Mehr als ein Jahr haben Vertreter der gesamten Fleischkette über ein gemeinsames Konzept für mehr Tierwohl diskutiert. Dass dabei bis zum Schluss hart um die Details gerungen wurde, verwundert nicht. Denn naturgemäß haben Lebensmittelketten, Schlachthöfe, Bauern und die ebenfalls beteiligten Tierschutzverbände unterschiedliche Ziele. Dennoch sehen alle Beteiligten das Anfang September beschlossene Konzept als Erfolg. Denn in einem Punkt ist man sich einig: Beim Tierwohl muss sich die Branche bewegen. Zu stark ist der gesellschaftliche und politische Druck. Als große Chance gilt dabei die Zusage des Lebensmitteleinzelhandels. Denn er ist bereit, den Landwirten die Kosten für ein höheres Tierwohl zu erstatten. Dies ist der entscheidende Vorteil der Initiative gegenüber gesetzlichen Verschärfungen. Denn so bleibt die Anhebung des Tierwohls für die Landwirte kostenneutral und die deutsche Schweinehaltung wettbewerbsfähig! Das Konzept der Initiative Tierwohl funktioniert kurz gesagt so: Schweinehalter wählen aus einem Katalog jene Tierwohlkriterien, die sie in ihrem Betrieb umsetzen möchten. Hierfür erhalten sie einen festgelegten Bonus. Das Geld für die Boni stellt der LEH bereit. Der Zeitplan für die Initiative Tierwohl ist eng: Bis zum Frühjahr 2014 will man alle rechtlichen und organisatorischen Fragen klären. Im Herbst 2014 sollen die ersten Betriebsaudits starten. Anfang 2015 sollen die ersten Boni fließen. Auf der Vermarktungsseite konzentriert sich die Initiative zunächst auf das Frischfleisch, wobei man das Tierwohl-Fleisch nicht gesondert auszeichnen will. Sämtliche Vereinbarungen gelten zu- nächst für eine Laufzeit von drei Jahren. Im ersten Schritt fokussiert die Initiative auf die Mast. Die Sauenhaltung und Ferkelaufzucht sollen folgen. Der Kriterien-Katalog für die Mast umfasst 19 Maßnahmen in drei Blöcken. Der Block A enthält sieben Grundanforderungen, die jeder Teilnehmer erfüllen muss. Hierzu gehört u. a. die Teilnahme am QS-System, am Antibiotika-Monitoring sowie Stallklima- und Tränkewasser-Checks (siehe Übersicht 1). Die Grundanforderungen sind die Eintrittskarte für das Programm. Deshalb gibt es hierfür keine Boni. Vielmehr soll jeder Teilnehmer einen Grundbetrag erhalten. Im Gespräch sind jeweils 500 € für die Sauen-, Ferkelaufzucht- und Maststufe. Ein Kombibetrieb bekäme demnach 1 500 € Grundbonus im Jahr. Eine separate Vergütung gibt es hingegen für die Wahlpflichtkriterien im Block B. Hierzu hat eine Expertengruppe ermittelt, welchen Aufwand die einzelnen Tierwohlkriterien verursachen. Als Basis dienen die Mehrkosten bzw. die entgangene Direktkostenfreie Leistung in einem durchschnittlichen Betrieb. Allerdings hat der LEH ein Veto-Recht. Das heißt: Er kann die Boni auch als Steuerungsinstrument anheben oder kürzen. Das Wahlpflichtprogramm in der Mast umfasst 11 Kriterien (siehe Übersicht 2). Hierbei stehen ein höheres Platzangebot in der Bucht und die Gabe von Raufutter im Mittelpunkt. Grundsätzlich dürfen die Landwirte frei wählen, welche Wahlpflichtkriterien sie umsetzen. Um am Programm teilnehmen zu können, gibt es aber zwei Bedingungen: Beim Schlüsselkriterium „Buchten-fläche“ haben sich die Initiatoren auf einen Bonus von 2,80 bis 8,00 €/Tier (netto) geeinigt, je nachdem wie stark das Platzangebot steigt. Wer zusätzliches Raufutter anbietet, erhält 2 € Bonus. Und eine Luftkühlung bringt 20 Cent/Tier. Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, um die Mindestbedingungen zu erfüllen. Wer in der Mast z. B. 20 % mehr Buchtenfläche anbietet, erhält 4 € Bonus und ist dabei (siehe Übersicht 3). Die Mindestbedingungen erfüllt auch, wer den Schweinen 10 % mehr Buchtenfläche und Raufutter anbietet. Der Gesamtbonus beträgt dann 4,80 € je Mastschwein. Neben den Wahlpflichtkriterien im Block B wurde im Block C das sogenannte Sonderkriterium „Ringelschwanz“ verankert. Dahinter verbirgt sich der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze. Um das Sonderkriterium zu erfüllen, müssen Ferkelerzeuger, Aufzüchter und Mäster an einem der Ringelschwanz-Projekte teilnehmen. Hierzu gehört auch eine begleitende Beratung. Um das Kupieren der Schwänze wurde besonders hart gerungen. Tierschützer und LEH hätten dieses Kriterium gern stärker betont. Hingegen machten Landwirtschaft und Schlachtindustrie klar, dass es hier erheblichen Forschungsbedarf gibt und das Kriterium keinesfalls in der Fläche umsetzbar ist. Der Ringelschwanz läuft daher als Sonderkriterium, dessen Umsetzung freiwillig ist. Die Ringelschwanz-Prämie gehört mit 6 € je Tier zu den höchsten im Boni-Katalog. Der Kriterien-Katalog für die Sauen orientiert sich stark an dem für die Mast. So sind im Block A sieben Grundanforderungen verankert, von denen sechs mit der Mast übereinstimmen. Einzige Ausnahme ist der Sauen-Gesundheitsplan, der anstelle der Schlachtbefundauswertung in der Mast steht. Der Wahlpflicht-Block B umfasst bei den Sauen 15 Kriterien. Dabei stehen wie in der Mast das Angebot zusätzlicher Buchtenfläche sowie die Gabe von Raufutter bzw. Nestbaumaterial im Fokus. Eines dieser beiden Kriterien müssen teilnehmende Sauenbetriebe umsetzen. Voraussetzung ist zudem ein Gesamtbonus von mindestens 2 € je Ferkel. Das Angebot von zusätzlich 10, 20 oder 40 % Buchtenfläche in der Gruppenhaltung wird mit 1,40 bis 2,40 € je Ferkel honoriert. Für das Raufutter gibt es 90 Cent je Ferkel. Einen hohen Bonus bringen zudem die Kastration mit wirksamer Schmerzausschaltung wie eine Narkose (1,50 €), die Gruppenhaltung ab dem sechsten Belegtag (1,40 €) und eine vierwöchige Säugezeit (1 €). Außerdem können die Sauenhalter an der Ringelschwanz-Prämie teilhaben. Zur Finanzierung der Initiative Tierwohl haben sich die Großen im deutschen LEH bekannt. Hierzu gehören Edeka, Rewe, Metro, Kaiser’s Tengelmann, Kaufland, Aldi und Lidl. Sie vereinen gut drei Viertel des Lebensmitteleinzelhandels. Die übrigen, vorwiegend kleineren Vertreter aus dem LEH will man noch gewinnen. Der Handel will das Geld für die Boni aus seinen Umsätzen entnehmen. Mehr Tierwohl muss daher nicht zu höheren Fleischpreisen im Laden führen. Den Kostenausgleich will der LEH über eine Clearingstelle in einen Fonds zahlen. Dies soll sicherstellen, dass die Boni die Preisbildung am Schweinemarkt nicht beeinflussen. So wäre es für die Landwirte kontraproduktiv, wenn sie zwar einen Bonus erzielen, aber die Notierung entsprechend nachgibt. In letzter Zeit wurde viel spekuliert, wie viel Geld der LEH für die Initiative bereitstellt. Im ersten Auszahlungsjahr 2015 erwarten die Initiatoren rund 2 000 teilnehmende Mäster und etwa 4 Mio. Tierwohl-Schweine. Das Finanzvolumen könnte in der Startphase je nach Beteiligung 10 bis 20 Mio. € betragen. Im dritten Jahr rechnet man mit 10 000 Be-trieben und 20 Mio. Tierwohl-Schweinen. Das Bonus-Volumen könnte dann auf mehr als 100 Mio. € jährlich steigen. Nach langem Tauziehen hat die Fleischkette ein gemeinsames Konzept für mehr Tierwohl beschlossen. Fachleute sehen darin eine große Chance für die Schweinehalter. Denn erstmals will der Lebensmittelhandel der Erzeugerstufe die höheren Produktionskosten erstatten. Hierzu wurde ein Katalog mit rund 20 Tierwohl-Kriterien und entsprechenden Bonuszahlungen entwickelt. Wichtig ist, dass die Politik der Initiative Tierwohl jetzt eine Chance gibt. Denn bei gesetzlicher Verschärfung der Haltungsauflagen bleiben die Bauern auf den Mehrkosten sitzen. Wettbewerbsverzerrungen und ein beschleunigter Strukturwandel wären die Folge. Start im Frühjahr 2014 19 Kriterien für die Mast 2,80 € für 10 % mehr Platz Knackpunkt Ringelschwanz Sauen sollen nachziehen Große Handelsketten zahlen Wir halten fest Eines der Hauptkriterien „mehr Platz“ oder „Raufutter“ muss erfüllt sein. Der Gesamtbonus eines Mastschweines muss mindestens 3 € betragen. -Fred Schnippe, SUS- Die Fleischkette hat sich auf ein Konzept für mehr Tierwohl geeinigt.Was sind die Kriterien? Welche Boni winken den Erzeugern?