Spanien schraubt die Bestände und die Fleischexporte hoch. Deutschlands Führungsposition in Europa wackelt.
Fred Schnippe, SUS
Bei Spanien denken viele zunächst an Urlaub, Strand und Sonne. Doch auch bei der Schweinehaltung hat sich die iberische Halbinsel kräftig entwickelt.
Mit einem Bestand von 26,5 Mio. Schweinen ist Spanien dem EU-Spitzenreiter Deutschland (28,3 Mio.) dicht auf den Fersen. Allein im letzten Jahr konnten die Spanier ihre Bestände um mehr als 1 Mio. Schweine ausbauen (siehe Übersicht 1). Hält der Trend an, haben die Südeuropäer bereits in zwei Jahren den Deutschen den Rang als größter EU-Schweineerzeuger abgelaufen.
Fleischexport boomt
Hauptmotor für das Wachstum ist der Fleischexport. Während viele Länder in Europa nach wie vor unter dem Import-Stopp Russlands leiden, konnte Spanien seine Ausfuhr von Schweinefleisch im letzten Jahr sogar weiter hochschrauben. So haben die Südeuropäer 2014 rund 1,5 t Mio. Schweinefleisch außerhalb des Landes verkauft. Das ist ein Plus von fast 10 % gegenüber dem Vorjahr (siehe Übersicht 2).
Innerhalb der vergangenen zehn Jahre legten die Fleischausfuhren sogar um mehr als 150 % zu. Inzwischen gehen rund 40 % der etwa 3,4 Mio. t Schweinefleisch umfassenden Jahresproduktion in den Export.
Besonders positiv haben sich die Drittlandsexporte entwickelt. Sie stiegen 2014 um mehr als 30 % auf knapp 400 000 t Schweinefleisch. Wichtigste Abnehmer sind China, Japan, Hongkong und Südkorea. Der Wegfall des Russland-Geschäftes wurde damit mehr als aufgefangen.
Die Ausfuhren in andere EU-Länder legten 2014 um gut 5 % zu. In 15 Jahren entwickelte sich Spanien vom Netto-Importeur für Schweinefleisch zum wichtigen Mitspieler am Exportmarkt.
Doch was macht die Spanier gerade in Zeiten schwieriger Exportmärkte und sinkender Erlöse so erfolgreich? Es kommen mehrere Faktoren zusammen. Der wichtigste sind die vergleichsweise niedrigen Produktionskosten.
So zeigen Auswertungen der Expertengruppe Interpig, dass Spanien bereits 2013 im Vergleich mit anderen Ländern in Europa am günstigsten produzieren konnte. Mit Vollkosten in der Mast von 1,60 € pro kg SG schneiden sie sogar besser ab als die bei den Betriebsstrukturen und biologischen Leistungen führenden Dänen und Holländer. Im Vergleich zu Deutschland beträgt der Kostenvorteil der Südeuropäer fast 15 € je Schwein.
Billige Ställe, niedrige Löhne
Dass die Spanier so günstig produzieren können, hat mehrere Gründe:
- Die Baukosten sind niedrig. Dies hat u.a. mit dem milden Klima, niedrigen Löhnen im Baugewerbe und geringeren Auflagen zu tun.
- Die Ställe sind simpel aufgebaut. So kosten ein Mastplatz mit rund 180 € und ein Sauenplatz mit 1 200 € weniger als die Hälfte wie in Deutschland.
- Viele Betriebe nutzen beim Stallbau größenbedingte Kostendegressionen. Auch im Sauenbereich geht es nicht selten um 1 000 neue Plätze und mehr.
- Bei den Umwelt- und Haltungsauflagen ist Madrid produzenten-freundlich. Über die EU-Vorgaben hinausgehende Auflagen sind kein Thema.
- Proteste gegen neue Ställe oder für mehr Tierschutz gibt es nicht.
- Aufgrund der niedrigen Löhne und hohen Arbeitslosigkeit sind Mitarbeiter für den Stall günstig.
- Auch in den viehintensiven Gebieten stehen genug Gülleflächen bereit.
Neben den niedrigen Produktionskosten wird die Expansion in der Schweinehaltung durch die großen Integrationen beflügelt. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die ähnlich der hiesigen Geflügelhaltung Produktionsverträge mit den Landwirten abschließen. Die Integratoren sind in der Regel Besitzer der Schweine und liefern das Futter. Die Landwirte stellen ihren Stall und ihre Arbeitskraft.
