Die Veredlung in der Ukraine entwickelt sich rasant. Binnen zehn Jahren hat sich die landeseigene Fleischproduktion nach staatlichen Daten fast verdreifacht. Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres hat der Schweinebestand um rund 5 % auf 8 Mio. Tiere zugelegt. Dennoch hinkt die Produktion dem wachsenden Fleischkonsum hinterher. So musste die Ukraine im letzten Jahr für 466 Mio. $ Schweinefleisch importieren. Dennoch bleibt das Land ein Wachstumsmarkt. Große ausländische Investoren, unter anderem aus Dänemark, haben diesen Trend erkannt. Mit ausländischem Kapital stellen sie große, moderne Schweineanlagen auf die Beine. Diese Agrarholdings dominieren inzwischen die ukrainische Landwirtschaft. Aber auch einheimische Unternehmer steigen in die Schweinehaltung ein. Einer von ihnen ist der Ukrainer Igor Kostiuk. Bis vor drei Jahren war er Anlagenleiter bei Danfarm Ukraine. Die dänische Agrarholding verfügt im Land über 2 500 Sauen im geschlossenen System. Als Anlagenleiter bekam Kostiuk einen guten Einblick in die moderne, westliche Schweinehaltung und konnte reichlich Know-how sammeln. Danfarm ist in der Ukraine wirtschaftlich sehr erfolgreich. Dies weckte den Unternehmergeist in Igor Kostiuk. Denn auch er wollte mehr Geld verdienen. Im Jahr 2010 entschied er sich daher, selbst in die Schweinemast einzusteigen. Um das Risiko zu mildern, ging der Junglandwirt den Schritt gemeinsam mit einem befreundeten Ackerbauern. Allerdings fehlte beiden Jungunternehmern das Geld, um einen neuen Stall zu bauen. Als Neueinsteiger Kapital von den Banken zu bekommen, ist sehr schwer. So liegt der Zinssatz für Startinvestitionen in der Ukraine bei mehr als 20 %! Zudem fordern viele Banken in etwa das Doppelte des Darlehensbetrages als Sicherheit. Die Partner mussten die Investition daher aus den begrenzten Eigenmitteln stemmen. Die Wahl fiel somit auf einen leerstehenden Milchviehstall in der Gemeinde Pivci, 60 km südlich von Kiew. Die Unternehmer konnten die ehemalige Kolchose recht günstig für umgerechnet rund 10 000 € erwerben. Allerdings waren die Ställe stark renovierungsbedürftig. Um die Kosten im Griff zu halten, haben die Partner zunächst nur zwei der drei Ställe renoviert. Sie bieten heute zusammen Platz für 3 000 Mastschweine. Bei der Sanierung haben die Jungunternehmer zudem viel Eigenleistung und günstige Materialien eingebracht. Die Ställe erhielten zunächst ein neues Dach sowie ein einfaches Lüftungssystem mit direktem Lufteinlass. Zudem wurden die Fußböden saniert und jede Bucht zur Hälfte mit Spaltenboden versehen. Die Futterzuteilung erfolgt über einfache Trockenautomaten aus Polen. Haltungs- bzw. Tierschutzauflagen gibt es in der Ukraine nicht. Der Betriebsleiter achtet aber darauf, dass jedem Tier 0,8 m2 Buchtenfläche zur Verfügung stehen: „Bei meinem dänischen Arbeitgeber habe ich gelernt, dass Schweine für gute Leistungen ausreichend Platz benötigen. In anderen Ställen im Land ist die Belegdichte oft deutlich höher.“ Eine Fütterungsanlage sucht man im Stall vergebens. Die Technik ist den Betriebsleitern zu teuer. Schließlich können sie auf sehr günstige Mitarbeiter zurückgreifen. So verdienen ukrainische Arbeitskräfte im Stall umgerechnet nur etwa 7 € am Tag. Igor Kostiuk hat sechs Angestellte. Zu ihren Hauptaufgaben gehört das Füttern. Denn die Futterzubereitung, der Transport und das Befüllen der Automaten erfolgen von Hand. Die Ration mischt der Betrieb selbst. Die Hauptkomponenten sind Weizen, Gerste, Kleie und CCM, die Kostiuk vom Ackerbaubetrieb seines Partners bezieht. Die Praktiker haben auch mit selbst angebautem Soja experimentiert. Es zeigte sich jedoch, dass dies teurer ist als der Zukauf von Eiweißkonzentrat. Den Ergänzer bezieht der Betrieb von einem international tätigen Premixhersteller mit Wurzeln in Belgien. Zwischenzeitlich hatte der Betrieb auch günstigere Ergänzer aus Polen und der Ukraine ausprobiert. Aufgrund der schlechteren biologischen Leistungen hat er jedoch wieder zum Qualitätsprodukt gewechselt. Die Ferkel bezieht der Mäster mit einem Einstallgewicht von 20 bis 25 kg von drei Sauenhaltern in der Region. Diese arbeiten mit Kreuzungssauen aus Landrasse und Yorkshire. Als Endprodukteber kommen Piétrain und Duroc zum Einsatz. Wobei Kostiuk die Duroc-Tiere aufgrund ihrer Vitalität und ihres Wachstumsvermögens vorzieht. So beträgt die Verlustquote trotz der rustikalen Haltungsbedingungen im Schnitt nur 3 %. Auch mit der Futterverwertung ist der Betriebsleiter zufrieden. Sie liegt zwischen 1 : 2,7 und 1 : 2,8. Noch wichtiger ist dem Landwirt aber, dass die Tiere einen ordentlichen Verkaufserlös aufbringen. Er verkauft seine Schweine im Schnitt mit 120 kg Lebendgewicht an einen Schlachthof. Hier erzielt er im Mittel einen Schlachterlös von umgerechnet 1,65 €/kg Lebendgewicht. Damit kommt der Betrieb angesichts der geringen Gebäude- und Lohnkosten gut zurecht. Der Mäster profitiert bei der Vermarktung vom wachsenden Fleischhunger in der Industrieregion um Kiew. So buhlen meist mehrere der kleinstrukturierten Schlachthöfe um die Schweine. Ist Igor Kostiuk mit dem Preis eines Schlachthofes nicht zufrieden, wechselt er kurzerhand zum nächsten. Der Mäster hat zudem die Möglichkeit, seine Tiere über die regionalen Märkte an den Mann zu bringen. Hierzu mästet er sie auf 140 bis 150 kg und verkauft sie an Beschicker von Wochenmärkten. Der Fleischabsatz über diesen Kanal ist nicht zu unterschätzen. Denn das Gros der Ukrainer kauft seine Lebensmittel nach wie vor auf regionalen Märkten. Supermärkte sind einer kleinen Gruppe der Besserverdienenden vorbehalten. Aufgrund seiner komfortablen Marktposition blickt Mäster Kostiuk positiv in die Zukunft. So kann er sich einen weiteren Wachstumsschritt vorstellen, sobald er das nötige Kapital beisammen hat. Dann würden die beiden Partner den verbleibenden dritten Stall renovieren und die Mast auf 4 000 Plätze ausbauen. Schon heute steht für Igor Kostiuk fest: „Der Schritt vom Mitarbeiter zum Unternehmer war goldrichtig. Ich bin lieber kleiner Boss als großer Knecht!“ Neustart auf alter Kolchose Reichlich Handarbeit Schlachter buhlen um Tiere -Fred Schnippe, SUS (übersetzt aus Boerderij)- Der Ukrainer Igor Kostiuk hat sich mit 3 000 Mastplätzen selbstständig gemacht. Er profitiert von der wachsenden Fleischnachfrage im Land.