Schweinehalter Marry glaubt, dass sich die irische Produktion neu positionieren muss. Dabei soll der Fokus auf Tiergesundheit und Tierwohl liegen.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Die Iren sind stolz auf ihre Schweineproduktion. Auf der verpackten Fleischware in den Supermärkten findet man etliche Label, die auf eine geprüfte Qualität und Regionalität hinweisen. Oft wird der Farmer auf dem Etikett abgebildet, um die Transparenz zu unterstreichen.
Auch Schweinehalter Colin Marry aus Little Grande nördlich von Dublin sollte sein Konterfei für eine Produktreihe freigeben. Doch dies lehnte der 34-Jährige ab. „Sicherlich müssen wir weiter um das Vertrauen der Endkunden werben“, versucht der Agraringenieur einzuordnen. „Wenn wir Landwirte Premiumqualität abliefern und das Schlachtunternehmen mit unserem Namen wirbt, muss ein Bonus gezahlt werden.“ Doch dazu war sein Abnehmer bislang nicht bereit.
Kombibetrieb mit 850 Sauen
Colin Marry hält derzeit rund 850 Sauen im geschlossenen System. Sein Ziel ist es, jährlich etwa 20000 Schlachtschweine bei einem durchschnittlichen Lebendgewicht von 107 kg zu verkaufen. Das Stallteam hat die Order, jede Woche ca. 42 Sauen zu besamen. Der Betrieb remontiert selbst und arbeitet derzeit mit dänischer Genetik. Um genügend Jungsauen zur Verfügung zu haben, werden etwa 10 % der Sauen für die Remontierung vorgesehen und mit Vorstufensperma besamt. Die Leistungen liegen bei knapp 26 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr.
So wie Marry arbeiten viele irische Betriebe. Die Schlachtschweine werden meist nur nach Gewicht bezahlt. Der größte Kostenfaktor ist das Futter, zumal der Preis für Soja und Getreide immer etwas höher als auf dem Festland auffällt. Der Betrieb setzt auf die Flüssigfütterung. Vor kurzem hat der Praktiker auf Hofmischungen in der Mast und Ferkelaufzucht umgestellt. Damit verknüpft Marry die Hoffnung, in puncto Futterverwertung bzw. Futterkosten je Kilo Schlachtgewicht besser zu werden. Derzeit liegen seine Produktionskosten bei 1,55 €/kg SG.
Um Synergien zu nutzen, kooperiert der Schweineprofi mit seinen zwei Brüdern, die ebenfalls Betriebe mit Ackerbau bzw. Schweinen bewirtschaften. Auch ehrenamtlich ist Colin Marry tätig. So hat er vor zwei Jahren den Vorsitz der Irish Pig Health Society übernommen und ist gleichzeitig Chairman der EPP-Ländergruppe. „Durch diese Arbeit komme ich mit vielen interessanten Fachleuten und Kollegen zusammen und erhalte Einblicke in die Schweinehaltung anderer Länder. Dies ist mir wichtig, um die eigene Schweineproduktion richtig auszurichten“, erklärt Marry.
Aus seiner Sicht können irische Betriebe nicht mit den Produktionskosten anderer EU-Länder konkurrieren. Vielmehr müssen sie höhere Standards anstreben und den Vorteil Tiergesundheit ausspielen, um sich von der internationalen Konkurrenz abzuheben.
Brexit beunruhigt Branche
Genau dieses Thema, also die künftige Ausrichtung der irischen Produktion, wird derzeit unter Kollegen viel diskutiert. Denn die Iren exportieren rund 60 % ihres Schweinefleisches. We-gen der räumlichen Nähe werden viele Produkte auf dem britischen Markt abgesetzt. „Wir haben England immer als unseren Heimatmarkt gesehen. Das wird sich nach dem bevorstehenden Brexit vermutlich grundlegend ändern, auch wenn es ein Handelsabkommen zwischen England und Irland geben soll“, befürchtet der Betriebsleiter.
Die Exporteure merken bereits jetzt, dass das Geschäft mit den Briten immer schwieriger wird. Der Grund hierfür ist, dass das britische Pfund infolge der Diskussionen um 15% abgewertet wurde und somit der Umrechnungskurs in Euro ungünstiger geworden ist. Wenn bei einer endgültigen Abspaltung der Briten Zölle und Steuern die irischen Produkte verteuern, wird man dort nicht mehr wettbewerbsfähig sein.
Marktexperten gehen zudem davon aus, dass die Lebensunterhaltskosten in Großbritannien weiter steigen werden. „Dann werden sich viele Leute womöglich kein teures Fleisch mehr leisten können und deshalb lieber zu Billigprodukten aus Übersee greifen“, mutmaßt der Betriebsleiter. Deshalb ist Marry davon überzeugt, dass sich Irland von England abkoppeln und neue Exportmärkte finden muss. „Beef made in Irland hat weltweit ein super Image. Dies müssen wir auch beim Schweinefleisch erreichen, indem die Betriebe ihre Produktion verbessern bzw. anpassen“, fasst der Colin Marry zusammen.