Viele Integrationen sind in den letzten Jahren kräftig gewachsen. So laufen inzwischen 80 bis 85 % der spanischen Schweinehaltung unter Regie der übergeordneten Unternehmen. Landesweit gibt es im Schweinebereich rund 15 namhafte Integrationen. Die größte von ihnen ist Vall Companys, die Betriebe mit insgesamt 180 000 Sauen und angeschlossener Mast steuert. Zudem umfasst das Unternehmen eigene Mischfutterwerke, einen Viehhandel sowie Schlachthöfe. Die Unternehmensgruppe ist auch im Geflügel- und Rindfleischsektor aktiv und macht mehr als 1 Mrd. € Umsatz.
Die integrale Produktion schränkt zwar die unternehmerische Freiheit der Landwirte ein. Sie hat aber den Vorteil, dass die Praktiker ein deutlich geringeres Risiko tragen. So erhalten die Schweinehalter unabhängig von der Marktsituation eine feste Kontraktvergütung. Diese liegt je nach Region zwischen 11 und 12 € je abgeliefertem Mastschwein und 14 bis 15 € je Mastferkel.
Mehr Planungssicherheit
Durch die feste Vergütung haben die Landwirte eine hohe Planungssicherheit. Das erleichtert Wachstumsschritte erheblich. So geben die Banken expansionswilligen Bauern eher und günstigere Kredite, weil sie kaum Marktrisiken schultern müssen. Aufgrund der guten Rahmenbedingungen trauen sich etliche Betriebe große Wachstumsschritte zu. Ermutigt von den Vertragspartnern trauen sich die Praktiker auch Bauvorhaben mit 1 000 Sauen und mehr oder mehreren tausend Mastplätzen zu.
Neben dem Wachstum der Zukunftsbetriebe hat sich die Struktur der Schweinehaltung auch dadurch verändert, dass viele kleine Betriebe ausgestiegen sind. Das gilt insbesondere für die Sauenhaltung. So haben etliche Ferkelerzeuger im Jahr 2013 mit der Pflicht zur Gruppenhaltung das Handtuch geworfen. Viele Sauenbetriebe haben ihre Ställe auch für die weniger arbeitsintensive Mast umgerüstet.
Management verbessert
Mit dem Wachstum der Betriebe hat sich das Management verbessert. Außerdem werden die organisierten Schweinehalter durch die Integratoren produktionstechnisch und tierärztlich intensiv betreut. Hierdurch wurden in den letzten Jahren erhebliche Steigerungen bei den biologischen Leistungen erzielt. So konnten die Spanier die Sauenleistung bereits 2013 auf gut 27 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr hochschrauben (siehe Übersicht 3, Seite 18). Damit können sich die Südeuropäer mit hiesigen Betrieben messen.
Auch in der Mast wurde ein erheblicher Leistungsschub realisiert. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Spanier ihre Ferkel mit 18 kg leicht aufstallen und mit 107 kg Lebendgewicht früher vermarkten. In diesem Gewichtsbereich erzielen die Betriebe beachtliche Zunahmen von gut 700 g am Tag.
Die niedrigen Mastgewichte machen sich insbesondere bei der Futterverwertung positiv bemerkbar. Hier konnten die Südeuropäer allein in den letzten fünf Jahren eine Verbesserung von 1 : 2,83 auf 1 : 2,57 erzielen.
Neben der Verbesserung der biologischen Leistungen profitieren die Spanier von den überdurchschnittlichen Markterlösen. So zeigen Auswertungen der ISN-Interessengemeinschaft, dass die Südeuropäer bei den korrigierten Schlachtnotierungen stets die Spitzenposition im EU-Vergleich einnimmt.
In den letzten fünf Jahren lag die korrigierte spanische Notierung für Schlachtschweine um 10 ct/kg und mehr über dem Niveau in Deutschland.
Fazit
Spanien stockt seine Bestände trotz großer Probleme am EU-Schweinemarkt kräftig auf. Sie profitieren von mehreren Faktoren:
- geringe Lohn- und Stallbaukosten;
- moderate Haltungs- und Umweltauflagen;
- steigende Sauen- und Mastleistungen;
- Unterstützung durch die Integratoren;
- hohe Schlachterlöse.
Aufgrund des günstigen Umfelds wollen die Spanier weiter expandieren. Fachleute erwarten ein Bestandsplus von 1 Mio. Schweinen pro Jahr. So könnte Spanien den Deutschen den Rang als der größte EU-Schweineerzeuger ablaufen.