Mit dem Handelsabkommen TTIP könnte Fleisch aus den USA nach Europa kommen. Wie die US-Farmer arbeiten, erklärt Dr. Manfred Weber, LLFG Iden.
Seit Mitte 2013 verhandeln Europa und die USA über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Politik und Wirtschaft erhoffen sich vom Abbau von Handelsbeschränkungen und Zöllen einen Schub für die Wirtschaft.
Indes warnen Verbraucherschützer, dass mit TTIP auch Lebensmittel nach Europa kommen könnten, die nicht den hiesigen Standards entsprechen. Inbegriff sind das sogenannte Hormonfleisch oder das Chlor-Hähnchen.
Auch die Schweinehalter in Europa sehen TTIP mit Sorge. Denn mit dem Freihandelsabkommen könnten die USA günstig erzeugtes Schweinefleisch deutlich leichter nach Europa liefern.
Bisher machen strenge Einfuhrauflagen und Zölle von bis zu 430 € je Tonne Schweinefleisch den Export nach Europa unrentabel. Mit TTIP würde sich die Position der amerikanischen Fleischexporteure deutlich verbessern. Und US-Schweinefleisch könnte in Europa konkurrenzfähig sein. Hier sind insbesondere vier Punkte zu nennen:
- Mit TTIP käme es zur drastischen Lockerung der Einfuhrkontingente und Zölle für Fleisch.
- Aufgrund fehlender bzw. deutlich niedrigerer Haltungs- und Umweltvorschriften können die US-Betriebe Schweinefleisch sehr günstig erzeugen.
- Die Kosten für den Fleischexport per Schiff sind deutlich gesunken und ermöglichen lange Transportwege.
- Moderne Kühlmöglichkeiten erlauben auch den Transport von ungefrorenem Fleisch.
Die Sorge, dass das Freihandelsabkommen TTIP den Preisdruck am europäischen Schweinemarkt erhöhen könnte, ist also berechtigt.
Das folgende Interview zeigt, wie die US-Farmer im Bundesstaat North Carolina Schweine halten und füttern und zu welchen Kosten sie produzieren können. North Carolina ist der Bundesstaat mit den zweitmeisten Schweinen in den USA.
Sie haben die USA bereist. Wie sehen die Farmer das geplante Handelsabkommen?
Dr. Weber: Positiv! Die führenden Verbände der Schweinehalter haben die US-Regierung erneut zu einem schnellen und umfassenden Abschluss des Abkommens aufgefordert. Die US-Schweinehalter sehen darin eine große Chance, endlich den Marktzugang zu Europa zu erlangen.
Wie weit sind die US-Farmer in Sachen Tierschutz?
Dr. Weber: Beim Tierschutz stehen die Schweinehalter noch ganz am Anfang. Amerikanische Politiker verfolgen auch hier die Maxime einer möglichst geringen staatlichen Regulierung. Rechtliche Beschränkungen wie unsere Schweinehaltungs-Verordnung gibt es in North Carolina nicht. Allerdings formieren sich auch in den USA immer mehr Tierschutzverbände. Oft setzen diese bei den großen Handelskonzernen oder Fast-Food-Ketten an. Das bekannteste Beispiel ist McDonald’s. Auf Druck der Tierschützer hat der Fast-Food-Riese angekündigt, nur noch Fleisch aus Betrieben abzunehmen, welche die Gruppenhaltung für Sauen umsetzen.
Wie reagieren die großen Integratoren?
Dr. Weber: Viele große Schweinekonzerne haben eigene Vorgaben für ihre Sauen- und Mastställe verfasst. So strebt z. B. Smithfield, mit 830 000 Sauen größter Schweineproduzent der USA, ab 2017 die Gruppenhaltung in seinen Betrieben an. Allerdings soll das Platzangebot nur 1,5 m2 je Sau betragen. Auch der viertgrößte US-Sauenbetrieb, TDM Farms, hat betriebseigene Vorgaben verfasst. Neben Standards für Hygiene, Fütterung und Klima geht es ebenfalls um sensible Themen wie das Töten lebensschwacher Ferkel. Letztlich sind die Vorgaben auch notwendig, da in vielen US-Betrieben zum Großteil ungelernte Kräfte aus Mexiko arbeiten.
Wie steht es um kritische Themen wie das Schwänzekupieren, Kastrieren und Freilaufbuchten für säugende Sauen?
Dr. Weber: Die Europäer sind hier fünf bis zehn Jahre voraus. Freilaufbuchten für säugende Sauen sind noch kein Thema in North Carolina. Zunächst muss erst einmal die flächendeckende Gruppenhaltung tragender Sauen angegangen werden. Schwänze werden nach wie vor kupiert, sie dürfen auf maximal 1,5 cm gekürzt werden. Auch die Kastration wird ohne Betäubung oder Schmerzmittelgabe am fünften Lebenstag routinemäßig durchgeführt. Ähnliche Vorgaben wie in Deutschland gibt es nur bei der Tötung von Tieren.
Welche Spaltenböden werden eingebaut?
Dr. Weber: Die meisten Farmer arbeiten nach dem Wean-to-finish-System. Das heißt: Es handelt sich um kombinierte Ferkelaufzucht- und Mastställe. Die Ferkel bleiben dabei vom Aufstallen mit 8 kg bis zum Mastende in derselben Bucht. Erstaunlich ist, dass bereits die kleinen Ferkel auf Betonspaltenböden mit 28 bis 30 mm Schlitzweite aufgestallt sind. Nach Aussage der Farmer kommen die Ferkel damit problemlos zurecht.
