Die Banken verweigern dänischen Landwirten neue Kredite. Das lähmt die gesamte Branche. SUS war vor Ort und hat mit Schweinehaltern, Beratern und Banken diskutiert. In Dänemark droht die Blase des fremdfinanzierten Wachstums zu platzen. Vor zwei Jahren sind die Preise für Ackerflächen abgestürzt. Dies hat so manches Finanzierungsmodell ins Wanken gebracht, da plötzlich Sicherheiten fehlten. Jetzt kommen hohe Futterpreise und die in Relation zu den Futterkosten zu niedrigen Schlachterlöse hinzu. Insgesamt sollen rund 20 % aller 4 500 dänischen Schweinebetriebe vor der Pleite stehen. „Besonders hart getroffen hat es die Betriebe, die in den letzten Jahren kräftig expandiert haben. Um ihre Produktion ausweiten zu können, haben sie in der Regel wahnsinnig überteuertes Ackerland gekauft“, erklärt Heinrich Lüllau, Chefökonom von Landbosyd, einem der landwirtschaftlichen Beratungsvereine in Süddänemark. Lüllau analysiert regelmäßig die Rentabilität von landwirtschaftlichen Betrieben aller Art. Von der Krise kalt erwischt wurden auch die Betriebe, die gerade den Generationswechsel hinter sich haben. Denn die dänischen Hofnachfolger müssen ihren Eltern den Betrieb zu marktüblichen Preisen abkaufen und dafür in der Regel hohe Kredite aufnehmen. Da die Sauenhalter aber bereits das vierte Jahr in Folge Verluste schreiben, konnten Neueinsteiger bislang keine Rücklagen bilden. Bei der Übernahme waren die jungen Landwirte noch optimistisch: Schließlich sprachen alle Prognosen für bessere Schweinepreise. „Jetzt erlebe ich viele, denen aufgrund der langen Durststrecke mit mageren Erlösen die Luft ausgeht – und das, obwohl sie das Management im Griff haben und über 30 Ferkel absetzen“, berichtet Mogens Dall. Er ist der Vorsitzende des Bauernverbands, bei dem Lüllau angestellt ist, und selbst Schweinemäster. Häufig muss Dall derzeit Krisengespräche mit Schweinehaltern führen, deren betriebliche Zukunft ungewiss ist. Um gefährdeten Betrieben in ihrer Situation zu helfen, hat der Bauernverband extra vier Berater eigens dafür abgestellt, „wackelige“ Schweinebetriebe unter die Lupe zu nehmen und gemeinsam mit den Landwirten Lösungen zu finden, wie noch gespart werden kann. Dabei wird zum Beispiel ausgelotet, ob der Maschinenpark verkleinert werden kann oder ob eine Kooperation mit anderen Betrieben infrage kommt. Meistens melden sich die Landwirte von sich aus bei den Beratern, wenn sie Hilfe brauchen. Doch nicht alle betroffenen Schweineproduzenten wollen sich ihre missliche Lage eingestehen. „Manche verschweigen die finanziellen Probleme sogar vor ihrer Frau. Es gibt Fälle, in denen wir nach einem diskreten Hinweis von der Bank den Kontakt zum Betrieb aufgenommen haben“, berichtet Dall. Die Lage wäre in vielen Fällen nicht so prekär, wenn die Bodenpreise nach dem Absturz vor zwei Jahren wieder gestiegen wären. Vor drei Jahren lag der Preis im Mittel bei stolzen 35 000 €/ha. Jetzt sind selbst sehr gute Böden anstatt 40 000 €/ha oft nur noch 20 000 €/ha wert. Wegen der bis 2010 gültigen Auflage, einen Anteil der Fläche für die Gülleentsorgung zu besitzen, waren die Preise vor allem in viehdichten Regionen in schwindelerregende Höhen geklettert. „Die Banken heizten den Kampf der Tierhalter um die Flächen noch an, indem sie den Kauf überteuerten Landes bereitwillig finanzierten. Sie sahen sogar gerne hohe Bodenpreise, weil das Land den Großteil des Eigenkapitals der Betriebe ausmachte und sich so die Beleihungsgrenze nach oben verschob“, erklärt Berater Lüllau. So hat sich Dänemark eine Produktion aufgebaut, die davon abhängig war, dass es immer neues Kapital gibt. „Banken, Landwirte und Berater hatten nur die Leistungssteigerungen der Betriebe im Blick. Die Kostensteigerungen haben wir zu wenig beachtet“, gesteht Heinrich Lüllau ein. Mit dem Platzen der Blase am