Die Afrikanische Schweinepest hält Kurs auf Deutschland. Bereits ein infiziertes Wildschwein hätte fatale Folgen.
Dr. Sandra Blome, Friedrich-Loeffler-Institut
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Allein in diesem Jahr wurde die Afrikanische Schweinepest (ASP) innerhalb Europas bei weit über 2000 verendeten Wildschweinen bestätigt. Der Großteil davon ist in den Beständen der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen erfasst worden.
Doch auch Tschechien und Polen kämpfen mit der Seuche. Allein auf polnischem Gebiet sind 2017 fast 300 ASP-infizierte Wildschweine gefunden worden. Hinzu kommen über 70 verseuchte Hausschweinebestände. Hier wiegt besonders schwer, dass beim viertgrößten Schweinefleischerzeuger der EU nennenswerte Produktionsstrukturen mit schwacher Biosicherheit und große Wildschweinebestände aufeinander treffen.
Wie nah uns die Seuche gekommen ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass Tschechien und Polen auf über 1200 Kilometern an Deutschland grenzen. Zudem sind die Länder durch eine gut ausgebildete Verkehrsinfrastruktur miteinander verbunden und treiben regen Handel. Für viele Seuchenexperten stellt sich daher nicht mehr die Frage, ob, sondern wann wir den ersten ASP-Fall zu beklagen haben.
Risikofaktor Mensch
Als wahrscheinlichstes Szenario wird vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) ein Ersteintrag in den hiesigen Wildschweinebestand gesehen. Dabei sind als Überträger natürlich grenzwechselnde, infizierte Wildschweine in Betracht zu ziehen. Da die ASP allerdings bei über 90% der betroffenen Tiere binnen einer Woche zum Tod führt, wird die Ausbreitungstendenz durch den direkten Kontakt mit einem erkrankten Wildschwein als mäßig eingestuft.
Als viel gefährlichere Infektionsbrücke gilt, insbesondere nach dem ASP-Ausbruch in der Tschechischen Republik Anfang Juli, der Mensch. Dort wurden die ersten infizierten Wildschweine in einer Region gefunden, die rund 500 km vom nächsten bekannten Verbreitungsgebiet in der Ukraine liegt.
ASP bei Wildschweinen
Mehrere tote Tiere fand man entlang einer Hauptverkehrsachse. Daher halten es Experten für sehr wahrscheinlich, dass es durch die illegale Verbringung bzw. Entsorgung kontaminierter Fleischprodukte zum Ausbruch der Seuche gekommen ist.
Befällt die ASP wie vermutet zuerst die deutsche Wildschweinepopulation, greifen die in der Schweinepest-Verordnung beschriebenen Schutzmaßregeln. Dazu wird das Ausbruchgebiet in einen gefährdeten Bezirk und in eine Pufferzone eingeteilt.
Unter Berücksichtigung des Wildschweinebestandes, dem Vorhandensein natürlicher Grenzen und Überwachungsmöglichkeiten sowie des Seuchenverlaufs legen die Behörden zunächst den gefährdeten Bezirk fest. Dieser kann eine Kernzone enthalten, wenn sich der Eintragsort eingrenzen lässt.
Der gefährdete Bezirk wird nach derzeitigen Empfehlungen einen Mindestradius von ca. 15 km um den Abschuss- bzw. Fundort der ersten Fälle haben. Um den gefährdeten Bezirk wird eine Pufferzone gelegt, die mindestens den doppelten Radius besitzen sollte.
Innerhalb dieser Bereiche gelten zahlreiche Restriktionen und Auflagen, sowohl für die Jägerschaft als auch die Schweine haltenden Betriebe. So kann situationsabhängig eine schnelle und konzentrierte Bejagung des Schwarz-wildes angeordnet werden. Alternativ ist aber auch eine generelle Jagdruhe eine Option, um das Versprengen infizierter Tiere zu verhindern. Gleichzeitig werden die Jäger dazu verpflichtet, die Fallwildsuche in diesem Gebiet zu intensivieren und von tot aufgefundenen Wildschweinen Tupferprobe zu ziehen.
Außerdem ist unverzüglich die zuständige Behörde zu informieren, damit der Fundort geografisch erfasst und der Kadaver im Falle eines positiven Laborbefundes schnellstmöglich entfernt werden kann. Das wäre auch der Zeitpunkt, wo Deutschland dazu verpflichtet ist, die Europäische Kommission offiziell über den Ausbruch zu informieren.
Experten gehen davon aus, dass sich im Falle eines Ausbruches nur eine einzige, kurzweilige Chance auftut, die Seuche erfolgreich einzudämmen. An die Jäger richtet sich deshalb die Aufforderung, im Seuchenfall den Schwarzwildbestand in der Pufferzone um mindestens 80 bis 90% zu reduzieren.
Transportsperren für Betriebe
Liegen Schweine haltende Betriebe im gefährdeten Bezirk, müssen dieser der zuständigen Behörde ihre aktuellen Bestandsdaten mitteilen. Außerdem wird ein Verbringungsverbot erlassen, wonach Schweine weder in noch aus Betrieben im gefährdeten Bezirk verbracht werden dürfen.