Welche Umweltauflagen gelten beim Neubau?
Dr. Weber: Auch hier können die Betriebe mit geringen Aufwendungen kalkulieren. Denn Baugenehmigungen für neue Ställe sind nicht erforderlich. Die Behörden prüfen lediglich die Berechnungen für die Güllelagerkapazität und den Stromanschluss. Jedoch dürfen die Farmer nur so groß bauen, dass vorhandene Güllelager ausreichen. Trotzdem achten die Bauherren auf große Sorgfalt. Denn nach amerikanischem Recht drohen hohe Strafzahlungen bis hin zu Haftstrafen, wenn ein Stall nachweislich Schäden verursacht.
In welchen Größenordnungen bauen die US-Betriebe?
Dr. Weber: Die Stallkapazitäten sind in der Regel auf die Größe der Tiertransporter abgestimmt. Die Trucks können bis zu 2 400 Absetzferkel aufnehmen. Etliche Stalleinheiten umfassen somit vier Abteile für jeweils 600 Ferkel. Nicht selten verfügen die Betriebe über mehrere Stalleinheiten, die parallel betrieben werden.
Wie werden die Tiere gefüttert?
Dr. Weber: Hauptbestandteil vieler Rationen ist Mais. Dieser wird in den weitläufigen Ackerbaugebieten in North Carolina in großen Mengen angebaut und ist entsprechend günstig. Dies gilt auch für Trockenschlempe, die aus der stark expandierten Bioethanol-Produktion anfällt. Auffallend ist zudem der hohe Rohproteingehalt vieler Mischungen. Offenbar machen preisgünstige Roh-Komponenten eine Kostenoptimierung des Futters wenig interessant.
Welche Bedeutung haben Fütterungs-Antibiotika?
Dr. Weber: Der Einsatz von Antibiotika über das Futter ist stark verbreitet und wird als Leistungsförderer genutzt. In den ersten beiden Rationen nach dem Absetzen bis etwa 15 kg Ferkelgewicht ist der Einsatz von Fütterungsantibiotika obligatorisch. In der Regel verwenden die Betriebe hier Chlortetracyclin und Tiamulin. Zudem enthalten die Ferkelrationen hohe Mengen an Kupfer und Zink. Die Gehalte überschreiten die in Deutschland zulässigen Werte deutlich. In den weiteren Mastabschnitten bis zur Schlachtung wird dann Virginiamycin als antibiotischer Leistungsförderer verwendet. In Deutschland sind diese Produkte seit 2006 komplett verboten.
Gibt es ähnliche Bestrebungen in den USA?
Dr. Weber: Ja, seit Kurzem. So veröffentlichten die US-Behörden Anfang Juni neue Regeln für den Einsatz von Antibiotika. Hiernach dürfen Arzneimittel, die auch zur Behandlung von Menschen dienen, nicht mehr als Leistungsförderer eingesetzt werden. Für therapeutisch eingesetzte Antibiotika gibt es keine Verschärfungen. McDonald’s kündigte bereits im April ähnliche Bestrebungen an. So will die Fast-Food-Kette innerhalb der nächsten zwei Jahre auf Hähnchen verzichten, die mit relevanten Antibiotika für den Humanbereich gefüttert wurden.
Welche Bedeutung hat die Vertragsmast in den USA?
Dr. Weber: Etwa 70 % der Mastschweine werden in den USA im Rahmen von Integrationen gemästet und vermarktet. Hierzu schließen die Farmer Verträge mit einem Schlachtkonzern, einer Stallbaufirma o. ä. ab. Die Firmen liefern die Ferkel, das Futter und geben feste Regeln für das Management sowie die Ein- und Ausstalltermine vor. Die Farmer sind in ihren Entscheidungen also stark eingeschränkt. Sie können jedoch mit einem festen Erlös je Schwein kalkulieren und tragen weniger unternehmerische Risiken. Das macht sich auch bei der Investitionsplanung und der Kreditvergabe positiv bemerkbar.
Wie ist die wirtschaftliche Situation der US-Farmer?
Dr. Weber: Das Jahr 2014 war für die amerikanischen Schweinehalter finanziell sehr erfolgreich. So konnten die Betriebe mit einem Unternehmergewinn von fast 50 $ je Mastschwein ein Rekordergebnis erzielen. Hauptgrund hierfür war die ansteckende Durchfallerkrankung PED, die insgesamt rund 10 Mio. Ferkel getötet hat. In der Folge kam es zu einer extremen Angebots- verknappung und Höchstpreisen am amerikanischen Schweinemarkt.
Wie ist die aktuelle Erlössituation?
Dr. Weber: Die PED-Welle ebbt merklich ab. Und viele Schweinehalter haben wegen der hohen Erlöse im vergangenen Jahr aufgestockt. In den letzten Wochen kam es so zu einem Preisverfall von 30 % unter die Schwelle von 1 $ je kg Lebendgewicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Fleischexporte aufgrund des vergleichsweise starken Dollar gebremst werden.
Werden die US-Farmer weiter aufstocken und ihre Exporte ausbauen?
Dr. Weber: Ja, vermutlich. Denn neben den genannten Vorteilen bei den Futterkosten profitieren die US-Schweinehalter von günstigen Baukosten. So erlauben die klimatischen Verhältnisse den Bau einfacher Außenklimaställe. Oft liegen die Baukosten nur bei etwa 150 € je Mastplatz zuzüglich der Güllelagerung. In Deutschland ist ein Mastplatz mehr als dreimal so teuer. Diese Kostenvorteile wollen die US-Farmer im Exportgeschäft nutzen.