Antibiotikafrei und Gruppensäugen
Doch was werden die Produktionsanforderungen der Zukunft sein? Dazu macht sich Marry viele Gedanken, auch weil seine Ställe über 40 Jahre alt sind und er dringend renovieren müsste. „Mit einer Grunderneuerung der Ställe auf meinem Betrieb habe ich die Möglichkeit, die einzelnen Teilbereiche neu zuzuordnen und neue Anforderungen an die Haltung zu berücksichtigen“, ist Marry überzeugt.
Ein großes Thema wird seiner Meinung nach der Antibiotikaeinsatz sein. Erste Erfahrungen mit der antibiotikafreien Mast liegen bereits vor. Doch auch die Ferkelaufzucht müsste ohne Medikamentengaben laufen. Um dies zu realisieren, müssen die Ferkel besser vorbereitet sein.
Derzeit setzt der Betrieb nach 31 Säugetagen ab. Daran will Marry festhalten. Jedoch versucht er, nach der ersten Säugewoche das Gruppensäugen umzusetzen, damit sich die Würfe schon vor dem Absetzen aneinander gewöhnen. Das mindert den Absetzstress. Zudem wird durch diese Haltungsform das Tierwohl der säugenden Sauen verbessert. Deshalb hat Marry ein Abteil für zwei mal sechs Sauen komplett umgebaut.
Als Nebeneffekt lernen die Ferkel beim Gruppensäugen schneller das Fressen. So rufen die Sauen beim Gruppensäugen im Vergleich zu der herkömmlichen Einzelaufstallung etwa 10 % mehr Futter ab. Dieses Mehr an Futter wird nicht komplett von den Sauen aufgenommen. Vielmehr fressen die Ferkel mit. „Denen scheint das Sauenfutter besser zu schmecken als der Prestarter, den wir zusätzlich anbieten. Das gemeinsame Fressen hilft, den Absetzdurchfall besser in den Griff zu bekommen“, meint der Sauenhalter.
Marry arbeitet daran, auch die Ferkelfütterung weiter zu verbessern. „Jeder Betrieb wird eigene Erfahrungen sammeln müssen. Doch wir werden uns auf den Weg machen und die Haltungssysteme und das Management darauf ausrichten, größtenteils ohne Antibiotika auszukommen“.
Projekt Zukunftsstall
Ein Baustein seiner Zukunftsstrategie soll die Grundsanierung der 40 Jahre alten Ställe bilden. Der neue Stall, den Marry schon gedanklich vor Augen hat, soll den Tieren mehr Tierwohl bieten, dabei jedoch wirtschaftlich bleiben. Damit die Akzeptanz der Bevölkerung nicht verloren geht, spielt auch die Ästhetik eine Rolle. Die Gebäude sollen sich besser in das Landschaftsbild einfügen. Marry plant, die Dachzone des neuen Stalles asymmetrisch anzulegen und eventuell sogar teils zu begrünen. Er arbeitet mit einem innovativen Architektenbüro zusammen, das hierzu bereits Vorschläge entwickelt hat.
Auch sollen künftig Besucher stets willkommen sein. Durch eine Panorama-Fassade sollen sie zumindest einen Teilbereich des Stalles einsehen können. Ob mit dem Konzept sogar Touristen angelockt werden können, bleibt noch offen. „Unsere Region wird Jahr für Jahr von Millionen Touristen besucht. Warum also nicht ein Info-Center zur lokalen Schweinefleischproduktion errichten? Mit einer anschließenden Beköstigung der Besucher ließe sich sogar Geld verdienen“, meint der Geschäftsmann.
Diese Gedankenspiele müssen sein, getreu nach dem Motto: „Our Pigs Do Fly“. Eine übergroße Schweineskulptur mit Flügeln auf dem Betriebsgelände soll daran erinnern. Frei übersetzt heißt es soviel wie: „Unmögliches wird möglich, wenn wir daran glauben!“
Fazit
Der Ire Colin Marry produziert etwa 20000 Schweine pro Jahr im geschlossenen System. Er und seine Landsleute befürchten negative Auswirkungen im Falle eines Brexit.
Um künftig mit anderen EU-Produzenten konkurrieren zu können, strebt Marry eine Premium-Schiene an. Neben der antibiotikafreien Mast sowie hohen Standards in puncto Tierwohl könnte der Betrieb auch für Touristen interessant sein. So sind für das neue Stallprojekt Panorama-Fassaden und ein Besucherzentrum vorgesehen.