Bodenmarkt entfallen nun ein Großteil der Sicherheiten. Das führte zur Unterdeckung der laufenden Kredite, woraufhin die Geldinstitute die Konditionen neu festgelegt haben. Dadurch und aufgrund der miesen Markterlöse sind viele Schweinehalter jetzt zahlungsunfähig. Doch obwohl diese Landwirte ihre Zahlungen schuldig bleiben, drücken die Banken bislang relativ wenige Betriebe auf den Markt. Denn es gibt kaum Käufer. Aktuell stehen etwa 120 Schweinebetriebe in ganz Dänemark öffentlich zum Verkauf, die meisten davon in Jütland. Rund 50 Höfe suchen bereits seit mehr als einem Jahr einen Käufer. Die anderen etwa 70 Betriebe sind innerhalb der letzten zwölf Monate hinzugekommen. „So lange die Zinsen so niedrig bleiben, ist es für die Banken günstiger, einen Betrieb weiter produzieren zu lassen, als ihn unter Wert zu verkaufen und dann dabei viel Geld zu verlieren“, weiß Heinrich Lüllau. In einigen Fällen tauscht die Bank jedoch den Betriebsleiter aus. Ein paar Landwirte haben auch von sich aus die Koffer gepackt und die Schlüssel für Haus und Hof der Bank übergeben. Diese hat dann einen Verwalter eingesetzt. Hinter den Kulissen ist noch deutlich mehr im Umbruch. Die technisch insolventen Landwirte selbst, ihre Berater, Makler oder Banken suchen alternative Strategien. Sie bieten ihre Höfe anderen Betrieben an, die noch auf finanziell stabilen Beinen stehen. Wirtschaftlich gut geht es derzeit jedoch nur etwa 30 % aller Schweinehalter. Das sind häufig die Betriebe, die über eigenes Futter und einen gesicherten Ferkelabsatz verfügen und die den Run auf Land zu Beginn des Jahrtausends nicht mitgemacht haben. Sie waren entweder schon vorher gut mit Fläche ausgestattet oder sahen einfach keine Notwendigkeit, in der Tierproduktion zu wachsen. „Die Banken wollen zwar einerseits, dass diese gesunden Betriebe die schwachen Betriebe aufkaufen. Sie wollen ihnen aber andererseits keine Kredite zur Finanzierung des Kaufes geben“, bringt Heinrich Lüllau das Dilemma auf den Punkt. Der Grund: Die Banken haben selbst kein Geld und Angst, pleitezugehen. Seit der weltweiten Finanzkrise 2008 mussten zehn dänische Geldinstitute unter den staatlichen Bankenrettungsschirm schlüpfen. Zuletzt hat es im Juni die Agrarbank Fjordbank Mors getroffen. Damit andere Banken nicht dasselbe Schicksal ereilt, versuchen diese, unsichere Kunden abzustoßen. Gelingt dies nicht und macht die Bank bankrott, wird versucht, die Kunden an andere Banken zu vermitteln. Damit die anderen Banken die Schweinehalter aufnehmen, wird den Landwirten ein Teil der Kreditschulden mithilfe von Geld aus der dänischen Staatskasse erlassen. Unvermittelbare Kunden werden fortan von der staatlichen Banken-Auffanggesellschaft „Finansiel Stabilitet“ betreut. Solche Betriebe will keine andere Bank. Sie werden es auch in Zukunft kaum schaffen, Kredite zu bekommen. „Wir erhalten täglich Anfragen von Landwirten, die unsere Kunden werden wollen. Die allermeisten lehnen wir ab“, berichtet Henrik Andersen, Filialleiter bei Sparekassen Kronjylland in Horsens. In seiner Bank beanspruchen Agrarkunden etwa 10 % des Gesamtkreditvolumens. „Bei der Entscheidung, ob wir einen Betrieb finanzieren, sind drei Dinge wichtig: Das Eigenkapital, der Ertrag, den der Betrieb in den vergangenen Jahren erwirtschaftet hat, und die Unternehmerpersönlichkeit des Landwirts“, zählt Henrik Andersen auf. Konnte ein Landwirt vor 2008 quasi ohne eigene Rücklagen Fremdkapital für ein Projekt bekommen, fordern die Banken heute einen Eigenkapitalanteil von mindestens 25 bis 30 %. Diesen kann derzeit kein Schweinehalter aufbringen. Bei einer Kreditanfrage fühlt die Bank dem Landwirt aber auch hinsichtlich seiner Person auf den Zahn. Wer keine klare Strategie vorweisen kann und zu lange braucht, geforderte Belege und Informationen nachzureichen, gilt als