Die Preiskrise setzt auch die Schlachthöfe unter Druck. Welche Strategie verfolgen Tönnies, Vion & Co? Was heißt das für die Mäster?
Matthias Quaing, ISN
Das Jahr 2015 stand voll im Zeichen der Preiskrise. Schweinehalter und Schlachtunternehmen blicken auf ein schweres Jahr zurück. Die Gründe sind klar: Das Angebot stieg EU-weit um 2,5 %, gleichzeitig schwächelt die Binnennachfrage.Unter diesen Vorzeichen legt der Wettbewerb am internationalen Fleisch- markt deutlich an Schärfe zu.
Tönnies wird internationaler
Branchenprimus Tönnies setzt dennoch weiter voll auf Wachstum. So investiert der Konzern neben Deutschland auch in Dänemark, Frankreich, Spanien, Serbien und Russland.
In Dänemark, wo Tönnies bereits seit einigen Jahren in Brörup aktiv ist, gelang ein großer Wurf: Dort hat das deutsche Unternehmen mit Tican die Nummer zwei übernommen. Hiermit könnte Tönnies seinen Marktanteil in Dänemark auf fast 20 % bzw. rund 3,6 Mio. Schweineschlachtungen pro Jahr steigern. Tican öffnet neue Türen in Asien sowie in Großbritannien.
Spannend ist die Ansage, sich auch in Spanien zu engagieren. Hier hat Tönnies ein kleines Schlachtunternehmen nahe Saragossa gekauft, das im Lohn vorwiegend Sauen schlachten soll.
Auch in Deutschland will man wei-ter wachsen. Der Marktanteil liegt be-reits bei 27 % (siehe Übersicht). Schon bald könnte nahezu jedes dritte Schwein in Deutschland bei Tönnies an den Haken kommen.
Der Hauptstandort in Rheda-Wiedenbrück ist nach eigenen Angaben heute das größte Fleischwerk der Welt. Hier will der Konzern 2016 weitere 30 Mio. € in die Schlachtung, Verwaltung sowie in einen Campus für Nachwuchskräfte investieren. Die Kapazität soll in den nächsten Jahren von 130000 auf bis zu 145000 Schweine je Woche steigen.
Zudem hat Tönnies den Schlacht- und Zerlegebetrieb Thomsen aus Schleswig-Holstein übernommen. Der hat zwar nur rund 6000 Schweine pro Woche geschlachtet. Doch der Betrieb liegt aufgrund fehlender Konkurrenz strategisch günstig.
Asia-Terminal in Rheda
Bei Tönnies geht jedes zweite Schwein in den Export. Daher soll der Asia-Terminal in Rheda weiter wachsen. Die Kapazitäten sollen von 1000 t mittelfristig auf 1400 t Schweinefleisch pro Woche steigen. Vom Asia-Terminal kann der Konzern dann rund 200 Kühl-Container je Woche aufbereiten.
Der Standort Sögel wird ebenfalls weiter entwickelt. Hier will der Konzern die Kapazitäten langsam auf die genehmigte Größe von 108000 Schweinen wöchentlich ausweiten. Derzeit sind es rund 85000 Schweine pro Woche.
Die Auslastung der vier deutschen Tönnies-Standorte kann so in Zukunft auf mehr als 350000 Schweine pro Woche steigen. Bei wöchentlichen Schlachtungen von etwa 1 Mio. Tieren in Deutschland könnte der Marktanteil von Tönnies beachtlich steigen.
Bereits 2015 erfolgte mit der Gründung eines eigenen Viehhandels der Einstieg in die vertikale Integration. Ziel ist die Vernetzung der gesamten Fleischkette vom Ferkelerzeuger bis zum Verarbeitungsunternehmen.
Kritiker fürchten eine Entwicklung, wo Landwirte Lohnmast für große Integratoren betreiben und in der Vermarktung stark eingeschränkt sind. Dem Vernehmen nach hat Tönnies vor allem in Niedersachsen bereits eine nicht unerhebliche Zahl an Mästern vertraglich an sich binden können.
Vion: Restrukturierung wirkt
Der international tätige Schlachtkonzern Vion hat es 2015 weitgehend aus den Schlagzeilen um rote Zahlen und Standortschließungen geschafft. Der moderate Rückgang der Schlachtzahlen auf rund 8,8 Mio. Schweine in Deutschland (15 % Marktanteil) ist insbesondere mit der Schließung der Schlachthofstandorte in Lingen im Emsland und in Straubing in Bayern zu erklären.
Damit hat Vion in den vergangenen vier Jahren 15 Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe bzw. rund 50 % der früheren Standorte in Deutschland geschlossen. Weitere Schließungen sind nicht geplant.
Wenig Marge mit Schweinen
Auch der Geschäftsbericht des niederländischen Konzerns liest sich wieder deutlich freundlicher als früher. Durch den Verkauf der Nebenprodukte-Sparte hat der Konzern reichlich frisches Geld bekommen und konnte die viel zu hohe Fremdkapitalbelastung spürbar senken.
