Trotz großer Pläne kommt der Ausbau der russischen Schweineproduktion nur langsam voran.Jetzt will Putin mit massiven Förderprojekten und dem Bau von Mega-Betrieben punkten.Russland hat in den letzten Jahren große Pläne zum Ausbau der Schweineproduktion geschmiedet. Umfangreiche Struktur- und Förderprojekte sollen die landesweite Erzeugung bis 2020 auf mehr als 4 Mio. t Schweinefleisch verdoppeln. Hiermit will Moskau gegen die wachsende Abhängigkeit von Importen kämpfen. Denn der Selbstversorgungsgrad beim Schweinefleisch liegt aktuell bei 60 %. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, hat der Kreml bereits 2006 ein groß angelegtes Agrar-Förderprogramm gestartet. Mit einem Jahresetat von umgerechnet mehr als 2,5 Mrd. € soll es insbesondere die heimische Veredlung stärken. Trotz dieser Anstrengungen ist der Importbedarf beim Schweinefleisch in den letzten beiden Jahren sogar weiter gewachsen. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium USDA schätzt, dass Russland im laufenden Jahr 2,05 Mio. t Schweinefleisch erzeugt. Gleichzeitig steigt der Inlandsverbrauch auf rund 3,02 Mio. t (siehe Übersicht 1). Das heißt: Moskau muss im laufenden Jahr rund 975 000 t Schweinefleisch zukaufen. Das sind rund 20 % mehr als vor fünf Jahren. Im nächsten Jahr könnte der Importbedarf sogar auf 1 Mio. t Schweinefleisch steigen. Schon heute ist Russland nach Japan der zweitgrößte Importeur von Schweinefleisch weltweit. Der enorme Einfuhrbedarf ist vor allem auf den steigenden Inlandskonsum zurückzuführen. Zwar ist die Landbevölkerung überwiegend arm, und Fleisch kommt nur selten auf den Tisch. Doch insbesondere in den städtischen bzw. industriellen Regionen legt die Kaufkraft der Russen spürbar zu. Damit wächst auch der Hunger nach Fleisch. So steigt der Inlandskonsum inzwischen jährlich um 3 bis 5 %. Hierdurch ist der Pro-Kopf-Verbrauch der Russen in den letzten Jahren von 18 auf 21 kg Schweinefleisch im Jahr gestiegen. Experten erwarten, dass sich dieser Trend sogar noch beschleunigt. Denn es gibt einen enormen Nachholbedarf. So liegt der Fleischverzehr der Russen aktuell nur etwa bei 50 % anderer Industrienationen. Zum Vergleich: Der Durchschnitts-Deutsche verzehrt im Jahr knapp 40 kg Schweinefleisch. Dem rasanten Wachstum des Inlandskonsums hinkt die russische Fleischproduktion permanent hinterher. Das hat mehrere Gründe: Insgesamt wundert es nicht, dass die russische Schweinehaltung trotz massiver Förderung nur langsam Fahrt aufnimmt. Allerdings will Moskau das nicht hinnehmen. Im Sommer hat Landwirtschaftsminiter Nikolai Fjodorow daher ein neues Förderprogramm gestartet. Die Stoßrichtung ist klar: Mit dem Bau von Mega-Betrieben mit mehr als 10 000 Schweinen will man die Produktion schnell und effektiv ankurbeln. Hierbei sollen ausländische Investoren westliche Technik, Genetik und Know-how mitbringen. Das Ziel ist straff formuliert: Bis 2020 sollen mehr als 80 % der Schweine in modernen Großanlagen stehen. Denn aktuell sind nach Einschätzung des Ministers nur rund 20 % der Großbetriebe international wettbewerbsfähig. Das neue Förderprogramm soll u. a. langfristige Kredite mit Sonderkonditionen bereitstellen. Außerdem sind Subventionen zum Ausbau der Schlachtung und Fleischverarbeitung geplant. Die einseitige Förderung von Großbetrieben stößt jedoch auch auf Kritik. Denn die Betriebe nehmen gewaltige Ausmaße an. Allein Russlands größte Integration Miratorg verfügt über 60 000 Sauen und erzeugt mehr als 1,2 Mio. Schlachtschweine im Jahr. Viele kleinbäuerliche Betriebe sehen ihre Existenz bedroht. Dies birgt Zündstoff. Denn um den sozialen Frieden in den ländlichen Regionen steht es ohnehin nicht gut. Dennoch: Das neue Wachstumsprogramm des Kreml bleibt eine Einladung für Großinvestoren. Sie dürfen neben Fördermitteln und Steuerbefreiungen auch auf politischen Rückenwind aus Moskau bauen. Hauptmotor bleiben allerdings die hohen Schlachterlöse. Denn aufgrund der knappen Versorgung liegt der russische Schweinepreis mit umgerechnet 2 € je kg Lebendgewicht deutlich über westeuropäischem Niveau. Jedes Schlachtschwein bringt so 60 bis 80 € mehr ein als bei uns! Es fehlen mehr als 1 Mio. t Schweinefleisch Ausbau der Schweine-produktion stockt Mega-Betriebe sollen die Wende bringen Der Ausbau der Schweinebestände läuft deutlich langsamer als erhofft. Mit 17,5 Mio. Tieren erreicht der russische Schweinebestand nach offiziellen Statistiken zwar 2012 den höchsten Stand seit zehn Jahren (siehe Übersicht 2). Von dem mehr als 30 Mio. Schweine umfassenden Bestand der damaligen Sowjetunion ist man aber weit entfernt. Das zweite große Problem ist die Struktur der Schweineproduktion. Denn nach wie vor stehen rund 45 % der russischen Schweine in kleinbäuerlichen Betrieben oder so genannten Privathaltungen in Hinterhöfen. Die Tiere werden hier unter einfachsten Bedingungen gehalten. Entsprechend niedrig sind die Leistungen. Trotz der wachsenden Anzahl Großbetriebe kommen die Russen im Schnitt nur auf gut 20 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr. Die Mastzunahmen liegen bei etwa 700 g am Tag. Wobei die schlechte Futterverwertung von im Mittel 1: 3,2 die Kosten erhöht. Hinzu kommen tiergesundheitliche Probleme. Das größte Risiko ist die Afrikanische Schweinepest, die in Russland seit mehr als fünf Jahren wütet. Betroffen ist besonders die südrussische Region Krasnodar, wo man mehr als 500 000 Tiere gekeult hat. Zudem haben die Behörden dort die private Schweinehaltung in Kleinbeständen verboten, um die Ausbreitung einzudämmen. Die Zwangsräumung umfasst rund 200 000 Schweine. Trotzdem breitet sich die Seuche weiter nach Westen aus und ist inzwischen auch in der Ukraine ausgebrochen. Verschärft wird die Lage zusätzlich durch den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO. Denn seit August strömen hochwertige Fleischwaren zu vergleichsweise günstigen Preisen weitgehend ungehindert ins Land. Das hat den Druck auf die Fleischwirtschaft enorm erhöht. Zuvor hatte Moskau den heimischem Markt über Jahrzehnte mit hohen Zöllen und Importquoten effektiv vor Konkurrenz aus dem Ausland geschützt. -Fred Schnippe, SUS-