Ausnahmegenehmigungen können die betroffenen Schweinehalter nur erlangen, wenn umfangreiche Untersuchungen im gesamten Bestand gegen eine Infektion sprechen. Zudem dürfen der Erteilung keine Belange der Tierseuchenbekämpfung entgegenstehen. Dieses Transportverbot könnte insbesondere betroffene Öko-Betriebe in eine schwierige Situation bringen. Die müssten im Seuchenfall über genügend Stallkapazitäten verfügen, um das dann geltende Verbot der Freilandhaltung aufzufangen.
In die Pflicht genommen werden die Schweinehalter auch bei der Meldung verendeter bzw. erkrankter Tiere. Sollten sich hier erste Anhaltspunkte für eine Übertragung der ASP auf den Hausschweinebestand ergeben, laufen sofort klinische, serologische und virologische Untersuchungen an.
Bei Verdacht droht Keulung
Bereits solch ein Anfangsverdacht würde eine Kettenreaktion mit gravierenden Konsequenzen auslösen. Denn da aktuell kein Impfstoff gegen die ASP existiert, zielen die einzigen Erfolg versprechenden Eindämmungsmaßnahmen auf sehr kurzfristige und strenge Restriktionen gegen möglicherweise infizierte Schweinebetriebe ab.
Das beträfe zunächst den Verdachtsbetrieb, der sich parallel zu den umfangreichen Untersuchungen auch epidemiologischen Nachforschungen stellen muss. Auf der Suche nach möglichen Ein- und Austragsquellen werden dabei der gesamte Tier- und Personenverkehr sowie Fahrzeuge, Sperma-Lieferungen oder Gerätschaften, die mit einem ASP-Ausbruch in Verbindung gebracht werden könnten, genau unter die Lupe genommen.
Der Verdachtsbetrieb und je nach Risikobewertung auch seine nachbarschaftlichen Betriebe, dürfen während dieser Zeit nur mit behördlicher Genehmigung Tiere, Gülle, Futtermittel oder Fleischerzeugnisse ausführen.
Erhärtet sich im Laufe der Untersuchungen der Anfangsverdacht, kann die zuständige Behörde je nach Risikoeinschätzung die Beobachtung oder sogar die sofortige Keulung und unschädliche Beseitigung der Schweinebestände anordnen.
Wenn Hausschweine betroffen sind
Dieser Schritt ist unausweichlich, wenn der Ausbruch amtlich bestätigt wird. Der Kreis der Betriebe, die direkt von Einschränkungen betroffen sind, wächst dann deutlich. So wird um den Seuchenbetrieb herum ein Sperrbezirk von 3 km und ein Beobachtungsgebiet von 10 km gezogen. Ob größere Radien angesetzt werden, hängt von den Ergebnissen der epidemiologischen Untersuchungen, den Strukturen des Handels und der Schweinehaltung sowie des Vorhandenseins von Schlachtstätten und Fleischverarbeitern ab.
Um die Seuchenlage abschätzen zu können, müssen alle Schweinebetriebe im Sperrbezirk innerhalb einer Woche klinisch untersucht werden. Außerdem gilt für sie ein Ausfuhrverbot von Schweinen und die künstliche Besamung ist nur unter strengen Vorgaben zugelassen. Mit einbezogen werden auch Kontaktbetriebe, von denen durch Sauen- oder Ferkellieferungen aus dem Seuchenbetrieb eine Gefahr ausgeht. Sie unterliegen für mindestens 40 Tage einer behördlichen Aufsicht.
Für die Betriebe im Sperrbezirk gilt der Ausnahmezustand solange, bis die ASP als erloschen angesehen wird. Dafür müssen im letzten positiven Betrieb frühestens 45 Tage nach Ab-nahme der Grobreinigung und Desinfektion negative Antikörper-Tests vorliegen. Beim Schwarzwild wird der ge-fährdete Bezirk erst sechs Monate nach dem letzten Nachweis aufgehoben.
Ob diese Bekämpfungsstrategien von Erfolg gekrönt sein werden, bleibt bis zum Ernstfall ungewiss. Sicher ist nur, dass sie auf Jahre die deutsche Schweinehaltung beeinflussen würden.
Fazit
Unsere Nachbarländer Polen und Tschechien bekommen die ASP nicht in den Griff. Aufgrund der dort gemachten Erfahrungen geht das FLI davon aus, dass es auf deutscher Seite zuerst die Wildschweinepopulation treffen könnte.
Bereits dadurch wären Betriebe in den Ausbruchsgebieten durch massi- ve Restriktionen und Transportsperren schwer getroffen. Erreicht die Seuche die Hausschweinebestände, droht die Keulung kompletter Betriebe.
Außerdem würden einige Drittländer vermutlich Handelssperren gegen Deutschland verhängen. Angesichts unserer Exportabhängigkeit mit fatalen Folgen für unsere Märkte.