Im operativen Geschäft hat Vion nach eigenen Angaben 2015 ebenfalls wieder schwarze Zahlen geschrieben. Unklar ist jedoch, inwieweit die Schweine zum Ergebnis beigetragen haben. Es ist kein Geheimnis, dass mit Schlachtrindern 2015 sehr gutes Geld verdient wurde, während im Schweinegeschäft oft nur kleine Margen drin waren.
Kurzfristig strebt Vion eine weitere Optimierung der verbliebenen Standorte an, um Kostenreserven zu erschließen. Im Süden wird sogar wieder von einer Expansion gesprochen. Die Schlachthöfe in Landshut und Vilshofen werden aktuell auf je 21000 Schweine je Woche ausgebaut und damit etwa verdoppelt. Unter dem Strich ist damit zu rechnen, dass Vion die derzeit erreichten Marktanteile von 15 % in Deutschland halten dürfte.
Westfleisch: Mehr Auslastung
Das genossenschaftliche Unternehmen Westfleisch konnte bei den Schweineschlachtungen 2015 nochmals um 2,3 % zulegen. Mit 7,7 Mio. Schweinen wurde erneut ein Rekordergebnis erzielt. Das entspricht 13 % Marktanteil.
Doch wirtschaftlich lief das Schweinegeschäft nicht gut. Selbst die posi-tive Rindersparte konnte nicht verhindern, dass die Westfleisch 2015 rund 4,1 Mio. € Verlust ausweisen musste.
Als Hauptgründe nennt die Unternehmensspitze gesunkene Margen im Fleischgeschäft sowie gestiegene Produktionskosten. Im Klartext: Westfleisch muss effizienter werden, um wieder in die Gewinnzone zu klettern und den Anschluss an das Unternehmen Tönnies zu halten.
Bei aller Tragik dürfte der Brand in Paderborn und der damit verbundene Wegfall der Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten für rund 1300 Rinder und 30000 Schweine pro Woche eine Chance darstellen.
Schon heute kann Westfleisch über eine verbesserte Auslastung der übrigen Standorte sowie über Lohnschlachtungen in Gelsenkirchen dieselben Stückzahlen wie vor dem Brand schlachten.Lediglich im Grillgeschäft könnten Kapazitätsgrenzen erreicht werden.
Die Anfuhr der Schweine aus der Region Paderborn regelt eine Viehsammelstelle am ehemaligen Schlachthof.
Das Genehmigungsverfahren für ein neues, deutlich größeres Fleischcenter am Standort Paderborn will das Münsteraner Unternehmen zumindest prüfen.
Doch selbst bei einem positiven Entscheid für Paderborn wäre mit einer Fertigstellung nicht vor 2020 zu rechnen. Ob der abgebrannte Schlachthof wieder aufgebaut wird, ist daher sehr fraglich.
Obwohl sich die Westfleisch im Masterplan 2020 ehrgeizige Wachstumsziele gesetzt hat, dürften nach Schätzungen von Marktbeobachtern die Zeiten einer starken Expansion zumindest im Schweinebereich vorbei sein.
Müller mischt den Süden auf
Auch auf den Plätzen vier bis zehn hat es kaum Änderungen gegeben. Danish Crown in Essen/Oldenburg hat wie bereits im Vorjahr rund 2,6 Mio. Schweine geschlachtet. Etwas weniger Tiere hat das niedersächsische Unternehmen Vogler geschlachtet.
Im Süden besticht die Müller-Gruppe durch dynamisches Wachstum gegen den Trend. Müller profitiert von der starken Nachfrage des Lebensmittelhandels und Discounts nach regionalem Fleisch. Um diese zu bedienen, hat Müller bereits mehr als 1000 Mastbetriebe im Süden vertraglich an sich gebunden. Auch in die Eberschlachtung ist Müller eingestiegen, was Diskussionen ausgelöst hat.
Die Mittelständler Böseler Goldschmaus mit 1,69 Mio. Schweinen, BMR (1,41 Mio.), Tummel (1,51 Mio.) und Si-mon (1,03 Mio.) zeichneten sich 2015 durch ein moderates Wachstum aus. Im umkämpften Markt geht es um Kostensenkung sowie mehr Wertschöpfung.
Wettbewerb wird härter
Neben den strukturellen Anpassungen der Schlachtbetriebe zeichnen sich weitere Veränderungen ab:
- Trotz Forderungen nach Regionalität und Tierwohl zählt oft nur der Preis. Der steht bei verarbeiteten Produkten durch günstige Importe unter Druck.
- Die drei großen Schlachtkonzerne haben zusammen 55 % Marktanteil und beeinflussen stärker den Preis.
- Europäer essen verstärkt Edelteile. Daher brauchen wir politische Hilfe zur Öffnung neuer Exportmärkte.
- Die Konzentration auf wenige Schlachtstandorte nimmt zu. Das verlängert die Transporte.
- Ungleichgewichte zwischen der Erzeuger- und der Schlachtstufe wachsen. Das fördert die vertraglich gebundene Produktion bis hin zur Lohnmast.