unzuverlässig und hat von vornherein keine Chance auf finanzielle Mittel. Dass Schweinehalter keine Kredite bekommen, schlägt sich voll auf die Baubranche durch. Bei Graakjaer, der mit 15 % Marktanteil größten Stallbaufirma Dänemarks, schrumpfte der Umsatz von umgerechnet 81 Mio. € im Jahr 2008 auf 20 Mio. € im letzten Jahr. Gleichzeitig verlor bis heute über die Hälfte der damals 250 Mitarbeiter ihren Job. „Aktuell bauen wir in Dänemark an etwa 20 Schweine- und fünf Rinderställen. Hochgerechnet auf alle Stallbaufirmen sind im Land derzeit etwa 150 Stallanlagen im Bau“, gibt Kristian Sejersbøl, Betriebsökonom bei Graakjaer, Auskunft. Aufgrund der schwachen Auftragslage durch Landwirte im Inland stützt sich Graakjaer nun vermehrt auf Industriebauten und den Export. Die Geschäfte in Deutschland, Norwegen und Schweden laufen laut Sejersbøl gut. Inzwischen machen die Exportmärkte 50 % des Auftragsbestands aus. Für das Inlandsgeschäft hingegen seien die Aussichten dem Bauberater zufolge auch für die nächsten Monate noch eher schlecht. Der Geschäftsführer der Danske Svineproducenter, Hans Aarestrup, sagt sogar einen Investitionsstopp in der Schweineproduktion für mindestens fünf Jahre voraus. Was heißt das für die Sauenhalter, die im Laufe des nächsten Jahres noch auf die Gruppenhaltung umstellen müssen? „In wenigen Einzelfällen können Neubauten realisiert werden. Für die allermeisten der Betriebe gibt es nur zwei Lösungen: Entweder mit einer einfachen Umbaulösung den Sauenbestand abstocken oder aus der Produktion aussteigen“, ist Sejersbøl überzeugt. Wenn die Kreditklemme nicht aufgelöst werden kann, rechnen die befragten Berater unisono mit einem Rückgang des Sauenbestands von bis zu 15 % bis 2013. Im letzten Jahr ist die Anzahl Sauen bereits um 4,5 % gesunken. Inwieweit die Produktion durch die kontinuierliche Steigerung der biologischen Leistungen der dänischen Sauen doch noch gehalten werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. In jedem Fall hätte ein deutlicher Rückgang der Sauenzahl auch einschneidende Folgen für den vor- und nachgelagerten Bereich. Eventuell kommt Ende des Jahres etwas Bewegung in den Markt und damit eine Ausstiegswelle. „Ich schätze, dass einige Landwirte bzw. Banken noch den Gewinn aus dem Verkauf der diesjährigen Getreideernte und die Auszahlung der EU-Flächenprämien abwarten und dann ihre Höfe verkaufen“, so Lüllau. Für die verbleibenden Betriebsleiter wird entscheidend sein, wie sich die Futterkosten entwickeln. In dem Zusammenhang kommt es zum Beispiel stark darauf an, die richtigen Zeitpunkte für den Futtermitteleinkauf abzupassen. Früher haben dänische Schweineproduzenten traditionell Futterverträge für ein ganzes Jahr abgeschlossen. Sollte der Markt wieder anspringen, werden die Banken auch wieder Kredite vergeben. Doch dass die Geldinstitute Landwirte im Vergleich zu Unternehmern aus der Industrie privilegiert behandeln und ihnen besonders günstige Konditionen einräumen – diese Zeiten sind wohl vorbei! Die Bankenkrise und die hohen Futterkosten in Dänemark haben dazu geführt, dass Schweinehalter keine neuen Kredite mehr bekommen. Da die Fremdfinanzierung in der dänischen Landwirtschaft traditionell sehr hoch ist, gehen dänische Berater davon aus, dass etwa 20 % der Schweineproduzenten aussteigen müssen. Mit den Auflagen ab 2013 könnte sich der Sauenbestand um 15 % verringern. Die zu erwartenden Leistungssteigerungen bei den Ferkelzahlen können die Verluste mindern, aber nicht komplett auffangen. Daher wird es wohl ein paar Jahre dauern, bis das dänische Produktionsniveau der letzten Jahre wieder erreicht ist. Viele Krisengespräche Preissturz bei Ackerflächen Zwangsversteigerungen drohen Banken verweigern Kredite Baustopp für die nächsten fünf Jahre Wie geht es weiter? Fazit -Mareike Schulte, SUS-Redaktion-