengeldern will Noordman nun weiteres Beschäftigungsmaterial kaufen und den Stall noch zugänglicher machen.
Quelle: Nach Boerderij-Reportage „Rust overheerst in experimentele stal Varkenshoff“ von Erik Ordelman.